"Scotch Whisky": Von einer schottischen Brennerei zur nächsten
Der deutsche Fotograf Horst A. Friedrichs und der britische Reisejournalist Stuart Husband haben 17 schottische Whiskymacher besucht, die sie in stimmungsvollen Bildern und prägnanten Texten vorstellen.
6,7 Millionen Schafe gegenüber 5,5 Millionen Menschen - klar, welche Spezies also auf dem ersten doppelseitigen Bild des Bandes in den Dünen steht und nachdenklich ins Abendsonnenlicht blökt, äh, blickt. Horst A. Friedrichs und Stuart Husband haben schließlich eine Reise zu Schottlands jüngsten Destillerien unternommen (und ein paar traditionsreiche ältere gleich mitbesucht), und das heißt: Unterwegs Landschaftseindrücke aufgenommen, violett blühende Heideflächen bestaunt, Wolkenkapriolen genossen.
Unternehmergeist und frische Ideen
Ah, und Whisky genossen, selbstverständlich. Wobei Husband in seinen Texten angenehmerweise auf abgedroschene Whiskylyrik verzichtet. "Fruchtig-frisch mit süßer Eiche…", nimmt er sich einmal heraus. Ansonsten porträtiert er lieber die zumeist jungen Destillerie-Gründer - von den 17 vorgestellten Destillerien sind mehr als die Hälfte keine 20 Jahre alt -, denn die haben Unternehmergeist und frische Ideen: Poppig comic-bunte Etiketten zum Beispiel auf den Produkten der Dornoch Distillery aus den Highlands. Hier wird in einer umgebauten Feuerwache destilliert und kondensiert; "immerhin habe es bei ihnen nur eine ganz kleine Explosion gegeben", erklärt Jungunternehmer Philip Thompson schmunzelnd. "Wir benutzen kein Gas mehr." Ein echter Schritt vorwärts! Die Schlauchführung entlang der dicken Backsteinwände wirkt dennoch recht, sagen wir mal, handarbeitsstolz.
Im Gegensatz zur Isle of Raasay Distillery, die bloß ein Jahr älter ist als Dornoch (was bedeutet: Sie wird zehn Jahre alt, Dornoch neun, niedlich). Der Stolz der 160-Einwohner-Insel prunkt mit kupferglänzenden Brennblasen aus der Toskana und mit Panorama-Sichtscheiben, die den Ausblick auf die benachbarte Isle of Skye erlauben. Die rubbelige Oberfläche der Flaschen soll an die Felsen und Fossilien auf der Insel erinnern. Das ist elegant, mit Köpfchen, jeglichem Traditionsgehabe abhold.
"Nachhaltig wirtschaften, den alten Muff austreiben, herumexperimentieren", nennt Annabel Thomas auch selbstbewusst als Hauptziele der von ihr gegründeten Nc’Nean Distillery - benannt nach Neachneohain, der Königin der Geister. Hier haben Frauen das Sagen und brennen einen etwas leichteren, runderen Whisky als die Konkurrenz, der dann im Ergebnis auch mehr Kundinnen anspricht.
Schottlands beste Destillerien?
Man merkt: Bei der Auswahl der Brennereien setzt der Bildband vor allem auf wagemutige Unternehmerinnen, auf kreative Jung-Brenner und auf den Entdeckergeist der Leserinnen und Leser. Die Fotografien von Rauch und Feuer, graubraunen Holzfässern und langen gebogenen Rohren sind allesamt exzellent. Die Texte nie kürzer als zwei Spalten auf einer Buchseite (aber auch nie länger). Natürlich ist es totaler Quatsch, wenn der Untertitel "eine Reise zu Schottlands besten Destillerien" behauptet; als ob die kühnen Neugründungen im Grundschulalter mal eben alle jahrzehnte- und jahrhundertelang bestehenden Brennereien übertrumpft hätten.
Geschenkt - in dem Buch zu blättern ist ein Vergnügen, gerade weil es neben bernsteinfarbenen Flüssigkeiten vor allem schönste Reisebilder bietet: schottische Hügel und Hänge, Wellen und Washbacks. Am besten pur lesen, aber mit etwas Soda ist es auch ein gutes Buch.
Scotch Whisky - Eine Reise zu Schottlands besten Destillerien
- Seitenzahl:
- 240 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Zusatzinfo:
- Übersetzt von Cornelius Hartz
- Verlag:
- Prestel
- Bestellnummer:
- 978-3-7913-8971-4
- Preis:
- 45 €