Ruth Orkins "Women": Bemerkenswerte Porträts starker Frauen
Ruth Orkins Bilder zeigen Hollywoodstars wie Jane Russell oder Lauren Bacall nicht als Diven, sondern als "working women". Sie hat aber auch Kellnerinnen, Stewardessen und Soldatinnen fotografiert.
Ruth Orkin ist in Hollywood aufgewachsen, ihre Mutter war ein Stummfilmstar. Schon als Jugendliche übernahm sie Jobs am Set. Gern wäre sie Kamerafrau geworden. Aber Ende der 1930er-Jahre bildeten die großen Studios ausschließlich Männer in diesem Metier aus. Orkin studierte stattdessen Fotojournalismus, ging nach New York und arbeitete für Magazine wie "Life", "Look" oder "Ladies’ Home".
Trotz ihres bemerkenswerten Talents erging es ihr wie vielen Frauen, die sich in Männerdomänen vorwagen: Orkin blieb ihr Leben lang in der zweiten Reihe. Dabei können sich ihre Fotografien durchaus mit Arbeiten so bedeutender Kollegen wie Alfred Stieglitz, Edward Steichen oder Weegee messen. Das haben inzwischen auch Museen und Verlage bemerkt: Bei Hatje Cantz ist mit "Women" nun schon der zweite Bildband mit Fotos von Ruth Orkin erschienen.
Ruth Orkin zeigt ein anderes Frauenbild der 1940er- und 50er-Jahre
Die Traumfabrik der 1940er- und 50er-Jahre bleibt uns nicht nur durch ihre Filme in Erinnerung, sondern auch durch das Frauenbild, das Hollywood produzierte: Auf Plakaten und Zeitschriften-Covern lächeln Schauspielerinnen mit blondierten Locken und rot geschminkten Lippen. Die Wespentaillen und üppigen Dekolletés effektvoll in Szene gesetzt. Echte Frauen? Oder fleischgewordene Fantasien der zumeist männlichen Fotografen?
"Sehen Frauen anders als Männer? Natürlich tun wir das, weil wir unterschiedliche Menschen sind", konstatiert Ruth Orkin - eine der wenigen Fotografinnen, die in den Studios unterwegs waren. "All die Dinge, die einen Menschen ausmachen, prägen seine Sicht auf die Welt, und ein Teil seiner Person ist sein Geschlecht."
Und tatsächlich sehen ihre Fotos ganz anders aus: kein Pomp, kein Glamour. Orkin blickt hinter die Fassade der Leinwandgöttinnen - und entdeckt ganz normale Menschen: Doris Day massiert sich in einer Drehpause die Füße. Ihre Kollegin Joan Fontaine löst Kreuzworträtsel. Und im Kostüm-Atelier lacht sich Musical-Star Nanette Fabray über das Kleid kaputt, das sie bei ihrer Tanzeinlage mit Fred Astaire tragen soll.
Am Set mit Joan Taylor, Jane Russell und Lauren Bacall
Orkin ärgerte sich darüber, dass sie als Frau prinzipiell schlechtere Honorare bekam als ihre Kollegen. Am Set war sie allerdings im Vorteil: Ohne aufzufallen, gelangte sie in die Maske, die Garderobe oder die Frisör-Werkstätten der weiblichen Stars. Räume, zu denen Männer keinen Zutritt hatten.
Joan Taylor, die als Western-Darstellerin an der Seite von Lex Barker und Charlton Heston bekannt wurde, erwischt sie beim Haare färben. Während die Maskenbildnerin ihr rote Paste auf die Augenbrauen streicht, zwinkert die Schauspielerin der Fotografin verschwörerisch zu.
Auf vielen Porträts von Ruth Orkin ist diese Nähe und Komplizenschaft zu spüren. Hollywoodstars wie Jane Russell oder Lauren Bacall zeigen sich nicht als Diven, sondern als "working women": Frauen, die für ihren Erfolg hart arbeiten.
Selbstbewusste Frauen, die ihren Job machen
Der Bildband versammelt aber nicht nur Aufnahmen aus der Traumfabrik, sondern auch Straßenfotos, die Orkin in ihrer Wahlheimat New York gemacht hat: Vor einem Kiosk sitzen ältere Damen in Blümchen-Kleidern und lesen die druckfrische Zeitung. Wenige Meter weiter genießen Sekretärinnen in der Mittagssonne ihre Zigaretten-Pause. Im "Meetpacking District" haben sich zwei Frauen auf einem Treppenabsatz niedergelassen und genehmigen sich einen Drink, der in einer Papptüte steckt. Vielleicht kommen sie gerade aus der Nachtschicht in einer Fleischfabrik. Vielleicht sind sie Prostituierte, die in dieser Gegend an der Straße stehen.
Ruth Orkin ist eine sensible Beobachterin und verfügt über ein feines Gespür für Komik. Herrlich sind ihre Bilder von den Torturen, die Kundinnen eines Schönheitssalons über sich ergehen lassen, wenn sie sich unter bizarre Dauerwellen-Apparaturen ducken oder mit ihren Lockenwickler-bekränzten Häuptern unter angsteinflößende Trockenhauben tauchen.
Die Bilder in diesem Fotoband zeigen, wie wenig das reale Leben der späten 1940er- und frühen 50er-Jahre mit den Klischees aus Hollywood zu tun hatte: Die Porträtierten sind Kellnerinnen, Stewardessen und Soldatinnen. Lauter selbstbewusste Frauen, die ihren Job machen. Egal, ob sie Hausfrauen und Mütter oder Filmstars sind.
Women
- Seitenzahl:
- 144 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Hatje Cantz
- Bestellnummer:
- 978-3-7757-5685-3
- Preis:
- 38 €