Prachtband "Edward Hopper New York": Einsame Seelen in der Metropole
74 Jahre nach seiner ersten Retrospektive hat das New Yorker Whitney Museum dem Maler Edward Hopper erneut eine Schau gewidmet. Das Buch dazu ist nun auf Deutsch erschienen.
New York, Häuserreihen mit erleuchteten Fenstern, Blicke in die Zimmer einsamer Menschen: So hat Edward Hopper seine Stadt gemalt. Als Maler blieb er jedoch lange erfolglos und verdiente sein Geld mit Illustrationen und Werbegraphiken. Erst 1950, als das Whitney Museum ihm eine große Ausstellung widmete, kam der 67-Jährige zum verdienten Ruhm. Heute gilt er als einer der bedeutendsten amerikanischen Künstler seiner Zeit.
Hoppers New York bleibt horizontal
Anfang des 20. Jahrhunderts schießen in New York die Hochhäuser wie Pilze aus dem Boden. Lower Manhattan - bis dahin ein Gebiet mit drei- oder vierstöckigen Gebäuden - erhebt sich unter den staunenden Blicken der Welt in die Vertikale. Fotografen wie Alfred Stieglitz halten den sogenannten "Sky Boom" auf ihren Bildern fest. Eine Begeisterung, die Edward Hopper nicht zu teilen vermag.
Der junge Maler, der jeden Morgen aus seinem Heimatort Nyack zum Studieren in die City kommt und sich später in einer bescheidenen Etagenwohnung in Greenich Village niederlässt, ignoriert die Wolkenkratzer. Auf seinen Bildern erscheinen sie - wenn überhaupt - nur als Schatten im Hintergrund: Hoppers New York bleibt horizontal, seine Gebäude unspektakulär und auf Augenhöhe.
Einsame Menschen in der Großstadt
Ebenso wie die ikonischen Bauten fehlen auf seinen Gemälden die Passanten, die sich Tag für Tag durch die Straßen drängen. Statt auf die Masse zu schauen, richtet der Maler seinen Blick auf den Einzelnen. Auf Menschen, die - mitten im Großstadtgetümmel - verloren und isoliert wirken: wie die junge Frau, die allein am Tisch eines Automatenrestaurants sitzt. Ihre Schönheit, ihr eleganter Hut und Mantel bilden einen merkwürdigen Gegensatz zu der Einsamkeit, die sie umgibt. Traurig starrt sie auf ihre Tasse. Die hellen Deckenlampen, die ihr Gesicht beleuchten, spiegeln sich im Schaufenster hinter ihr.
Wie so viele Werke von Edward Hopper gibt uns auch dieses Bild Rätsel auf: Ist die junge Frau eine Büroangestellte, die einen Kaffee trinkt, nachdem sie bis tief in den Abend Überstunden gemacht hat? Oder war sie mit einem Mann verabredet und wurde versetzt?
"Er visualisiert (…) die Möglichkeit, zu sehen und gesehen zu werden, sowie das unbehagliche Bewusstsein des Alleinseins in einer Menschenmenge, die zum Sinnbild des modernen urbanen Lebens geworden war", heißt es in dem neuen Buch mit Hoppers Großstadt-Ansichten. Szenen, in denen weibliche Figuren die Hauptrolle spielen.
Edward Hopper und Josephine Nivison: Eine schwierige Ehe
Meistens saß dem Künstler seine Frau Modell: die Malerin Josephine Nivison. Auf seinen Bildern verwandelt sie sich in die Passagierin von Pendlerzügen, wird zur Bewohnerin beleuchteter Hotelzimmer oder zum Gast in leeren Kinosälen.
Die Hoppers waren ein ungleiches Paar: Edward, 1,95 Meter groß, wortkarg, abweisend und in sich gekehrt. Jo fast einen halben Meter kleiner, quirlig und extrovertiert. In ihrem Tagebuch klagt sie über die Schweigsamkeit und Gefühlskälte ihres Mannes: "Jedes Gespräch mit mir lässt ihn zur Uhr schauen. Es ist, als nähme man die Aufmerksamkeit eines teuren Spezialisten in Anspruch."
Buchautorin Kirsty Bell beleuchtet die schwierige Beziehung zwischen Edward Hopper und seiner Frau. Es scheint, als ob die beiden sich weniger liebten als verachteten - und dennoch nicht ohne einander auskamen. Gleichzeitig teilten sie viele Interessen: ihre Begeisterung für Theater und Kino zum Beispiel. Orte, die zur Inspirationsquelle des Malers wurden, zum Schauplatz seiner Bilder.
Unvergleichliche Reise in Hoppers Bilderwelt
Das Buch wartet nicht nur mit neuen Erkenntnissen über Leben und Werk des amerikanischen Künstlers auf, es präsentiert seine Zeichnungen, Gemälde und Fotos in einem Umfang und einer Qualität, wie sie kaum je zu sehen waren. Allen, die Hoppers Malerei lieben, bietet der Prachtband eine unvergleichliche Reise in seine Bilderwelt: Wie ein Kinofilm zieht das New York des frühen 20. Jahrhunderts vorbei. Eine Stadt voller Schönheit, Melancholie und einsamer Seelen.
Edward Hopper New York
- Seitenzahl:
- 256 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Schirmer Mosel
- Bestellnummer:
- 978-3-8296-0989-0
- Preis:
- 68 €