Krimi über mysteriöse Tanzmasken in Hamburg
Ein Mord in St. Georg, Gruselige Masken, ein Familiengeheimnis - darum geht es im neuen Roman "Kellertänzer" von Nils Jockel. Der hat viele Jahre am Museum für Kunst und Gewerbe gearbeitet. Und sich da unter anderem mit Tanzmasken befasst, das sind Masken für den ganzen Körper.
Nils Jockel steht neben einem Roboter. So sieht die Tanzmaske, die er sich im Museum für Kunst und Gewerbe anschaut, nämlich aus. Der Kopf ist dreieckig und hat runde und eckige Knöpfe. Der Bauch ist ein Holzkasten. Von ihm gehen viele kabelähnliche Stoffbändchen ab. Auf dem Helm ist eine große Leiste, sie sieht aus wie eine Miniatur der Elbbrücken. "Da drin sind Hosenträger eingebaut, so dass dieses ganze schwere Teil von etwas mehr als 20 Kilo überhaupt am Körper zu tragen ist. Und oben, diese elbbrückenartige Konstruktion, die wackelt hin und her, während des Tanzes. Also eine mordsmäßige Bewegung", erklärt Jockel.
Auftritte bei Künstlerfesten
Vor gut 100 Jahren waren Masken wie diese eine Sensation. Jockels Roman erzählt, wie sich Anfang der 1920er-Jahre zwei temperamentvolle Kreative treffen, Lavinia Schulz und Walter Holdt. Sie sind Teil einer wilden Hamburger Szene: "Es gab in Hamburg im Curiohaus diese Künstlerfeste, um die viele Städte uns beneidet haben. Drei Tage ununterbrochenes Feiern - in einer Art künstlerischer Parallelwelt. Lavinia Schulz und Walter Holdt traten dort auf, blieben bei allem Beifall in der Presse und Zuspruch ihrer Gefährten aber sehr isoliert", so Jockel. Reich werden sie jedenfalls nicht, im Gegenteil.
Die Tanzmasken sind eine hochkomplexe Nummer. Damit tanzte man für eine Welt, die sich der Natur zuwandte, gegen die Technik protestierte. Voll im expressionistischen Zeitgeist, den es damals vor allem auch in der Literatur und der Malerei gibt. Die Masken sind mitunter gruselig. Eine hat scharfe Zähne. Eine andere lässt sich nicht anders als 'brauner Farbklecks auf zwei Beinen mit Augen' beschreiben.
Zufallsfund auf dem Dachboden
Der Held im Roman findet diese Masken eines Tages lieblos in die Ecke gestellt auf dem Dachboden des Museums. Das ist Jockel tatsächlich passiert: "Ich kann es heute immer noch nicht fassen. Auf dem Weg zur Restaurierungswerkstatt wollte ich der Praktikantin zeigen, was es auf dem Dachboden Spannendes gibt. Wir öffneten ein paar unbekannt Kisten und zogen etwas heraus, was unerklärlich schwer war." Es ist eine der Masken.
Nur kurz darauf findet Jockel heraus, dass sein Großvater Lavinia Schulz und Walter Holdt einst in einem Artikel beschrieben hatte. Als wenn das Schicksal ihre und seine Familiengeschichte verbunden hätte, sagt er, deswegen habe er den Roman schreiben müssen.
Tragisches Ende des Künstlerpaares
Das Künstlerpaar nimmt kein gutes Ende. Praktisch mittellos leben sie in einer Kellerwohnung in St. Georg. Es ist Sommer, 1924: "An einem Mittwochmorgen fallen im Innenhof drei Schüsse. Eine halbe Stunde später kommt die Polizei und gibt zu Protokoll, dass Lavinia Schulz Walter mit zwei Schüssen erschossen habe."
Roman "Kellertänzer" erscheint am 27. März
An Lavinia Schulz wird auf dem Ohlsdorfer Friedhof im Garten der Frauen erinnert. Ihr und Walter Holdts Werk gilt als bedeutend. 2022 werden Kopien ihrer Tanzmasken auf der Biennale von Venedig gezeigt. Nils Jockel setzt ihnen nun ein literarisches Denkmal. Sein schnörkelloser, präziser Roman über eine verstörende und faszinierende Kunst erscheint am 27. März im KJM Verlag, hat 312 Seiten und kostet 26 Euro.