Fotoband: Olaf Salié über die Geschichte des Chansons
Schon als Jugendlicher ist Olaf Salié der Liedkunst des Chansons verfallen. Jetzt gibt er seine Leidenschaft auch in Buchform weiter: Er hat eine opulente, umfassende Geschichte des Chansons geschrieben.
Man möchte dieses Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Die vielen (Porträt-)Fotos laden ein zu einer ergreifenden Reise durch ein Jahrhundert des französischen Chansons, ergänzt durch betörend kenntnisreiche Kommentare und Geschichten von Olaf Salié.
Er erzählt von Barbara, die 1964 zu ihrem ersten Konzert nach Göttingen kam und dort tief bewegt von der Begeisterung des Publikums ein Chanson schrieb. Ein Foto zeigt die zierliche, leicht entrückt wirkende Frau mit dem schmalen Gesicht im Garten des "Jungen Theaters" unter einem Baum - hier ist "Göttingen" entstanden.
Johnny Hallyday: ein französischer James Dean
Ganz anders Johnny Hallyday: Lässig lehnt er an einem Baumstamm, Westernstiefel, enge Jeans, unter dem T-Shirt zeichnen sich die Muskeln ab. Ein französischer James Dean, in Deutschland kaum bekannt. Mit 17 veröffentlichte er seine erste Single, über 1.000 Songs sollten folgen. Als er 2017 starb, sprach Staatspräsident Emmanuel Macron zu der riesigen Trauermenge in Paris: "Johnny war ein Teil von uns, Johnny war ein Teil von Frankreich." Er verband den amerikanischen Rock'n'Roll mit dem französischen Chanson.
Auf der Bühne verausgabte sich Jacques Brel wie nur wenige. Olaf Salié findet: "Seine Werke gehören zum Besten, was das französische Chanson zu bieten hat, noch zu Lebzeiten werden sie Teil der Schullektüre in Frankreich und Belgien."
Was ist ein Chanson?
Salié zieht die großen Linien nach, ordnet ein und versucht eine Klärung: Was ist ein Chanson?
Ein Chanson kann ein Tango oder Walzer sein, Blues oder Jazz, Swing, Rock oder Hip-Hop. Die Gabe, letztendlich alle musikalischen Stile der Welt zu absorbieren und daraus eine ganz und gar einzigartige Kulturtechnik zu kreieren, ist ein Charakteristikum des Chansons. Leseprobe
Und eine eindeutig "französische Angelegenheit", wobei viele Zugereiste wie Brel, Yves Montand, Georges Moustaki, wie Dalida oder Jane Birkin, umstandslos in die Familie aufgenommen wurden.
Von Josephine Baker bis ZAZ
Salié blättert die Geschichte auf: Wir sehen Aristide Bruant, einen kräftigen Mann mit eckigem Gesicht, daneben das berühmte Plakat von Toulouse-Lautrec aus dem Jahr 1892, Bruant mit Hut und rotem Schal in seinem "cabaret", Josephine Baker, erst im Bananenröckchen, später mit aufwendigem, blauem Federschmuck und dazu passendem Lidschatten.
Viele Seiten weiter lacht Zaz in die Kamera - das Mikrofon in der ausgestreckten Hand. Sie zählt zu den "auteurs-compositeur-interprètes", also denen, die schreiben, komponieren und interpretieren - wie Georges Brassens, Serge Gainsbourg, Francoise Hardy, Barbara. "La chanson c´est surtout le texte" - "Das Chanson ist vor allem der Text" - erläuterte Charles Aznavour einmal knapp. 2014 sang er, hochbetagt, mit Zaz zusammen.
Nicht nur für Fans des Chansons
Immer wieder stellt Salié die enge Verbindung zwischen den Generationen heraus. Er schließt das Buch mit Künstlerinnen und Künstlern wie Vincent Delerm und der 26-jährigen Angèle: eine zarte Frau mit ähnlich schwerem Lidstrich wie einst Barbara, doch der hellblaue Mantel mit den kleinen, weißen Wolken, stammt eindeutig aus einer anderen Zeit. "Leidenschaft, Melancholie und Lebensfreude" - der Untertitel des Buches verspricht nicht zu viel. Nicht nur für Fans des Chansons dringend zu empfehlen. Herrlich! Hélas! Ach!
Chanson. Leidenschaft, Melancholie und Lebensfreude aus Frankreich
- Seitenzahl:
- 240 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Prestel
- Bestellnummer:
- 978-3-7913-8616-4
- Preis:
- 50 €