Dorfgeschichten - eine Heimat-Show
Die Dörfer werden leerer, die Städte voller. Auf dem Land werden Läden und Gasthöfe aufgegeben, in den Metropolen explodieren die Mietpreise. Währenddessen boomen Zeitschriften, die das schöne Landleben preisen. Wie soll man sich darauf einen Reim machen? Und ist das Land wirklich der Sehnsuchtsort, für den wir es halten? Grünkohl und Curry, Rehkitze und Windräder, Alkohol am Steuer und Abendrot über den Feldern: eine literarische "Heimat-Show". Hoch in der Gunst der Leserinnen und Leser stehen zur Zeit Texte, die sich mit dem Landleben befassen. Sind das alles "Wohlfühlbücher", die im Biomarkt getrost zwischen Manufaktur-Marmelade und der neusten Ausgabe der Zeitschrift "Landlust" platziert werden könnten, wie es in der "Zeit" hieß?
Zogen vor einigen Jahren jüngere Autorinnen und Autoren in Scharen aus der Provinz in die Großstädte, gibt es im Moment einen - auch finanziell bedingten - Rückzug aufs Land, nicht immer freundlich aufgenommen von der örtlichen Bevölkerung. Es lohnt also die Frage: Wie ist es denn nun wirklich auf dem Land? Zu einer Bestandsaufnahme haben wir vier Autoren eingeladen. Dass das Dorf auch als klaustrophobische Enge erlebt werden kann, das zeigen drei davon: Alina Herbing, Jahrgang 1984, wirft in ihrem Romandebüt "Niemand ist bei den Kälbern" einen schonungslosen Blick auf das alkoholgetränkte Leben junger Leute in einem vergessenen Winkel Nordwestmecklenburgs.
Bitterböse, fast schon als Krimi, schildert Katrin Seddig, Jahrgang 1969, in ihrem Roman "Das Dorf" die Abgründe und Grausamkeiten der Bewohner. Henning Ahrens, selbst Dorfbewohner, hat in "Glantz und Gloria" aus einem niedersächsischen Provinznest und seinen in der Fleischindustrie tätigen Bewohnern eine surreale Traumwelt geschaffen.
Hasnain Kazim betrachtet das Dorfleben aus einem anderen Blickwinkel. Er wuchs als Sohn eingewanderter indisch-pakistanischer Eltern in den 80er-Jahren in Hollen-Twielenfleth im Alten Land. Die muslimische Familie erlebte sowohl Schikanen der Ausländerbehörden, als auch Hilfsbereitschaft der Dorfbewohner. Heute ist Hasnain Kazim Auslandskorrespondent beim "Spiegel" und Autor politischer Sachbücher (unter anderem "Krisenstaat Türkei"). Bei diesen Leseabend ist sein Thema "Grünkohl und Curry".