Der Erste Weltkrieg aus Sicht der Künstler
Vor 100 Jahren brach ein Weltkrieg los, der wie ein Feuer um sich griff. Am 3. August 1914 erklärte Kaiser Wilhelm II. Frankreich den Krieg. Zwei Kulturnationen rannten aufeinander los, unter den Kämpfenden viele Künstler. Als ein Zeitzeugnis hat der Kunsthistoriker Dietrich Schubert ein umfangreiches Buch herausgegeben, das den Ersten Weltkrieg aus der Sicht der Künstler und Schriftsteller dokumentiert.
25 Jahre Recherche
21 Jahre alt war der Dichter dieser Zeilen, die 1915 in der expressionistischen Zeitung "Aktion" veröffentlicht wurden. Sie stammen von Edlef Köppen, der wie Henri Barbusse auf der Loretto-Höhe im nördlichen Frankreich kämpfte. Barbusse schreibt: "Ganz deutlich können wir Soldaten sehen, die wie gehetztes Wild in die Löcher springen und kopflos hin und her rennen."
Von all dem hatten viele junge Künstler, die sich voller Ideologie freiwillig zum Kriegsdienst meldeten, keine Ahnung. Der Maler Otto Dix beispielsweise, der aufgrund der Fülle an Skizzen und Postkarten, die er an der Front entwarf, einen Schwerpunkt in diesem Buch bildet.
"Dix ist hier quasi Kern und Ausgangspunkt, um den ich Ringe lege, um Künstler im Trommelfeuer dieses Krieges zu thematisieren", schreibt Schubert im Vorwort des 570 Seiten starken Buches. 25 Jahre lang hat Schubert recherchiert und eine Fülle an Material zusammengetragen. Von Ferdinand Léger, über August Macke, Franz Marc und Max Beckmann, der an die Front ging, um alles genau zu skizzieren und aufzuschreiben. Oder Max Ernst, der genau das nicht tat und in expressionistischen Farben Landschaften, Natur und Städte festhielt und auf Befehl die Landkarten für die Artillerie. Von ihm sehen wir ein Foto vom März 1915 in zerlumpter Uniform mit gebrochenem Arm und verbundenem Kopf.
Mehr als ein Kunstbuch
Auf jeder Doppelseite sind zwar mehrere Bilder in unterschiedlich großen Formaten abgedruckt. Doch es ist weit mehr als ein Kunstbuch. Es geht um die Fortschritte der Rüstungsindustrie, die zahlreiche Opfer fordern sollte, um die Erfahrungen der Künstler. Einige haben die neuen Waffen gezeichnet, andere die Schlachten und die Schützengräben. Es geht um den Austausch der Künstler mit ihren Familien und anderen Intellektuellen, um ihren Widerstand und um ihre Ideologie, künstlerisch wie gesellschaftlich.
Gerade der junge Otto Dix, der in jeder Hinsicht kühn drauflos marschierte, zeichnet anfangs noch ein Selbstbildnis, in dem er sich als Zielscheibe karikiert oder als von bunten Flammen umzüngelten Kriegsgott. Ein Jahr später haben seine Bilder und Zeichnungen schon einen ganz anderen Charakter: Der Schrecken kommt offen zutage.
Ein Buch, das Zeit braucht
Man bekommt einen guten Überblick über die vielen Kunstströmungen der Zeit. Eine echte Entdeckung ist der in der Schweiz geborene Franzose Théophile-Alexandre Steinlen. Seine Bilder sind wenig abstrakt, aber von einer Intensität, die er mit schlichter Darstellung erreicht.
Es ist ein Buch, das Zeit braucht. Damit man den vielen Lebensläufen gerecht wird, den Fotos von zerstörten Städten und den oft nur mit Kohlestiften skizzierten Frontszenarien. Bewusst hat sich Schubert auf die Kriegsjahre beschränkt und nur in Ausnahmefällen Kunst hineingenommen, die nach 1918 entstanden ist, da sie schon die Distanz zum Erlebten zeigt, darunter auch die Errichtung heroischer Kriegsdenkmäler.
"Künstler im Trommelfeuer des Krieges 1914-18" ist ein sehr interessantes Buch, das es in dieser Form wohl kein zweites Mal gibt. Es schließt mit den Worten Kurt Tucholskys: "Uns fehlen andere Tafeln. Uns fehlt diese eine: Hier lebte ein Mann, der sich geweigert hat, auf seine Mitmenschen zu schießen. Ehre seinem Andenken!"
Künstler im Trommelfeuer des Krieges 1914-18
- Seitenzahl:
- 560 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Wunderhorn
- Bestellnummer:
- 978-3-88423-405-1
- Preis:
- 68,00 €