Charakterstarke Hauptfiguren: Graphic Novels im Januar
Das Jahr startet mit Graphic Novels, deren Hauptfiguren alle durchweg charakterstark sind. Dabei wird es musikalisch und bedrückend.
"The Rolling Stones": Faszinierende Musik-Doku im Graphic-Novel-Format
Anfang der 60er-Jahre strömen neue Sounds durch die Londoner Clubs. Einer davon ist der Blues aus Amerika. Ein paar Jungs aus Chelsea spielen Songs von John Lee Hooker, Bo Diddley und Chuck Berry nach. Sie nennen sich "Little Boy Blue and the Blue Boys". Ein paar Monate später heißen sie "The Rolling Stones" - weil es besser auf die Plakate passt.
21 franko-belgische Comic-Zeichner erzählen auf 190 Seiten die Entwicklung der berühmtesten Rockband der Welt. 21 Kapitel für 60 Jahre voller Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll - nicht viel Platz, doch dem Buch gelingt es trotzdem, ein umfassendes Bild der Stones und der damaligen Zeit zu zeichnen. Manchmal mit kräftigem, manchmal mit zartem Strich. Schön zu sehen, wie die Zeichnerin Aurélie Neyret die Stimmung des Songs "Angie" mit warmen Farben und sanftem Strich übersetzt. Oder Pantès die "Offene Stimmung" von Keith Richards beschreibt, die erst den wahren Stones-Sound ausmacht.
"The Rolling Stones - Das Comic", so der Titel, ist eine wilde, bunte und faszinierende Musik-Doku im Graphic-Novel-Format.
"Radium Girls": Ein Kampf ums Überleben
"Lip. Dip. Paint." - "Lecken. Eintauchen. Zeichnen." Mit diesen drei Worten werden die Arbeiterinnen einer Fabrik in New Jersey 1920 angehalten, ihren Pinsel anzulecken. Was sie noch nicht wissen, ist, dass sie bei dieser Prozedur das radioaktive Radium aufnehmen, an dem sie langsam und qualvoll sterben werden. Die historische Grundlage verwendet die französische Zeichnerin Cy, um die Geschichte anhand von sechs jungen Frauen in einer Graphic Novel zu erzählen.
Cy passt sich mit ihrem Zeichenstil dem grafischen, kantig wirkenden Stil der 1920er-Jahre an. Zudem verwendet die 31-Jährige Buntstifte, die der wuchtigen und beklemmenden Geschichte eine leichte, fast schwebende Wirkung geben. So wird aus den anfänglich aufkeimenden Lebensträumen der jungen und selbstbewussten Frauen ein einziger Kampf ums Überleben und um Gerechtigkeit. Ein Kampf, der die Geschichte der USA nachhaltig verändern wird.
"Radium Girls", so der Titel, entfaltet durch die erzählerische Kraft von Cys Bilder Seite für Seite einen fesselnden Sog, der einen nicht so schnell loslässt.
"Bartleby, der Schreiber": Grandiose Roman-Adaption
"Moby Dick" ist Herman Melvilles berühmtester Roman. Darüberhinaus hat der amerikanische Autor aber auch Novellen geschrieben, etwa "Bartleby, der Schreiber". Diese hat nun der spanische Zeichner José Luis Munuera in eine Graphic Novel verwandelt - grandios, so viel vorweg.
Die Geschichte handelt vom stillen Schreiber Bartleby, der in einem Schreibbüro an der Wall Street als Kopist beginnt und sich mit der Zeit immer mehr den Anweisungen seines Chefs mit den Worten verweigert: "Ich möchte lieber nicht." Munuera verleiht der bedrückend grauen Geschichte durch seinen Strich Schwung, durch seine Farben Lebendigkeit und durch die wechselnden Perspektiven Dynamik. Der 50-Jährige weiß, wie es geht, hat er doch auch vier Bände des Comic-Klassikers "Spirou und Fantasio" geschaffen.
Eine kleine Geschichte um einen Mann, der sich der Welt verweigert, wird zu einer großen Graphic Novel, die viel Entschleunigung in eine turbulente Zeit bringt.