Bildschöne Bücher: "Olga Costa. Dialoge mit der mexikanischen Moderne"
Olga Costa gilt in ihrer Wahlheimat Mexiko als eine der wichtigsten Künstlerinnen der Moderne. Hierzulande ist die Malerin jedoch kaum bekannt. Das soll sich jetzt ändern, durch eine große Ausstellung in Costas Geburtsstadt Leipzig und durch einen großartigen Bildband.
Olga Costa, 1913 in Leipzig geboren, zog Mitte der 1920er-Jahre nach Mexiko. Zunächst wollte sie Musikerin werden, entschied sich dann aber für ein Studium der Malerei in Mexiko-Stadt, das sie nach wenigen Monaten abbrach, vermutlich wegen Geldmangels. Erst später fasste sie sich ein Herz und begann wieder zu malen. Ein ungewöhnlicher Weg und eine Künstlerin, die zu entdecken Freude macht.
Geheimnisvolles Gemälde: "Tehuana mit Wassermelone"
Es ist in seiner Kraft und Würde eines der schönsten Gemälde von Olga Costa: "Tehuana mit Wassermelone", aus dem Jahr 1952. Als wollte Sie mit dem Stück Melone den Horizont anpeilen, oder einen Stern, oder ein weit entferntes Schiff. Die aufgeschnittene Kürbisfrucht in ihrer rechten Hand hält sie auf Augenhöhe. Tehuana sitzt im Profil, ganz aufrecht und schaut links aus dem Bild hinaus, über die Melone hinweg, in die Ferne. Auf dem dunklen, hochgebundenen Haar trägt sie ein blaues, geflochtenes Band wie eine Krone. Das rote Kleid hebt sich vom grünen und blauen Hintergrund strahlend ab. Es fällt in weichen Wellen über ihre Beine bis zu den Zehen und verdeckt den Stuhl oder Hocker, auf dem sie sitzt, vollständig. Das Bild strahlt eine würdevolle Ruhe aus und bleibt geheimnisvoll, denn die Pose ist so schön wie rätselhaft.
Olga Costas erste Ausstellung wird zum Erfolg
1925 kommt die gebürtige Leipzigerin Olga Costa mit ihrer jüdischen Familie nach Mexiko, heißt da noch Olga Kostakowsky. Ihre Eltern stammen aus Odessa, und Olga versucht sich als Zwölfjährige in dem neuen Land zurechtzufinden.
Mir schien alles fremdartig: Die Häuser mit den grüngestrichenen, hölzernen Fenstern, das Aussehen der Leute, die Luftschüsse bei Einbruch der Dunkelheit, der Himmel, der zeitweise von Geiern verdunkelt wurde, die Insekten, das Brot. (…) Ich erinnere mich noch an das Zimmermädchen im Hotel: Sie war groß, dünn und trug immer ein gelbes Organdy-Kleid; ein Goldzahn schimmerte in ihrem Mund. Mit einer Zigarette in der einen und den Nachttöpfen aus den Hotelzimmern in der anderen Hand, schritt sie durch die Korridore wie eine Königin. Leseprobe
Das Studium der Malerei bricht Olga ab. Später besucht sie einen Grafikkurs, lernt dort ihren Ehemann kennen, den Künstler José Chávez Morado, und beginnt wieder zu malen. Wie sie selbst sagt, aus reinem Vergnügen und zum Zeitvertreib. Nach ihrer ersten Einzelausstellung 1945 in der Galería de Arte Mexicano in Mexiko-Stadt widmet sie sich ganz und gar der Malerei, von positiven Reaktionen bestärkt. Zu diesem Zeitpunkt hat sie ihren Namen schon in "Costa" geändert und fühlt sich dem Land zugehörig, in dem sie eine Heimat gefunden hat.
1951 entsteht eines ihrer populärsten Werke, "die Obstverkäuferin", "La vendedora des frutas", das international gezeigt und beinahe bekannter wird als seine Schöpferin.
"El duelo" als Vorreiter der Frauenbewegung
Olga Costa malt immer wieder eindrucksvolle Frauen. Frauen, die Wassermelonen halten, Frauen, die lässig auf einem Stuhl mehr lungern als sitzen, Mädchen, die den Betrachter direkt und furchtlos anschauen, Frauen, die selbstbewusst hinter enormen Obstständen stehen. In ihrem Bild "El duelo" (Das Duell) aus dem Jahr 1942 nimmt sie eine tatsächliche Begebenheit zum Anlass, zwei Damen mit Federhüten, aufgesteckten Haaren, bauschigen Röcken und nacktem Oberkörper zu malen, die sich in einer Waldlichtung in Fechthaltung duellieren. Die Umsetzung dieses Bildes ist so kraftvoll wie komisch. Die Kunsthistorikerin Dina Comisarenco Mirkin schreibt dazu:
Im Jahr 1892 lieferten sich zwei adelige Damen, (…) ein Duell, (…) Anwesend war auch (…), eine Ärztin, die angeblich dafür verantwortlich war, dass das Duell mit nacktem Oberkörper stattfand, da sie verhindern wollte, dass sich eventuelle Wunden (…) durch Kleidungsstücke infizierten. (…) Die Szene, die Costa inspirierte, zeichnet sich (…) dadurch aus, dass sie zum Typus des "emanzipierten Duells" gehörte, (…) weil nicht nur die Protagonistinnen, sondern sämtliche Anwesende Frauen waren, und das damit, wie es heißt, zu einem Vorreiter der damals einsetzenden Frauenbewegung wurde. Leseprobe
Olga Costas starke künstlerische Beziehung zu Mexiko
Olga Costas eigene Werke werden in dem Band und in der Leipziger Ausstellung mit anderen Bildern der mexikanischen Moderne in Dialog gesetzt. Unter anderem mit Gemälden ihres Ehemannes José Chávez Morado, mit Werken von Frida Kahlo, Carlos Mérida, María Izquierdo und Alice Rahon. Eingebettet in diese malerische Welt, wird einem vollends klar, wie stark die künstlerische Beziehung Olga Costas zu ihrer zweiten Heimat war. Es ist hoffentlich nur der Auftakt zu einer intensiveren Beschäftigung mit den kraftvollen Arbeiten von Olga Costa.
Olga Costa. Dialoge mit der mexikanischen Moderne
- Seitenzahl:
- 256 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Hirmer
- Bestellnummer:
- 978-3-7774-4078-1
- Preis:
- 39,90 €