Bildband über Modeillustratoren-Legende René Gruau
Mitte des 20. Jahrhunderts war René Gruau einer der gefragtesten Modeillustratoren der Welt. Im Prestel Verlag ist nun ein Buch mit den schönsten Werken des Zeichners erschienen.
Während seine Kollegen und Kolleginnen detailgenaue Zeichnungen von Kleidern, Stoffen und Schnitten anfertigen, beschränkt sich der franko-italienische Modeillustrator René Gruau auf das Nötigste. Er spart aus, deutet an, überlässt es der Phantasie, seine Bilder zu komplettieren. So wie 1949, als er die Parfüm-Kampagne für "Miss Dior" gestaltet: Mit wenigen Strichen pinselt Gruau einen Vorhang aufs Papier. Aus dem geöffneten Spalt wirft ein weiblicher Arm im langen, weißen Handschuh ein hauchdünnes Tuch heraus. Eine Szene wie auf einer Theaterbühne. Oder handelt es sich um eine Privatvorstellung? Womöglich eine Strip-Show?
"Gruau schuf eine mondäne Welt, in der man auf Bälle ging, sich die Frauen fürs Mittagessen schön machten und Müßiggang das Leben bestimmte", beschreibt Buchautorin Holly Brubach das Flair von Guraus Bildern. "Heutigen Betrachtern mag es nachgesehen werden, wenn sie Gruaus Zeichnungen als schick inszenierte Märchen verstehen. Doch Gruaus Welt gab es wirklich. Es war die Welt, die er kannte und in der er selbst lebte.
Bereits mit 18 Jahre als Illustrator im Mode-Geschäft
Tatsächlich klingt die Biographie des Modezeichners, als hätte ein Romanautor sein Leben erfunden: René Gruau wird 1909 in Rimini geboren. Seine Mutter stammt aus einer französischen Adelsfamilie, sein Vater ist ein italienischer Graf. Als die beiden sich 1922 trennen, brennt der Scheidungsanwalt mit dem Vermögen der Mutter durch. Und René, der bis dahin im Überfluss gelebt hat, muss sich mit 15 Jahren einen Job suchen.
Statt wie geplant Architektur zu studieren, verlegt er sich aufs Modezeichnen. Vor allem für Zeitschriften, die zu dieser Zeit noch keine Fotos, sondern Illustrationen von Kleidern drucken. "Im Alter von 18 Jahren arbeitete er bereits für italienische, britische und deutsche Magazine und konnte von seinen Aufträgen leben", so Holly Brubach.
Zeichnungen wie Pop Art-Gemälde
Auch die großen Modehäuser - Chanel, Balenciaga und Yves St. Laurent - reißen sich um Gruaus Werke. Aber mit keinem Couturier ist sein Name so eng verbunden wie mit Christian Dior. Gruaus Bilder tragen den "New Look" in die Welt: Diors Vision von einer neuen Weiblichkeit nach dem Zweiten Weltkrieg. In leuchtenden Farben setzt der Zeichner Wespentaillen, tiefe Dekolletés und wadenlange Glockenröcke in Szene. Frauen, so schön und glamourös wie Grace Kelly in "über den Dächern von Nizza".
Den flächigen Malstil und das perfekte Zusammenspiel von Bild und Schrift übernimmt der Autodidakt von seinem großen Vorbild: dem Plakatkünstler Henri de Toulouse-Lautrec. Trotzdem geht er mit der Zeit: In den 1960er Jahren sehen seine Zeichnungen aus wie Pop Art-Gemälde mit Twiggy-dünnen Models in Miniröcken. Doch so sehr er sich müht, Schritt zu halten: Die Umbrüche in der Medienbranche kann Gruau nicht stoppen. Immer weiter verdrängt die Fotografie die klassische Modeillustration aus der Werbung und den Zeitschriften.
Gruaus Illustrationen verheißen eine Märchenwelt
Um so spannender ist es, den Zeichner heute neu zu entdecken. In seiner edel gestalteten Monographie präsentiert der Prestel Verlag 118 Werke Gruaus. Eine Sammlung, die zeigt, wie virtuos, einfallsreich und witzig der Künstler die Versprechen der Modeindustrie bebilderte: Seine Illustrationen verheißen eine Märchenwelt, in der Frauen nichts anderes zu tun haben, als schön zu sein und selbstbewusst ihr Leben zu genießen.
René Gruau
- Seitenzahl:
- 240 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Zusatzinfo:
- Hardcover, Pappband, 240 Seiten, 26,0 x 32,0 cm, 140 farbige Abbildungen
- Verlag:
- Prestel
- Bestellnummer:
- 978-3-7913-8800-7
- Preis:
- 49,00 €