Sendedatum: 27.07.2014 17:40 Uhr

Schöne Welt der Arbeit

von Claudio Campagna

Mit kaum etwas anderem verbringen wir so viel Tageszeit wie mit Arbeiten. Arbeit stand am Anfang der Zivilisation, als es ums nackte Überleben ging und darum, sich die Umwelt nutzbar zu machen; heute, im Zeitalter der Globalisierung, begegnet sie uns in einer Vielzahl ausdifferenzierter und spezialisierter Tätigkeiten: Es gibt immer noch extrem harte Jobs, richtige Knochenarbeit, aber auch hochkomplexe Experten-Tätigkeiten in Labors oder Rechenzentren. Das ganze Spektrum führt ein Bildband des Becker Joest Volk Verlages vor Augen. Der Fotograf Stefan Pielow hat das Buch herausgegeben, der Autor Emanuel Eckardt hat Texte beigesteuert.

Die ästhetische Seite von Arbeit

Arbeit ist schön. Die Fotos in diesem Bildband jedenfalls sind es. Mögen die Menschen auch noch so schwitzen, sich das Kreuz oder den Kopf zerbrechen, die Aufnahmen von ihnen sind ausgesprochen ästhetisch.

Da gießt ein Inder Rosenblüten aus seinem Bastkorb zum Trocknen auf den Boden. Daraus soll später duftendes Öl destilliert werden. Dabei scheint er in einem rosa-leuchtenden Meer zu stehen; der Chinese auf dem Bild daneben steht tatsächlich knietief im algengrünen Wasser, während er mit dem Kescher nach Flussschnecken sucht. Das Foto der Marmorbrüche von Carrara erinnert an ein Gemälde Caspar David Friedrichs. Nur das hier kein Wanderer ergriffen inne hält, sondern ein Arbeiter mit dem Fuß in einer Baggerschaufel steht. Den anderen hat er auf einen Felsvorsprung gesetzt, um mit dem Schlaghammer ein Sprengloch in den weißen Stein zu bohren.

Informative Texte

Kurze Texte geben die wichtigsten Informationen zu den Bildern; etwa zu jenem vom Grunde eines Vulkankraters in Java. Dort atmen zwei schmächtige Schwefelstecher in abgerissener Kleidung durch. Sie haben ihre Bambus-Körbe mit kantigen gelben Steinen vollgeladen; aus dem Hintergrund quellen dicke Schwaden, die ganz augenscheinlich giftig sind.

Leseprobe:

"Kaum ein Mann hier wird älter als 50 Jahre, aber er verdient neun Euro am Tag, fünfmal mehr als ein Kaffeepflücker."

Trostlos wie die Erde nach dem Dritten Weltkrieg wirkt eine Mülldeponie in Ghana.

Leseprobe:

"In einem Stadtteil von Accra suchen Kinder im illegal eingeführten Elektronikschrott aus Europa, USA, Kanada und Australien nach Metall, legen Brände, um Plastik von Kupferkabeln zu lösen, brechen Blei aus Röhrenfernsehern, sorglos, ahnungslos im Umgang mit Röntgenstrahlen und tödlichen Giften."

Bunt und finster zugleich

Die finstren Seiten der Globalisierung zeigt der Bildband, aber auch die bunten: Das Team einer kolumbianischen Tierklinik, das einen narkotiserten Löwen festhält; Krabbenfischer im eisigen Beringmeer; den zugemüllten Schreibtisch eines Tokioter Werbetexters oder einen illegalen philippinischen Goldsucher, der mit einem Sack voll Schlick (und wenn er Glück hat auch ein paar Körnchen Edelmetall) aus einem Schlammloch auftaucht - die Schutzbrille schief über dem verschmiertem Gesicht.

Uralte Tätigkeiten und traditionelles Handwerk halten die Fotos fest: Den florentinischen Schuster etwa in seinem mit Kartons, Schuhen und Schneidewerkzeugen angefüllten, schaufenster-großem Laden. Die Beißzange in der Hand, zwackt er konzentriert einen Faden an der ersten Stoff-Schicht ab, die er über ein Schuhmodell gelegt hat.

Und die Fotos zeigen neue Jobs, die mit den modernen Technologien entstanden sind: Inspekteure, die mit Leuchtstäben in eine 30 Meter breite Satellitenschüssel klettern, während die glatte Oberfläche das Dämmerungsblau des Abendhimmels spiegelt.

Fotos zum Staunen

Vor allem beeindruckt der Bildband aber durch exotisch anmutende und erhabene Aufnahmen von Arbeiten, die man im Europa des 21sten Jahrhunderts gar nicht kennt. Wie die Sklavenbesatzung eines Geisterschiffs sieht zum Beispiel ein Zug zerlumpter Gestalten aus, die - ein schweres Tau über der Schulter - müde durch das Watt stapfen, im Rücken den gewaltigen, rostigen Bug eines aussortierten Passagierschiffs. Alltag in der weltgrößten Abwrackwerft im indischen Alang. Wie eine Meditationsübung sieht es aus, wenn ein Dutzend Fischer an Sri Lankas Koggala Strand regungslos auf Stelzen sitzen. Ihre dürren Silhouetten heben sich dunkel vom violetten Licht im Morgengrauen ab, während sie versuchen, mit dünnen Ruten Heringe aus dem seichten Wasser zu ziehen.

So bietet der Bildband ein facettenreiches Panorama der modernen Arbeitswelt. Leider fehlen Angaben, wann die Bilder aus den Archiven verschiedener Fotografen entstanden sind. Doch das ändert nichts daran: Es sind faszinierende Fotos zum Schmunzeln oder Staunen und manchmal auch Erschauern.

Arbeit

von Stefan Pielow, Emanuel Eckardt (Hrsg.)
Seitenzahl:
250 Seiten
Genre:
Bildband
Verlag:
Becker Joest Volk Verlag
Bestellnummer:
978-3-938100-94-3
Preis:
49,95 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 27.07.2014 | 17:40 Uhr

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Bildbände

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