US-Vizepräsidentin Kamala Harris © imago
US-Vizepräsidentin Kamala Harris © imago
US-Vizepräsidentin Kamala Harris © imago
AUDIO: Vor US-Wahl: Biografin über den Aufstieg von Kamala Harris (8 Min)

Zur US-Wahl: Biografin über den Aufstieg von Kamala Harris

Stand: 05.11.2024 18:23 Uhr

Der 5. November 2024 könnte der Tag sein, an dem in den USA erstmals eine Präsidentin gewählt wird. Ein Gespräch mit der USA-Korrespondentin der NZZ Marie-Astrid Langer, die 2021 eine Biografie über Kamala Harris vorgelegt hat.

Sie schreiben in Ihrer Biografie: Wer verstehen will, wer Kamala Harris ist und wofür sie steht, der muss verstehen, woher sie kommt. Welche Hürden musste sie als Frau mit afroamerikanischen Wurzeln nehmen?

Langer: Die Hürden, die Harris überwinden musste, um dort zu stehen, wo sie nun ist, fingen eigentlich schon an, bevor sie überhaupt in die Politik ging, als sie sich nämlich als Jurastudentin entschlossen hatte, Staatsanwältin zu werden. Dass eine Frau, noch dazu eine schwarze Frau, Staatsanwältin werden will, das ist in den USA enorm selten. Bis heute besteht die große Mehrheit der Staatsanwälte aus weißen Männern. Harris' Freunde und Verwandte waren zunächst skeptisch und fragten, warum sie nicht in die Bürgerrechtsbewegung gehen will wie viele andere schwarze Juristen. Aber Harris hat gesagt, sie habe verstanden, dass die Staatsanwälte diejenigen seien, die wirklich Macht im System hätten. Und wenn man etwas verändern wolle, müsse man mit am Tisch sitzen.

Marie-Astrid Langer © Marie-Astrid Langer
Marie-Astrid Langer ist als Buchautorin und USA-Korrespondentin der Neuen Zürcher Zeitung in Kalifornien tätig.

Diese Hürden gingen aber auch weiter: Als sie in die Politik gegangen war, war sie häufig die erste schwarze Frau, die bestimmte Ämter erobert hatte, und sie musste jedes Mal den Wählern erklären, dass jemand, der aussieht wie sie, durchaus diese Position innehaben kann. Das ging bis zum Amt der Vizepräsidentin, und da gab es dann zum Teil auch ganz praktische Fragen, zum Beispiel: Welchen Titel hat eigentlich der Mann der Vizepräsidentin?

Sie kommt aber besonders bei den männlichen schwarzen Wählern mit ihrer Politik nicht so gut an. Woran könnte das liegen?

Langer: Das hat mich auch überrascht, und da hat auch speziell Barack Obama vor wenigen Wochen in einer Rede schwarze Männer fast schon gerügt, warum sie Harris nicht noch mehr unterstützen. Ich glaube, das hat mehrere Gründe. Zum einen ist eine Frau im Weißen Haus ein Bruch mit dem traditionellen Rollenbild. Man darf nicht vergessen, dass viele Amerikaner, egal welcher Hautfarbe, oft noch konservativer sind, als wir das häufig in Europa wahrnehmen. Mit Harris' Kandidatur schwingt auch die Frage mit: Kann eine Frau dieses Land führen? Ich glaube, das ist eine Frage, die sich auch viele Afroamerikaner stellen. Trump wiederum positioniert sich sehr als starker Mann. Auch gegenüber schwarzen Wählern hat er immer wieder damit geworben, dass er die Jobs für sie zurückholen wird, die beispielsweise Einwanderer abgegriffen haben oder die ins Ausland gewandert sind. Ich glaube, es geht bei der Diskussion eher um Männlichkeit als um Hautfarbe.

Weitere Informationen
Donald Trump nach seinem Wahlsieg 2024. © dpa bildfunk/AP Foto: Alex Brandon

Donald Trump gewinnt US-Präsidentenwahl

Der Republikaner sicherte sich die nötige Zahl an Wahlleuten. Kanzler Scholz gratulierte ihm bereits. Alle Infos zur US-Präsidentschaftswahl bei tagesschau.de. extern

Sie hat mit dem Thema Abtreibung einen wichtigen Nerv getroffen: Viele weibliche Popstars wie Taylor Swift oder Beyoncé haben das als Grund genannt, sich hinter die Präsidentin zu stellen. Aber die Aussprache für das Recht auf Abtreibung könnte sich auch negativ auf den Wahlausgang für Harris auswirken, oder?

Buchcover: Marie-Astrid Langer - Kamala Harris. Ein Porträt © Suhrkamp Verlag
Die Biografie "Kamala Harris. Ein Porträt" ist bei Suhrkamp erschienen und kostet 16 Euro.

Langer: Vielleicht. In dem Augenblick, wo man sich für etwas positioniert, ist man damit auch implizit gegen etwas anderes. Aber ich glaube nicht, dass dies bei dem Thema Abtreibung der Fall sein wird. Das Thema spaltet die amerikanische Gesellschaft in einem Ausmaß, das wir uns in Europa häufig gar nicht vorstellen können, weil es hier relativ geklärt ist, vor allem in Deutschland. Aber in den USA ist es eine Gretchenfrage: Entweder man ist dafür oder man ist dagegen. Insofern war es von Harris eigentlich nur konsequent, sich dabei so stark und so klar zu positionieren. Hätte sie das nicht getan, hätte sie riskiert, Wählerinnen, die eher dazu geneigt wären, sie zu unterstützen, zu verlieren. Ich glaube, dass es strategisch klug von ihr war, sich so klar pro Abtreibung zu positionieren, weil es kohärent ist mit ihrem bisherigen Werdegang, aber auch mit der demokratischen Basis.

Ein Motto von Kamala Harris ist: mehr miteinander statt gegeneinander. Damit steht sie im Kontrast zu Donald Trump, der mit gefährlichen Parolen seine Fans eher anstachelt. Was könnte sich mit Harris auf dem Präsidentschaftsposten insgesamt ändern?

Langer: Im Vergleich zu Donald Trump würde sie sicherlich einen ausgleichenderen Ton ins Weiße Haus bringen. Sie versucht sehr, das Land zu versöhnen, nach vorne zu gucken und klarzumachen: Euer Nachbar ist nicht euer Feind, auch wenn er vielleicht eine andere politische Überzeugung hat. Sie dürfte sicherlich auch mehr Berechenbarkeit ins Weiße Haus bringen als Donald Trump, und es wäre wahrscheinlich eine traditionellere Präsidentschaft, wenn man so will. Besonders die Beziehung zu ausländischen Partnern wie der EU und der NATO dürfte sie stärken. Wahrscheinlich würde sie auch mehr gen Pazifik schauen statt nur gen Atlantik. Denn Harris hat ihre Wurzeln auch in Indien. Wenn man Harris aber mit Joe Biden vergleicht, der ihr direkter Vorgänger wäre, wie würde da eine Präsidentin Harris den Posten ausführen? Diese Frage steht wirklich im Raum, denn im Wahlkampf ging es mehr um Trump als um Harris. Sie hat relativ wenig Inhalte und konkrete Programme vorgestellt. Man weiß, dass sie Familien finanziell stärken will und die Mittelklasse, aber wie genau ihre Präsidentschaft aussehen würde, bleibt abzuwarten.

Das Gespräch führte Julia Westlake.

Weitere Informationen
Collage von Harris und Trump
U.S., October 30, 2024. © Harris: picture-alliance.com/ Peter Zay / Anadolu  und Trump: REUTERS/Brendan McDermid
21 Min

Die Nervosität vor der US-Wahl steigt

Ingo und Jiffer freuen sich, dass der Wahlkampf zu Ende geht. Sie hoffen, dass es nach der Wahl friedlich bleibt - egal wie sie ausgeht. 21 Min

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 05.11.2024 | 17:15 Uhr

New Yorker Börse © picture alliance / abaca | Van Tine Denni
10 Min

It’s the economy, stupid: Warum uns die US-Präsidentschaftswahl interessiert

Bill Clinton gewann 1992 mit dem Slogan “It’s the economy, stupid” die US-Präsidentschaftswahl für die Demokraten. Dieses Mal, dürfte es extrem eng werden zwischen Donald Trump und Kamala Harris. Warum uns der Ausgang der Wahl interessieren sollte. 10 Min

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Die Schauspielerin Katharina Thalbach sitzt auf einem Sofa. © Screenshot

Katharina Thalbach mit "Ein Wintermärchen" wieder in der Elphi

"Ein Wintermärchen" mit Katharina Thalbach in der Elbphilharmonie ist fast ein Klassiker. Heute ist die erste von neun Aufführungen. mehr