Zum Tod von Tina Turner: "Man hatte das Gefühl, es wird wärmer im Raum"
Tina Turner, die Queen of Rock ist am Mittwoch im Alter von 83 Jahren verstorben. Ein Gespräch mit der Journalistin Christiane Rebmann, die Tina Turner über viele Jahre immer wieder getroffen hat.
Frau Rebmann, wie ist es dazu gekommen, dass Sie Tina Turner persönlich kennengelernt haben?
Christiane Rebmann: Ich habe Interviews mit ihr gemacht. Insgesamt habe ich sie fünfmal getroffen und habe dabei festgestellt, dass sie eine sehr lebendige, sehr temperamentvolle Frau ist. Sie hat sehr viel gelacht, immer wieder Witze gemacht, und sie ist so temperamentvoll gewesen, dass sie sich beim Sprechen zum Teil überschlagen hat. Dass sie dann angefangen hat zu stottern. Sie war sehr warmherzig. Es klingt vielleicht kitschig, aber man hatte das Gefühl, es wird gleich wärmer im Raum, wenn sie mit drin ist.
Wer war die Frau hinter der Bühnenfigur Tina Turner? Oder war es am Ende gar keine Bühnenfigur, sondern immer sie selbst?
Rebmann: Ich glaube, dass sie sie selbst war. Sie hat sich natürlich bestimmte Techniken angeeignet, aber insgesamt hat man im Gespräch auch die Tina gehabt, die man auf der Bühne gesehen hat - nur etwas heruntergefahren, nicht ganz so dynamisch.
Zuletzt hatte sich Tina Turner spirituellen Themen zugewandt. Was müssen wir uns darunter vorstellen?
Rebmann: Nachdem sie sich von Ike getrennt hatte, war sie wirklich am Boden. Sie war alleinerziehend mit vier Kindern und hatte Putz-Jobs. In der Zeit hat sie jemand zum Buddhismus gebracht - von da an hat sie sich auch damit beschäftigt. Das ging so weit, dass sie, als sie in der Schweiz wohnte, sogar mal den Dalai Lama getroffen hat. Darauf war sie damals sehr stolz. Sie hat mir erzählt, dass er ihr wichtige Tipps gegeben hat. Es war ihr auch wichtig, dass sie ihr spirituelles Wissen weitergeben konnte. Sie hat 2009 das Album "Beyond" veröffentlicht - mit einer Musiktherapeutin und einer tibetischen Mantra-Sängerin. Da waren spirituelle Gesänge drauf, buddhistische und christliche. Zwei Jahre später erschien dann "Children Beyond" mit spirituellen Gesängen von Kindern. Das Geld hat sie gespendet an Bildungsorganisationen, die Kinder und Jugendliche unterstützen.
Tina Turner hat zuletzt in der Schweiz gelebt. Wie muss man sich diese Umgebung, dieses Ambiente vorstellen? Ich vermute, Sie haben sie dort getroffen, oder?
Rebmann: Ich habe sie auch dort dort getroffen, aber auch an anderen Orten wie Los Angeles und London. Sie hat in Küsnacht zuerst in einem gemieteten Haus am See gewohnt. Das hat sie ein paarmal umgebaut, obwohl sie es, glaube ich, eigentlich gar nicht durfte. Sie hat ziemlich zurückgezogen gelebt, hatte aber eine enge Beziehung zu der buddhistischen Gemeinde. Ich glaube, die hat auch dafür gesorgt, dass sie sich dort wirklich zuhause gefühlt hat. Sie hat 2013 sogar das Schweizer Bürgerrecht angenommen und die US-Staatsbürgerschaft abgegeben.
Hatte sie bei den Gesprächen mit Ihnen eigentlich auch ihre Perücke auf? Davon hatte sie ja ganz viele - diese Löwenmähnen waren aber nicht echt. Sie hat mal gesagt, sie ziehe die Perücken an wie andere Menschen Kleider.
Rebmann: Ja, das stimmt. Sie hatte ihre Perücken immer auf, ohne Perücke habe ich sie nie gesehen. Ich nehme an, dass sie sie privat auch getragen hat. Sie war sehr eitel, sie mochte auch Designermode sehr. Ich habe übrigens auch ihren Mann über die Plattenfirma kennengelernt, Erwin Bach. Den habe ich immer als sehr smart erlebt, als sehr freundlich. Ich hatte auch den Eindruck, dass die beiden sich sehr gut verstanden haben. Er hat ihr auch den Respekt entgegengebracht, den Ike ihr nicht entgegengebracht hat.
Zweifellos kann man Tina Turner als wichtigste weibliche Person des Rock-Business bezeichnen. Starken Frauen auf der Bühne war sie immer ein Vorbild - war sie sich dessen bewusst? Wie hat sie diesen Frauen Mut gemacht?
Rebmann: Sie hat immer gesagt, dass sie eine sehr, sehr starke Kraft hat. Dass sie auch im Laufe der Zeit gelernt hat, dass man aus seinen Fehlern lernt. Ihre Kraft wurde durch die Beschäftigung mit dem Buddhismus noch weiter verstärkt. Sie hat sich immer wieder am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen, es ist wirklich unglaublich. Sie hat so viele Krisen durchgemacht: Sie ist von ihrem Mann verprügelt worden, hat sich dann von ihm getrennt und war dann quasi auf der Straße mit vier Kindern. Sie hat lange Zeit ein totales Karrieretief gehabt und hat dann über gute Beziehungen, und weil ihr Musiker geholfen haben, wieder Anschluss bekommen an den Erfolg, den sie vorher hatte.
Interessant finde ich auch, was sich in damals im Musik-Business abgespielt hat. Ihr Beispiel zeigt ganz gut, wie zynisch das Musik-Business ist. Die Plattenfirmen hatten sie ja abgeschrieben, als sie sich von Ike getrennt hatte, ihr Marktwert war quasi null. Und dann hat David Bowie ihr geholfen. Sie hat mir erzählt, wie das ablief: David Bowie hatte gerade seine Platte "Let's Dance" rausgebracht. Die Jungs von der Plattenfirma - das waren natürlich damals alles Männer - wollten ihren großen Star zur Veröffentlichungsfeier zum Essen einladen. Aber er sagte, er sehe sich lieber seine Lieblingssängerin an. Sie fragten, wer das sei und er sagte: Tina Turner. Dann sagten sie: Oh, da kommen wir doch mit. Dann trat Tina im Ritz in New York auf, und auf einem der Balkons standen Keith Richards, Rod Stewart und eben David Bowie. Danach bekam Tina einen Plattenvertrag, weil man bei der Firma Capital feststellen musste, dass sie total angesagt war.
Was ist der stärkste Eindruck, den Sie von Tina Turner behalten?
Rebmann: Was mich neben ihrem Temperament und ihrer Wärme am meisten beeindruckt hat, war die Dankbarkeit, die sie immer ausgedrückt und auch ausgestrahlt hat. Sie war dankbar für ihr Talent, dass ihr geschenkt wurde, aber vor allem für ihr Leben. Ich weiß gar nicht, ob ich wirklich traurig sein soll, dass sie gestorben ist - ich glaube, sie war es auch nicht. Sie hatte über weite Strecken ein gutes Leben, und ich kann mir vorstellen, dass sie jetzt auch keine Kraft mehr hatte zu leben.
Das Interview führte Philipp Cavert.