Thomas Schüller ist als Professor für katholisches Kirchenrecht an der Uni Münster ohne Frage ein Mann der Kirche. In seinem neuesten Buch kritisiert Schüller nun aber die "unheilige Allianz", die der deutsche Staat mit den christlichen Kirchen pflege: "Unheilig an der Allianz ist, dass sich beide Seiten über die Jahrzehnte so aufeinander eingespielt haben, dass die beiden Kirchen zu Monopolisten in bestimmten Bereichen der staatlichen Daseinsfürsorge geworden sind und dementsprechend immensen politischen Einfluss ausüben können, obwohl ihre gesamtgesellschaftliche Akzeptanz immer niedriger wird."
Im Gegenzug, so Thomas Schüller, stelle der Staat den Kirchen in vielen Bereichen einen "Freifahrtschein" aus und zeige ihnen gegenüber "Beißhemmungen" – etwa im Arbeitsrecht oder bei der Verfolgung sexualisierter Gewalt. Um ihren "heiligen Ruf" zu schützen, bezögen sich die christlichen Kirchen auf das ihr grundgesetzlich zugestandene Recht, ihre inneren Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu gestalten. In Wirklichkeit kehrten sie die Missachtung von Gesetzen und die strafrechtlich relevanten Vergehen in ihren Kreisen unter den Teppich. "Das ist der eigentliche Skandal."
In vielen Bereichen agiere Kirche, laut Schüller, als Körperschaft, die Staatsaufgaben wahrnehme: in Schulen und Kitas, in der Kranken- und Altenpflege, in der Jugendpflege. "Und da, wo sie Staatsaufgaben wahrnimmt, muss sie die Standards unserer Verfassung einhalten."
Im Gespräch mit Brigitte Lehnhoff erläutert der streitfreudige Kirchenrechtler seine Forderung nach der strikten Trennung von Kirche und Staat.