Neues im Fall Jérôme Boateng vs. Kasia Lenhardt
Der Tod von Jérôme Boatengs Ex-Freundin Kasia Lenhardt löste eine Debatte über Cybermobbing und die Rolle der Boulevardpresse aus. Investigativ-Journalistin Maike Backhaus spricht bei "deep und deutlich" über neue Erkenntnisse.
Ihr Fall bewegt Deutschland noch immer: Kasia Lenhardt, bekannt aus "Germany's Next Topmodel", nahm sich 2021 das Leben. Doch warum hat eine so junge Frau keinen anderen Ausweg gesehen? Maike Backhaus, freie Investigativ-Journalistin, und "Spiegel"-Reporterin Nora Gantenbrink gehen in ihrem neuen Podcast "NDA: Die Akte Kasia Lenhardt" der Causa auf den Grund. Über ihre Arbeit sagt Backhaus im "deep und deutlich"-Talk: "Uns war es wichtig, durch eine sehr genaue Rekonstruktion das wieder in einen Kontext zu setzen und einzuordnen."
Die Akte Kasia Lenhardt: "Sie soll danach den NDA unterzeichnet haben"
2019 nahm die Staatsanwaltschaft aufgrund eines Hinweises Ermittlungen wegen Körperverletzung gegen Boateng auf. Diese laufen bis heute. Neue Dokumente und bisher unveröffentlichte Sprachnachrichten von Kasia Lenhardt, die dem "Spiegel" vorliegen, sollen die Vorwürfe nun erhärten.
Die beiden Journalistinnen haben Zugriff auf bisher unveröffentlichte Chatnachrichten, in denen Lenhardt Profifußballer Boateng, mit dem sie eine On-off- Beziehung führte, Gewalt vorwirft. "Es soll dazu gekommen sein, dass Boateng sie ins Gesicht geschlagen haben soll, sich dabei in ihrem Ohrring verfangen hat, das Ohr dabei zerrissen hat und Kasia dann offenbar danach den NDA (Non-Disclosure Agreement - übersetzt: Geheimhaltungsvereinbarung - Anmerkung d. Red.) unterzeichnet hat", so Backhaus.
Maike Backhaus: "Eine extreme Welle aus Hass, Aggression und Gewalt"
Ein Non-Disclosure Agreement habe im Fall von Lenhardt geregelt, "dass sie sich zu nichts, was in der Beziehung vorgefallen ist, in der Öffentlichkeit äußern darf". Laut der Investigativ-Journalistin keine Seltenheit in der Fußballbranche. "Das ist ein Thema, was bei bekannteren Profifußballern immer wieder aufkommt, um die Privatsphäre zu schützen. Ob das angemessen ist oder nicht, ist eine andere Frage."
Das sei unter anderem auch ein Grund gewesen, weshalb sich Lenhardt nicht zum Interview, das Boateng 2021 der "Bild"-Zeitung gegeben hat, öffentlich habe äußern können. "Man kann auf jeden Fall sagen, dass dieses Interview eine extreme Welle aus Hass, Aggression und Gewalt gegen Lenhardt auf Social Media ausgelöst hat", so Backhaus. "Es war ein Druck und eine Eskalation, die ich so selten in der Öffentlichkeit beobachtet habe."
Der letzte Anruf auf Kasia Lenhardts iPhone
Ihre Recherchen im Fall hätten auch neue Erkenntnisse zutage gebracht: So stieß man bei der digital-forensischen Untersuchung des iPhones von Lenhardt auf bisher unbekannte Details. "Man kann in ihrem Telefon sehen, woher der letzte Anruf kam. Und das war die Nummer von dem Assistenten von Boateng, von der sie zwei Mal angerufen wurde. Das waren die letzten beiden Anrufe, bevor sie tot aufgefunden wurde", sagt Backhaus im Gespräch mit Moderator Aurel Mertz. Eine Information, die sie vorher nicht vorliegen hatten. "In der Akte ist nicht verzeichnet, dass mit ihm Kontakt aufgenommen wurde. Er wurde nie befragt."
Auf "Spiegel"-Anfrage will sich der Assistent von Boateng nicht äußern. Sein Anwalt teilt mit: "Die Fragen implizieren fast ausnahmslos strafrechtlich relevantes Verhalten und haben zum Teil verleumderischen Charakter. Aus meiner Sicht wären derartige Fragen den staatlichen Ermittlungsbehörden vorbehalten." Boateng hat seit 2021 Gesprächsanfragen des "Spiegel" immer wieder abgelehnt. Seine Anwältin ließ mitteilen, dass sich viele Sachverhalte gänzlich anders zugetragen hätten. Ihr Mandant lege Wert auf die Feststellung, dass er Lenhardt zu keinem Zeitpunkt körperlich angegriffen habe.