Karneval im Norden - (k)eine närrische Erfolgsgeschichte
Man hört es immer wieder: Karnevalsmuffel sollen wir Norddeutschen angeblich sein. Dabei wimmelt es von Enklaven des närrischen Treibens und sogar richtigen Karnevals-Hochburgen in Norddeutschland
Nun gut, es gibt auch die Verweigerung des verordneten Lustigseins. Unter dem Motto "Klasse Küste statt olle Kamelle!" bietet Norden-Norddeich im Landkreis Aurich ein eigenes Programm zur "Auszeit vom Karneval" an - mit traditionellem Krabbenpulen, Seenotrettungsübung und Infotouren durchs Wattenmeer - statt Helau und Alaaf. Jährlich macht sich die ganze Nation über dieses lustig: Ín den Sozialen Medien kursiert immer wieder ein Bild der leeren Bushaltestelle, irgendwo auf dem platten Land mit der Überschrift: "Karneval, der Norden dreht durch".
Ironie ist allerdings mehr als ungerecht
Die unverhüllte Ironie ist allerdings mehr als ungerecht. Vielerorts im Norden gibt es durchaus närrisches Treiben in diesen Tagen. In Lübeck stürmten die Karnevalsvereine am Sonnabend das Rathaus. Auch wenn sich seit Corona nicht mehr genug Interessierte für einen Umzug durch die Stadt gefunden haben, halten immer noch viele Menschen die Faschingsfahne hoch in der Stadt, so der Lübecker Bürgermeister Jan Lindenau, der den Narren zumindest an einem Tag im Jahr das Zepter übergibt: "Man sieht an der Anzahl der Vereine, wie viele Menschen sich engagieren. Die haben, wenn ich das mal sagen darf, mehr Mitglieder als alle Parteien in Lübeck. Damit ist klar, wer hier die Verantwortung trägt und auch eine Bedeutung hat", so der Bürgermeister.
Braunschweig hat den größten Umzug in Norddeutschland
In Kölle mögen die Jecken auf den Umzugs-Wagen und an der Strecke zum Sinnbild deutscher Ausgelassenheit werden: In Braunschweig erholt man sich bereits vom traditionellen "Schoduvel"-Umzug, dem größten und beliebtesten im Norden, der bereits am Sonntag stattgefunden hat - mit rund 300.000 Menschen, die die Straßen gesäumt haben.
9.000 Zuschauerinnen und Zuschauer in Dömitz
In Dömitz hat am Sonntag der größte Umzug in Mecklenburg-Vorpommern stattgefunden. 30 Wagen und Fußgruppen, mit rund 9.000 Zuschauern und Zuschauerinnen. Und noch weiter nördlich, auf Usedom gibt es da noch den Carnevalsclub Zinnowitz. "In unserer Satzung Paragraf 1 steht, dass wir zur Volksbelustigung gegründet wurden - es geht also schon auch um Tradition", erklärt ein Karnevalist. "Unser Karneval hat eine mehr als 100-jährige Tradition, in Deutschland, auf der Welt und hier im Norden halten wir den hoch. Selbst auf Usedom."
Queeres Prinzenpaar in Osnabrück
In Osnabrück war der Ossensamstag für rund 30.000 Narren und Närrinnen Pflicht. "Kreuz und queer, kunterbunt, das sind wir" - so das Motto in diesem Jahr. Und das erste Mal mit einem schwulen und binationalen Prinzenpaar. Thomas der Erste ist deutscher Christ, Yut der Erste ist buddhistischer Thailänder.
Karnevalspräsident Rene Herring hat deswegen in diesem Jahr besonders stolz den Osnabrücker Straßenkarneval eröffnet: "Lieber Thomas, lieber Yut, ich freue mich Euch heute zu begrüßen und gerade in dieser verrückten Zeit ist es so wichtig, dass wir Osnabrücker Karnevalisten hier stehen und für die Freiheit und den Frieden kämpfen, denn wir Karnevalisten stehen ganz klar für Freiheit, Frieden und Toleranz." Und was sagt das Prinzenpaar? Das meint: "Es ist wirklich wunderschön. Man sieht ja auch die Stimmung hier, alle kommen auf einen zu und strahlen und wir, wir strahlen zurück!"
Der schlechte Karnevalsruf des Nordens sollte also durchaus überdacht werden. Laut genug waren und sind sie jedenfalls, die närrischen Schlachtrufe in Norddeutschland in diesen Tagen.