In blauem Stoff (Burka) verhüllte Frauen warten in Kabul in einer Schlange, um von einer humanitären Hilfsorganisation verteilte Lebensmittelrationen zu erhalten © Ebrahim Noroozi/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Ebrahim Noroozi

Jahrestag der Machtergreifung der Taliban in Afghanistan

Sendung: Freitagsforum | 11.08.2023 | 15:20 Uhr | von Pinkenburg, Sabine
7 Min | Verfügbar bis 10.08.2025

Die Lage der Frauen und Mädchen ist zwei Jahre nach der Machtergreifung durch die Taliban in Afghanistan schlimmer denn je. Ein Gespräch mit Christina Ihle, Vorsitzende des Afghanischen Frauenvereins Hamburg.

Vor zwei Jahren, Anfang August 2021, haben die militant-islamistischen Taliban in Afghanistan wieder die Macht übernommen. Tausende Menschen flohen damals aus dem Land, die Bilder von Flüchtenden, die sich verzweifelt an startende Flugzeuge hängten, sind uns noch allen in Erinnerung.

Anders als vor 27 Jahren versprachen die neuen Machthaber zunächst, die Menschenrechte, und damit auch die Rechte der Frauen und Mädchen zu wahren. Doch die Situation ist heute schlimmer denn je: Frauen werden aus der Öffentlichkeit verbannt, inhaftiert und gefoltert. NDR Redakteurin Sabine Pinkenburg hat mit der Vorsitzenden des Afghanischen Frauenvereins in Hamburg, Christina Ihle gesprochen.

Frau Ihle: In den ersten Monaten nach der Machtergreifung durch die Taliban haben sich viele Frauen dagegen gewehrt, dass ihre Rechte durch die Taliban beschnitten werden. Für ihren Protest mussten viele von ihnen teuer bezahlen. Viele Frauen verschwanden, wurden festgenommen und sogar gefoltert. Gibt es heute noch Frauen im Land, die sich öffentlich gegen die Taliban zur Wehr setzen?

Christina Ihle: Es ist alles sehr schwierig und auch sehr gefährlich. Das waren Proteste, die vor allem im städtischen Raum erfolgten und Erfolg haben. 80 Prozent Afghanistans ist ländlich, sehr konservativ und patriarchalisch strukturiert. Dort würde es keine Wirkung haben, wenn eine Frau mit einem Plakat auf der Straße protestiert. Da leisten die Frauen auf bewundernswerte Weise anders Widerstand, indem sie zum Beispiel ihre Wohnzimmer öffnen und dort Mädchen unterrichten.

Ich kenne viele Frauen, die Schneidereien bei sich zu Hause eröffnen, sich versammeln, um dann Einkommen zu erwirtschaften, um Ideen zu entwickeln, wie sie sich untereinander helfen können. Das ist auf praktische Weise sehr mutig und großartig.

Seit Ende letzten Jahres dürfen junge Frauen nicht mehr studieren. Mädchen ist der Schulbesuch ab der siebten Klasse verboten. Was bedeutet das für die jungen Frauen?

Ihle: Ja, das ist natürlich der drastischste Einschnitt in das Leben von jungen Frauen. Das ist der stärkste Erlass, der die dramatischsten Konsequenzen hat und vielen jungen Mädchen und jungen Frauen die Hoffnung auf Zukunft komplett genommen hat. Viele Frauen, viele Schülerinnen an unseren Schulen, sind zutiefst deprimiert und wissen nicht, wie es für sie weitergehen kann.

Denn alle, die die Schule besuchen, haben den Traum, ihr Land zu gestalten. Also jedes Schulmädchen, welches man fragt, sagt: "Ich möchte Lehrerin werden, Ärztin werden, Rechtsanwältin werden, um Afghanistan zu gestalten". Dass ihnen dieser Traum genommen wird, ist fatal.

In blauem Stoff (Burka) verhüllte Frauen warten in Kabul in einer Schlange, um von einer humanitären Hilfsorganisation verteilte Lebensmittelrationen zu erhalten © Ebrahim Noroozi/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Ebrahim Noroozi

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