Goethe-Institut in der Krise: "Das Budget war immer knapp"
Das Goethe-Institut hat vom Bundestag den Auftrag bekommen, sich zu reformieren. Es will seine Aktivitäten in Osteuropa und im Südkaukasus ausbauen - trotz massiver Sparzwänge. Wie passt das zusammen?
Häuser sollen Stellen abbauen und neun der derzeit 158 Institute sogar in den kommenden Jahren ganz schließen und gleichzeitig soll sich das Institut neu ausrichten. Christoph Bartmann hat lange Zeit für das Goethe-Institut in New York und in Warschau gearbeitet.
Herr Bartmann, Standorte wie Washington zu schließen und dafür im Westen der USA neue zu eröffnen - ist das eine Neuausrichtung?
Christoph Bartmann: Ich hätte Washington nicht geschlossen - das ist einfach das falsche Signal. Ich finde, in der Hauptstadt ein Institut zu schließen, um dann in Kansas City ein Haus zu eröffnen, das ist keine gute Idee. Oder zu sagen: "Wir gehen nach Fidschi, aber dafür machen wir in Neapel fast dicht" - das kommt nicht gut an. Das kommt bei mir nicht gut an, in der deutschen Öffentlichkeit und auch in den Gastländern, wo man Institute entweder ganz schließt oder drastisch reduziert. Ich fand das nicht besonders geglückt.
Ich lese noch einen Auftrag, der mir gar nicht so bewusst war: Fachkräfte in Deutsch qualifizieren - und dabei geht es insbesondere um Nicht-EU-Fachkräfte. Dann wäre die Maßnahme, Institute in Frankreich und Italien zu schließen und irgendwo in der Welt die Leute einzuladen, Deutsch zu lernen, damit sie dann hier herkommen können, nachvollziehbar, oder?
Bartmann: Das finde ich auch. Wenn dieses Fachkräfte-Thema so wichtig ist - und ich glaube, es ist dem Bundestag und dem Auswärtigen Amt wichtig, und das Goethe-Institut nimmt diesen Auftrag auch ernst -, dann spielt dieses Thema nicht in Neapel oder in Bordeaux eine Rolle, sondern eher in Asien oder in Südamerika, wo man auf eine nennenswerte Rekrutierung von Fachkräften nach Deutschland hofft oder daran arbeitet. Für das Thema Fachkräfteeinwanderung braucht man im Grunde ein ganz anderes Institutsnetz als das, was sich historisch gebildet hat. Ganz bestimmt nicht sieben Institute in Frankreich und sieben Institute in Italien, so, wie es sie mal gegeben hat.
Ihre Zeit in Warschau ist vorbei. Ich höre aber dennoch auch bei Ihnen eine gewisse Unsicherheit. Was sind denn jetzt die Aufträge der Goethe-Institute?
Bartmann: Ich fand die Aufträge des Goethe-Instituts immer klar und einleuchtend und habe sie auch immer mit Freude umsetzen geholfen. Ich frage mich jetzt, was daran falsch oder einseitig war, und was heißt jetzt eigentlich genau "modernisieren" oder "Transformation"? Heißt das vor allem sparen, heißt das weniger Infrastruktur, weniger Netzwerk, damit auch weniger Personal im Ausland? Heißt es mehr Digitales - da gab es auch schon mal eine Riesendiskussion in den vergangenen Jahren. Heißt das mehr Drittmittel? Es gibt da verschiedene Motive, die ich alle kenne. Ich habe Mühe, mir vorzustellen, was die nächste Etappe der Modernisierung bringen kann. Ich habe das Gefühl, dass das Goethe-Institut sparen muss, und es muss auf eine Weise sparen, die das Sparen als kreativ und innovativ erscheinen lässt. Und das kann ich absolut nachvollziehen.
Wie hätte man denn besser sparen können? Können Sie da zwei Positionen nennen?
Bartmann: Ich kenne das Goethe-Institut seit vielen Jahrzehnten aus der Nähe, und es gab immer die Diskussion um Schließungen, Kürzungen oder das Netz irgendwie zu beschneiden, ohne dass es allzu weh tut. Das Budget war immer knapp. Ich kann nicht erkennen, wie man jetzt sparen könnte, ohne dass es weh tut. Und es tut weh, wenn man in Neapel das Institut mehr oder weniger auf eine Mitarbeiterin reduziert, die Liegenschaft aufgibt und Veranstaltungen nur noch bei Partnern macht. Das sind alles schmerzliche Einschnitte, die man nur dann verstehen und rechtfertigen kann, wenn man das mit der finanziellen Not in Verbindung bringt.
Die Berichterstattung, insbesondere bei den Printmedien, ist üppig und sehr kritisch. Da lese ich das Argument: Genauso wie Joschka Fischer, interessiere sich auch Frau Baerbock nicht für auswärtige Kulturpolitik. Ist das nicht ein bisschen holzhammerig? Aus Ihren Worten höre ich eher die übliche Ampel-Zerrissenheit in der Strategie.
Bartmann: Das Goethe-Institut hat mit grünen Außenministerinnen und -ministern bis jetzt nicht viel Glück gehabt. Aber es ist keinesfalls jetzt alles den Grünen anzulasten. Es ist überhaupt keinem einzelnen Akteur oder keiner Partei anzulasten, sondern es ist eine unglückliche Verkettung von Umständen, von denen ich ja schon einige genannt habe. Die sogenannte Zeitenwende und die gewaltigen Konsequenzen, die diese Zeitenwende für den Bundeshaushalt hat, sind sicherlich ein Hauptgrund, aber mit etwas Fantasie fallen einem wahrscheinlich auch noch weitere Gründe ein.
Das Interview führte Mischa Kreiskott.