Der umstrittene Hafenspeicher in Wismar
Der Name "Ohlerich-Speicher" ist vielen in Wismar geläufig, doch das historische Hafengebäude trägt diesen Namen zu Unrecht, wie der Autor Thomas Kibelksties in seinem Buch "Getreide, Malz, Bier - Jüdische Betriesamkeit zwischen Mecklenburg und Mähren" beschreibt.
Es geht um rund 150 Jahre der jüngsten deutschen Geschichte, vom Kaiserreich bis zur Gegenwart. Und mittendrin die Namen Ohlerich und Löwenthal: "Eine jüdische Familie, die lange Zeit in Mecklenburg ansässig war und ein Zweig davon ist nach Wismar gekommen. Der Julius mit seinem Vater und der andere Zweig hat sich in Schwerin erfolgreich niedergelassen mit einer Getreidehandelsfirma, die in Norddeutschland sehr großen Einfluss hatte", erzählt Kibelksties.
Der Autor hat sich intensiv mit dieser Familiengeschichte befasst, vor allem mit dem in der Hansestadt Wismar ansässigen Unternehmen: "Das war die Firma 'Löwenthal, Nord & Co', die Ende des 19. Jahrhunderts auch einen nichtjüdischen Teilhaber hatte, mit 25 Prozent, der als Reisender in die Firma eingetreten war. Der Mann hieß Paul Ohlerich."
Nachdem die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren, wurde Ohlerich laut Kibelksties aktiv: "Der Speicher und der Getreidehandel sind 1933 schon durch Veranlassung dieses nichtjüdischen Teilhabers arisiert worden. Das heißt, er hat mit dem Ministerpräsidenten der NSDAP in Schwerin verhandelt und konnte 1933 schon sich selbst als Besitzer der Getreidehandelsfirma eintragen."
Wie in so vielen ähnlich gelagerten Fällen, wurde die jüdische Familie Löwenthal enteignet: "Der letzte Erbe, Otto Löwenthal, hat gekämpft - um Beträge, die ihm gekürzt wurden, von dem eigentlich vereinbarten Kaufvertrag. Und er hat solange gekämpft, bis 1941 der Oktober angebrochen war und keine Juden mehr auswandern durften. Das hat am Ende dazu geführt, dass er 1943 mit seiner Familie in Auschwitz ermordet wurde. Und Gelder sind natürlich nicht gezahlt worden."
Eigentümer lehnen Umbenennung ab
Kibelksties lebt erst seit 2016 in Wismar und hat seither die Geschichte des Speichers am Alten Hafen erforscht. Ein Gebäude, das in Wismar vor allem als "Ohlerich-Speicher" bekannt ist: "Er hieß hier in der Stadt schon über viele, viele Jahre so. Ich glaube, das ist auch in Unkenntnis dessen geschehen, was damals dort passiert ist. Aber ich kannte ihn unter diesen Namen auch", sagt Wismars Bürgermeister Thomas Beyer.
Die Stadt ist nicht Eigentümer des Gebäudes, in dem sich seit 2019 nun Ferienwohnungen befinden. Auf der Internetseite, die für einen Hafenurlaub in Wismar wirbt, ist deutlich der Name "Ohlerich-Speicher" zu lesen. Beyer kritisiert das und hat den Eigentümern das bereits mitgeteilt: "An die habe ich sogar mehrfach geschrieben und darum gebeten, dass man den Namen doch ändern sollte. Dazu hat es wohl auch eine sogenannte Eigentümer-Gemeinschaftssitzung gegeben. Und da hat man sich dagegen entschieden und wollte an dem Namen festhalten. Ich sehe das kritisch, auch das habe ich mitgeteilt. Ich hätte mir schon gewünscht, dass dieser Name verändert wird."
Dass das bis heute nicht passiert ist, nennt der Bürgermeister inakzeptabel. Auf der Internetseite für die Vermietung der Ferienwohnungen wird zwar auf die mittlerweile rund 86-jährige Geschichte des Hauses hingewiesen, speziell auch auf die Zeit des Nationalsozialismus. Eine geplante Informationsstele vor dem Speicher am Alten Hafen von Wismar gibt es allerdings immer noch nicht, selbst ein entsprechender Bauantrag bei der Stadt wurde bislang nicht gestellt.