Danger Dan: Eine Art Liedermacher der Kritischen Theorie
Nicht peinliche Liebeslieder, Moral ohne Zeigefinger, sanfte Polarisierungen: Danger Dan scheint mit seinen Songs den Zeitgeist zu treffen. Vor Kurzem ist sein neues Live-Album erschienen: "Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt (Live)". Ein Porträt.
Danger Dan war viele Jahre lang als fantastischer, aber mittelbekannter Rapper unterwegs. Dann setzt er sich ans Klavier, lotet mit einer Ballade über Neu-Rechte und Verschwörungstheoretiker die Grenzen der Kunstfreiheit aus und wird Nummer 1 in den Deutschen Charts. Neulich noch autonomes Zentrum, jetzt die großen Konzerthäuser. Das muss man erstmal verkraften.
Danger Dan: "AfD-Sympathisanten können gleich wieder gehen"
"Auf der Tour war es auf jeden Fall total spannend, in solche Räume reinzugehen, wo zum Beispiel eine Wagner-Büste hängt", erzählt der Musiker. "Wir waren in Nürnberg im selben Laden, wo kurz vorher der AfD-Parteitag noch war und dieselben Leute, die uns da betreut haben vor Ort, haben auch den AfD-Parteitag betreut. Ich fand es auf jeden Fall richtig toll, genau dahin zu gehen und zu sagen: Hey, das ist für heute unser Laden, hier gelten unsere Regeln und AfD-Sympathisanten können gleich wieder gehen."
Schon als Kind fällt es ihm unverschämt leicht mit allen Instrumenten. Er findet auf dem Dachboden ein Akkordeon und spielt los. Bald Klavier, mit Lehrer, aber vor allem: frei. "Ich bin nach Hause gekommen von der Schule, habe mich erst mal ans Klavier gesetzt und habe so vor mich hin gespielt", erinnert sich Danger Dan. "Meine Mutter hat irgendwann später erzählt, sie wusste danach immer, wie es mir geht. Sie wusste von den Melodien her, ob ich einen guten Tag hatte oder einen schlechten Tag hatte."
"Ingloria Victoria": Das Autoritäre ist ihm verdächtig
Erst Klavierstunde, dann Punk. Heute ist Danger Dan eine Art Liedermacher der Kritischen Theorie. Sein großes Thema sind das Individuum und die Gesellschaft. "Ich kam eigentlich aus der Hip-Hop-Szene, die sehr homophob und misogyn aufgeladen war. In meinem Freundeskreis gab es gar keine Frau, die haben sich da zu Recht nicht wohlgefühlt. Wir haben uns benommen wie die letzten Deppen. Als ich mich dann in autonome Zentren und diese Kontexte rein bewegt habe, merkte ich: Diese toxische und und krass fragile Männlichkeit herrschte da gar nicht vor. Das war auf jeden Fall unglaublich beruhigend."
Das Autoritäre ist ihm seit jeher verdächtig. Die Komik besteht darin, dass er die Dinge beim Namen nennt. Etwa die pädagogischen Erwartungen jenes Gymnasiums, an dem er kein Abi gemacht hat, im Lied "Ingloria Victoria".
Zur Nachwirkung des Songs erzählt der Künstler: "Es schmeichelt mir tatsächlich ein bisschen. Für jemanden, der von allen Schulen runter geflogen ist und selber nie Abi machen durfte, ist es natürlich irgendwie auch etwas Besonderes, wenn auf einmal die eigenen Texte dann Stoff im Abi werden. Es ist auch irgendwie cool, wenn alle möglichen Leute sich, auch wenn sie nicht wollen, damit befassen müssen." Er gibt aber auch zu: "Wenn ich jetzt ein junger Punker wäre, würde ich vielleicht dazu sagen: 'Guck mal, das ist eine Rebellion, wo auch der Erdkundelehrer mitmachen kann.' Das wäre mir dann zu bürgerlich."
Adorno-Zitate in der Musik - und auf der Haut
Danger Dans Album "Reflexionen aus dem beschönigten Leben" bezieht sich auf Adornos "Reflexionen aus dem beschädigten Leben", in denen es große Sätze gibt: "Geliebt wirst du einzig, wo du schwach dich zeigen darfst, ohne Stärke zu provozieren."
"Ich habe mir sogar ein Adorno-Zitat irgendwann tätowiert als Bild, weil ich das so schön fand", so der Musiker. "Es gibt diesen Text in 'Minima Moralia', da beschreibt Adorno einmal positiv, wie er sich die Welt wünscht: Auf dem Wasser liegen und in den Himmel schauen können treten an die Stelle von ständigem Schaffen und ständiger Verwertungslogik. Das fand ich so schön, dass ich mir das irgendwann auf den Arm tätowiert habe, wie jemand auf dem Wasser liegt, in den Himmel schaut und sich einfach treiben lässt."
"Bei vielen Menschen ist es bereits eine Unverschämtheit, wenn sie Ich sagen", schreibt Adorno. Wenn Danger Dan "ich" singt, wird es böse und lustig. Er will jetzt noch ein paar Konzerte spielen und dann Tretbootverleiher werden. Guter Mann, guter Plan.