Lisa Paus (Bündnis 90/Grüne) © dpa Foto: Melissa Erichsen
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AUDIO: Bundesfamilienministerin Paus: "Kinderarmut ist nicht hinnehmbar" (7 Min)

Bundesfamilienministerin Paus: "Kinderarmut ist nicht hinnehmbar"

Das Recht auf angemessenen Lebensstandard, Bildung und Schutz vor Gewalt sind Punkte aus der UN-Kinderrechtskonvention, auf die am internationalen Tag der Kinderrechte aufmerksam gemacht werden soll. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) über Kinderrechte und Kindergrundsicherung.

Bei uns leiden viele Kinder unter Armut oder werden zum Beispiel diskriminiert. Welcher Bereich macht ihnen im Moment am meisten Sorgen?

Lisa Paus: Wie Sie wissen, ist diese Ampel ist angetreten, um der Kinderarmut den Kampf anzusagen. Es ist nicht hinnehmbar, dass in Deutschland derzeit jedes fünfte Kind in Armut aufwächst oder von Armut bedroht ist. Diese strukturell verfestigte Armut, die wollen wir angehen und daran dieser Tage zu erinnern, ist sicherlich auch sehr, sehr sinnvoll

Mit der Kindergrundsicherung ab 2025 wollen Sie das konkret angehen. Was kann die leisten? Wo sind womöglich auch die Grenzen?

Paus: Mit der Kindergrundsicherung wollen wir erst mal schaffen, dass es eine Grundsicherung für die Kinder gibt. Wir haben das ja beispielsweise schon für die älteren Menschen. Bei den Kinderrechten wollen wir es schaffen, dass Kinder tatsächlich ihre Rechte verankert bekommen und auch die Beteiligung von Kindern gewährleistet ist. Wenn Kinder in Armut leben, dann ist das immer auch ein Nehmen von Chancen und damit auch ein Nehmen von Beteiligungsrechten. Deswegen ist diese Kindergrundsicherung so wichtig und deswegen soll es eine Grundsicherung für alle Kinder geben, egal, in welcher Lebenslage sich ihre Eltern befinden. Egal, in welcher Konstellation sie leben und welches Einkommen die Eltern haben. Das schaffen wir mit der Kindergrundsicherung: Ein Betrag für alle Eltern und zusätzlich eben für die Kinder, deren Eltern nicht so viel Geld haben. Diesen Zusatzbetrag bringen wir gerade auf den Weg,

Für alle Eltern, für alle Kinder sagen, sie. Es gibt aber auch Kritik, zum Beispiel von der Vorsitzenden von SOS-Kinderdorf. Sie nennt das Ganze sogar eine Verletzung der UN-Kinderrechtskonvention, weil die Kinder von Geflüchteten ausgeschlossen seien und damit diskriminiert würden. Was entgegnen Sie da?

Paus: Das ist bitter, da hat sie recht. Das konnte ich leider in den Verhandlungen nicht durchsetzen. Beim Asylbewerberleistungsgesetz bleibt es so, wie es ist Kinder, Familien, Eltern, die in diesem Verfahren des Asylbewerberleistungsgesetzes sind, können nicht von der Kindergrundsicherung profitieren, sie werden es erst im Nachgang tun. Aber für alle, die einen dauerhaften Status haben, die sich nicht mehr im Asylbewerberleistungsgesetz befinden, für die gilt die Kindergrundsicherung.

Wie steht es denn um all die Punkte, die man ja nicht einfach mit mehr Geld lösen kann, sondern bei denen sich vielleicht auch gesellschaftlich was ändern müsste? Was können Sie als Ministerin dort tun?

Paus: Es wäre schon gut - gerade jetzt, wo die Kinderrechtskonvention schon so lange gilt -, dass wir es in Deutschland endlich schaffen, die Kinderrechte auch im Grundgesetz zu verankern. Auch daran arbeitet die Ampel. Es gibt eine Arbeitsgruppe dazu im Bundestag, die an konkreten Formulierungen arbeitet, die wie das Grundgesetz in dieser Hinsicht ändern können. Grundsätzlich haben wir uns verpflichtet, dass wir bei allen politischen Fragen das Kindeswohl vorrangig mitberücksichtigen sollten. Wenn wir uns zurückerinnern an die Corona-Zeit, dann glaube ich, wird niemand sagten, das wir das wirklich gut geschafft haben. Dafür wäre es so wichtig, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Diese Formulierung bereiten wir vor. Wir brauchen dafür allerdings eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat. Deswegen werbe ich bei jeder Gelegenheit noch einmal dafür, dass alle demokratischen Parteien sich dieses Ziel jetzt auch endlich vornehmen umzusetzen. Dafür braucht man nämlich unter anderem auch die Union.

Tatsächlich gibt es diese Initiativen aber schon seit 2007. Wann könnten die Kinderrechte im Grundgesetz stehen?

Paus: Technisch haben wir jetzt alles vorbereitet. Sobald es eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat gibt, können die Kinderrechte ins Grundgesetz. Wir reden ja auch noch über andere Dinge, wie wir unser Grundgesetz noch besser machen können, aber die Kinderrechte sollten auf jeden Fall dabei sein. Kinder sind auch besonders schutzbedürftig. Und gerade in diesen Jahren, in denen wir unter dem demografischen Wandel ächzen, ist es noch mal wichtig, darüber nachzudenken, wie wir das Leben für unsere Kinder besser machen können, weil: Kinder sind nun mal unsere Zukunft und das sollte nicht nur so daher gesagt sein, sondern das sollten wir auch tatsächlich ernst nehmen. Dafür braucht es eben auch eine entsprechende Berücksichtigung ihrer Rechte in der Gegenwart.

Können Sie einen konkreten Punkt nennen, wie dann Kinderrechte mehr gewahrt werden können als jetzt?

Paus: Ich nehme mir ein anderes Beispiel: Vor vielen Jahren haben wir beispielsweise die Lärmschutzverordnung geändert. Danach ist Kinderlärm anders zu behandeln als anderer Lärm, weil es wichtig ist, dass Kinder auch das Recht haben zu spielen. Dabei werden auch Geräusche produziert. In der Corona-Zeit beispielsweise war es aber so, dass in Deutschland die Kitas und Schulen europaweit am längsten zu waren. Da kann man mit Fug und Recht ein Fragezeichen dran machen, ob das alles rein im Sinne der Kinder gewesen ist und ob es dem Kindeswohl entsprochen hat. Die Unternehmen sind dagegen offengeblieben und es gab keine Pflicht zum Homeoffice, aber für Schülerinnen und Schüler sah das anders aus. Das hat erhebliche Folgen. Ich habe zusammen mit dem Gesundheitsminister das nochmal begutachten lassen. Eine interministerielle Arbeitsgruppe für Kindergesundheit hat ganz klar festgestellt, dass die Folgen von Corona, insbesondere die psychosozialen Folgen für Kinder und Jugendliche sehr, sehr groß gewesen sind und noch bis heute anhalten. Wenn es damals schon den Klageweg bis zum Bundesverfassungsgericht gegeben hätte, dann hätte das sicherlich einen Unterschied gemacht.

Das Interview führte Jan Wiedemann

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