Ostdeutschland: Für ein ausgewogeneres Bild
Rechtsradikale, Armut, abgehängte Regionen - geht es um Ostdeutschland, dominieren diese Themen die Berichterstattung. Studien wie die der Universität Leipzig aus dem vergangenen Jahr zeigen, dass sich daran seit dem Mauerfall wenig geändert hat. Vor allem Menschen aus den neuen Bundesländern bemängeln ein einseitiges, negatives Bild, das die Medien vom Osten zeichnen würden. Die Generation der um die Wende Geborenen versucht, daran etwas zu ändern.
Zerstörte Häuser, Trabanten und beigefarbene Klamotten
Johannes Nichelmann ist kurz vor dem Mauerfall im Ostteil Berlins geboren und heute Fernseh- und Radiojournalist. Er kritisiert etwa die Illustrierung von Texten, wenn es um Ostdeutschland geht. Es würden die gleichen Bilder für den Osten verwendet, die bereits vor 15 oder 20 Jahren eingesetzt wurden: zerstörte Häuser, Trabanten und ältere Leute in beigefarbenen Klamotten. Im Großen und Ganzen erscheine Ostdeutschland ziemlich "heruntergerockt", so Nichelmann.
"So isser, der Ossi"
Ähnlich sieht dies Antonie Rietzschel. Sie arbeitet für die "Süddeutsche Zeitung" in Leipzig und ist 1986 geboren, ebenfalls in der DDR. Sie stört vor allem die klischeebeladene Berichterstattung. Jüngstes, prominentes Beispiel: das Cover des "Spiegel" Ende August. Darauf ist in Anlehnung an einen Pegida-Sympathisanten ein schwarz-rot-goldener Anglerhut zu sehen - "So isser, der Ossi" ist darunter zu lesen. Laut Rietzschel werden Ostdeutsche immer wieder pauschal als dumpfe Nationalisten dargestellt. "Da ist wieder das Klischee und das Aufmachen der Grenzen zwischen Ost und West."
Kritik am ARD-Brennpunkt "Der Osten hat gewählt"
Ein weiteres Beispiel: Der ARD-Brennpunkt am Tag nach den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg. Der Titel der Sondersendung: "Der Osten hat gewählt". "Alles gehört irgendwie zusammen, alles wird zusammengemanscht", kritisiert Rietzschel und macht eine Analogie: Würden gleichzeitig in Hessen oder Bayern Wahlen stattfinden, käme niemand auf die Idee einer Sendung den Titel "Der Westen hat gewählt" zu geben.
Rietzschel stört auch, dass Journalisten immer nur dann kommen würden, "wenn es halt hier geknallt hat" und anschließend würden sie wieder verschwinden. Rietzschel ist für das Studium nach Bremen gezogen, hat in Berlin und München gelebt, sich aber 2017 bewusst dazu entschlossen, nach Sachsen zurückzukehren.
Kulturwandel in den Redaktionen
Johannes Nichelmann führt die klischeebeladene Berichterstattung auf eine mangelnde Repräsentation von Ostdeutschen in den Redaktionen zurück. Er sei zwar nicht für eine Quote, aber fordert einen Kulturwandel in den Redaktionen, einen sensibleren Umgang mit ostdeutschen Perspektiven. Um diese zu fördern, hat er gerade das das Buch "Nachwendekinder" veröffentlicht. Darin setzt er sich im Dialog mit der Generation seiner Eltern auch kritisch mit der ostdeutschen Identität auseinander.
Ostdeutsche unterrepräsentiert
In ihrer aktuellen Ausgabe greift das "Medium Magazin" die Diskussion um ostdeutsche Perspektiven auf. Dafür befragten sie die großen Journalistenschulen nach ihrem Anteil von Schülerinnern und Schülern mit ostdeutschen Wurzeln. Das Ergebnis: Ostdeutsche sind stark unterrepräsentiert. Im aktuellen Jahrgang der RTL Journalistenschule kommt auf 28 Westdeutsche sogar keine einzige Person aus dem Osten. Rechnet man die Ergebnisse der acht Journalistenschulen zusammen, die sich Auf die Anfrage des Magazins zurückgemeldet haben, machen Ostdeutsche in den aktuellen Jahrgängen nicht einmal sieben Prozent der angehenden Journalisten aus.
Für eine Ende der Trennung zwischen Ost und West
Rietzschel fordert ein Ende der Trennung zwischen Ost und West. Die "Ossi-Wessi"-Unterscheidung könne sie nicht mehr hören. Stattdessen sollten die Entwicklungen der vergangenen 30 Jahre als eine gesamtdeutsche Geschichte angenommen und verstanden werden. "Und auch diesen Teil Deutschlands als einen Teil von Deutschland zu verstehen und nicht immer den abgespalteten Osten, der immer ganz spezielle Probleme hat."