Likes für rechtsradikale Musik: Bundeswehr-Soldat droht Ermittlungsverfahren
Auf der Musikplattform Soundcloud sind zahlreiche rechtsextremistische Titel deutscher Bands frei zugänglich. Auch Bundeswehr-Angehörige aus Mecklenburg-Vorpommern zählen zur Hörerschaft - ihnen drohen MAD-Ermittlungen.
Philipp K. ist Bundeswehrsoldat und in Vorpommern stationiert. In den sozialen Medien ist der Panzergrenadier sehr aktiv. Er postet Bilder von sich in Uniform bei Facebook und Instagram. Sein Soundcloud-Profil ist öffentlich einsehbar: Nach Recherchen von NDR und SWR hat K. dort auch bei rechtsextremen Songs "Gefällt mir" geklickt. Darunter auch ein Lied der Neonazi-Band Landser - mit menschenverachtenden Zeilen wie diesen:
"Ein Asylantenheim ist abgebrannt. Die armen Schwarzen soll'n jetzt Obdachlose sein. Nach außen tu' ich schwer empört. Zu Hause kicher' ich still in mich hinein"
Rechtsextreme Band Landser indiziert
Damit sind Landser auf dem Index der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz gelandet: Das Album "Deutsche Wut" wurde von den Sicherheitsbehörden indiziert und beschlagnahmt, die Band als kriminelle Vereinigung eingestuft. Ein Interview zu seinen problematischen Likes lehnt der Soldat K. ab - stattdessen schickt er uns diese Nachricht via Instagram:
"Ich liebe Musik und achte meistens auch gar nicht so extrem auf Texte, sondern ich mag es, wenn zum Beispiel die Gitarre gut mit dem Schlagzeug oder dem Bass harmoniert, dass ich dann gerne mal den Text vernachlässige."
"Ein Like für die Band Landser ist ein Bekenntnis"
Für den Rechtsrock-Experten und Sozialpädagogen Jan Raabe klingt das eher nach einer Ausrede. "Jeder Mensch, der diese Texte hört, weiß nach wenigen Liedzeilen ganz genau, wo sich die Gruppe positioniert", sagt er. "Ein Like für die Band Landser ist ein Bekenntnis."
Der Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern misst Rechtsrock einen "zum Teil gewaltbefürwortenden Charakter" zu. "Die Liedtexte (...) fördern damit nicht unwesentlich die zumindest latent vorhandene Gewaltbereitschaft, die ihren Ausdruck meist in spontan begangenen Straf- und Gewalttaten finden kann", teilt eine Sprecherin mit.
Kein Einzelfall
Philipp K. sei kein Einzelfall, sagt ein Anti-Rassismus-Aktivist im Gespräch mit NDR und SWR. Er will anonym bleiben, nennt sich "Frosch". An seinem Laptop zeigt er uns das Soundcloud-Profil eines weiteren Soldaten, der zeitweise in Mecklenburg-Vorpommern stationiert war. Dieser hat unter anderem das Stück "SS marschiert in Feindesland" mit "Gefällt mir" markiert - ein Propaganda-Lied der Nazis. Auch auf K. hat Frosch uns aufmerksam gemacht. Bei Soundcloud seien Unmengen rechtsextremer Songs zu finden, sagt er. "Das geht in die Zehntausende."
Wir suchen selbst und finden allein bei unseren Recherchen etwa 150 indizierte rechtsextreme Lieder. Soundcloud verweist in einem Schreiben an NDR und SWR darauf, das Unternehmen halte sich an die geltende Rechtslage. Ein Team der Plattform bearbeite Meldungen verdächtiger Inhalte. Ein externer Dienstleister suche nach Inhalten, die gegen die Soundcloud-Richtlinien verstießen. Soundcloud verbiete eindeutig Inhalte, die Hass und Gewalt aufgrund der Herkunft und Identität förderten.
"Ein Kampf gegen die Windmühlen"
Die Plattform fällt mit ihren Inhalten unter das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Demnach sind die Betreiber dazu verpflichtet, rechtswidrige Inhalte nach spätestens 24 Stunden zu löschen - wenn sie ihnen gemeldet werden. Sie müssen aber nicht selbst aktiv nach diesen Inhalten suchen.
Für den Hamburger Medienrechtsexperten Stephan Dreyer vom Hans-Bredow-Institut ist die aktuelle Rechtslage "ein Anreiz zum Wegschauen". Auch die deutschen Behörden und andere Meldestellen hätten Soundcloud als Plattform bisher kaum auf dem Schirm.
Im Mai dieses Jahres hatten das Bundeskriminalamt und fünf weitere europäische Polizeibehörden Soundcloud mehr als 300 Lieder aus dem Bereich Rechtsextremismus gemeldet. "Aber jetzt, ein paar Wochen später, findet man das Material natürlich wieder auf der Plattform. Es ist ein Kampf gegen die Windmühlen", sagt Dreyer. Immerhin: Auf europäischer Ebene soll der Rechtsrahmen für Plattformen bald im Digital Services Act neu geregelt werden.
Mögliche Konsequenzen für Bundeswehrsoldaten
Schon für Zivilisten kann der digitale "Daumen hoch" zu einem Strafverfahren führen - für Soldatinnen und Soldaten sind die Regeln noch strenger. Ein Sprecher des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) schreibt uns dazu: "Das Hören, Liken und Teilen von rechtsextremistischer Musik stellt immer einen tatsächlichen Anhaltspunkt für Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung dar und löst eine nachrichtendienstliche Verdachtsfalloperation aus." Vor diesem Hintergrund dürfte wohl mittlerweile auch gegen Philipp K. ermittelt werden. Äußern will sich der Dienst dazu nicht.
Wie vereinbart K. Neonazi-Musik mit seinem Eid auf die freiheitlich demokratische Grundordnung? "Gerade als Soldat sollte ich auf keiner Seite stehen. Ich muss ja immer neutral sein und es hat die ganzen Jahre immer funktioniert", sagt er dem NDR und dem SWR und gibt sich reumütig: "Ich bin von mir selbst geschockt. Ich habe mich selbst enttäuscht irgendwo und bin auch ein bisschen traurig darüber."
K. hat seine Soundcloud-Likes zwar mittlerweile gelöscht. Weil der Aktivist "Frosch" ihn und andere User aber längst gemeldet hatte, werden die Klicks für ihn wohl dennoch Konsequenzen haben. Soundcloud hat da weniger zu befürchten: Solange sich die Rechtslage nicht ändert, bleibt das Hosten von extremistischen Inhalten für die Plattformen fast immer folgenlos.