Soldat am Handy

Bundeswehr: Rechtsextreme bleiben, Informant muss gehen

Stand: 05.03.2020 15:30 Uhr

Rechtsextreme Soldaten zeigen in den sozialen Netzwerken ungeniert ihre Gesinnung - aber statt alle zu entlassen, trennt sich die Bundeswehr vom Whistleblower, der sie gemeldet hat.

von Caroline Walter und Katrin Kampling

Bis vor kurzem war Patrick J. Unteroffizier bei den Fallschirmjägern. Jetzt ist er arbeitslos, muss sich neu orientieren: Seine Dienstzeit bei der Bundeswehr wurde nicht verlängert. "Ich war definitiv geschockt in dem Moment, als ich ins Dienstzimmer gerufen wurde", erzählt Patrick J. Dabei hat er nur getan, was von Soldaten erwartet wird: Rechtsextreme in der Truppe zu melden.  

VIDEO: Bundeswehr: Rechtsextreme bleiben, Informant muss gehen (8 Min)

"Durch und durch rechts"

Patrick J. war Unteroffizier bei den Fallschirmjägern
Patrick J. war bei den Fallschirmjägern. In den sozialen Medien stieß er auf mehrere rechtsextrem gesinnte Soldaten und meldete er sie beim MAD. Entlassen wurden sie scheinbar nicht.

Ein Beispiel: Im vergangenen Jahr machte er die Bundeswehr auf den Fall eines Soldaten aufmerksam, der sich auf Instagram als Wehrmachtsfan präsentiert. In einem Chat offenbart dieser: "Ich bin durch und durch rechts" - und erzählt, dass er schon in der Schule mit seiner Gesinnung aufgefallen sei. Mehrfach sei er wegen Holocaustleugnung beim Rektor gewesen. Doch trotz dieser Erkenntnisse ist der Soldat nach Panorama-Recherchen noch in der Bundeswehr.

"Für mich persönlich ist es nicht nachvollziehbar, dass man mich als ungeeignet vorzeitig aus der Bundeswehr entfernt und demgegenüber Soldaten, die einen deutlichen Bezug zum Rechtsextremismus aufweisen, im Dienstverhältnis verbleiben", sagt Patrick J.

"Ein verheerendes Signal"

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer betonte noch Ende 2019, man wolle entschieden gegen Extremisten in der Truppe vorgehen.

Dabei behauptet die Bundeswehrführung immer wieder öffentlich, dass sie entschieden gegen Extremisten durchgreife. "Jeder, der in irgendeiner Art und Weise radikal bei der Bundeswehr auffällt, hat in der Bundeswehr keinen Platz", sagt etwa Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer bei einem Truppenbesuch Ende 2019.

Für den Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz ist die Entlassung Patrick J.s "ein verheerendes Signal": "Das schadet der Bundeswehr auch in ihrem Ansehen", stellt er fest. Niemand wolle einen Generalverdacht gegen Soldaten - "aber es ist wichtig, dass bei den drastischen Fällen, die wir kennen, entschlossen gehandelt wird; und daran mangelt es."

Fehlende Konsequenz

Patrick J. ist in den sozialen Medien auf mehrere rechtsextrem gesinnte Soldaten gestoßen. Er hat sie dem Militärischen Abschirmdienst MAD gemeldet, der dafür zuständig ist, Extremisten in der Bundeswehr zu ermitteln.

Militärischer Abschirmdienst MAD
So manche Entlassung scheitere wohl an den Bundeswehrvorgesetzten, so ein ehemaliger MAD-Offizier gegenüber Panorama.

Panorama konfrontiert das Amt mit den Fällen, die Patrick J. gemeldet hat. Der MAD prüfe "in jedem Fall, ob tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen vorliegen", teilt ein Sprecher des Militärischen Abschirmdienstes mit. Allerdings: "Der MAD kann […] selbst keine Disziplinarmaßnahmen ergreifen und niemanden aus der Bundeswehr entlassen." Diese Entscheidung träfen die zuständigen Vorgesetzten der Soldaten. Das Verteidigungsministerium äußert sich gegenüber Panorama nicht zu den konkreten Fällen.

An so manchen Bundeswehrvorgesetzten seien Entlassungen in der Vergangenheit oft gescheitert, berichtet ein hochrangiger ehemaliger MAD-Offizier: "Der MAD stellte in seinem Bericht fest, dass es ein Extremist war. Und dann kamen von Kommandeuren so Aussagen wie: den brauche ich für Afghanistan oder: der ist Spezialist, auf den kann ich nicht verzichten oder: ach, in der Truppe hat er doch noch nichts gemacht. Das hat mich schon aufgeregt."

Bis zu 20 Prozent rechtsextreme Soldaten?

Ein aktiver Bundeswehroffizier des Heeres schildert Panorama, dass er selbst erlebt habe, wie rechtsextreme Soldaten geschützt wurden, statt sie zu entlassen. Die aktuellen Zahlen des MAD von mehr als 550 Verdachtsfällen hält der Offizier nur für die Spitze des Eisberges. "Ich bin überzeugt, dass es 15 bis 20 Prozent der Soldaten sind, die rechtsextrem sind", sagt der Bundeswehr-Insider." Würde man tatsächlich durchgreifen, hätte die Bundeswehr auf einmal erheblich weniger Personal." Das sei aber nicht gewünscht, und deshalb schaue man bei etlichen Fällen nicht genauer hin.

VIDEO: "Mehr Wissen und mehr Personal in die Sicherheitsbehörden" (2 Min)

Das Verteidigungsministerium weist diese Kritik von sich. Man verfolge "in diesem Bereich eine 'Null-Toleranz-Linie'" und gehe "jedem Verdachtsfall mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln nach".

Weitere Informationen
Hitlergruß bei der Verabschiedung eines Kompaniechefs des KSK? © NDR

KSK Oberstleutnant wegen Hitlergruß vor Gericht

Wegen eines Hitlergrußes steht ein ehemaliger KSK-Kompaniechef ab Februar 2019 vor Gericht. Dabei wird auch zu klären sein, ob die Elitesoldaten bei internen Untersuchungen zuvor die Wahrheit sagten. mehr

Hitlergruß bei der Verabschiedung eines Kompaniechefs des KSK? © NDR

Hitlergruß? Ermittlungen gegen Kompaniechef

Rechtsrock und Hitlergruß auf einer Verabschiedungsfeier für den Kompaniechef? Bundeswehr und Staatsanwaltschaft haben Ermittlungen wegen möglicher rechtsradikaler Vorfälle aufgenommen. mehr

Soldatenjacken mit der Deutschlandfahne hängen auf einer Stange. © imago Foto: Gerhard Leber
2 Min

Tradition: Rechter Korpsgeist in der Bundeswehr

Zeugt der Skandal um Bundeswehroffizier Franco A. von "Haltungsproblemen" und "Führungsschwäche"? Ein Problem mit "rechtem Korpsgeist" hat die Truppe jedenfalls schon länger. 2 Min

Stiefel von Bundeswehrsoldaten © dpa

Videos, Parolen, Überfälle - Rechtsradikale in der Bundeswehr

"Besondere Vorkommnisse" gab es bei der Bundeswehr, die gerade bei der Oderflut und beim Bosnien-Einsatz einen neuen Legitimations- und Motivationsschub bekommen hatte. Wieder ein Video, wieder Gewaltverherrlichung, diesmal noch garniert mit antisemitischen Sprüchen. Unser Bundesverteidigungsminister ist - wie wir alle - angemessen empört über die Schwarzen, nein, besser: die braunen Schafe. Aber ob das nicht gleich eine ganze Herde ist, will er so genau gar nicht wissen. Eine Studie über Rechtsradikalismus in der Bundeswehr soll es nicht geben, denn das stelle, so Volker Rühe, die Truppe unter "Generalverdacht". mehr

Bundeswehr: Rechtsextreme bleiben, Informant muss gehen

Der Panorama-Beitrag vom 5. März 2020 als PDF-Dokument zum Download. Download (82 KB)

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 05.03.2020 | 21:45 Uhr

Es fehlt etwas?

Computertastatur © picture-alliance Foto: Christian Ohde

Kontakt zur Redaktion

Sie vermissen einen Beitrag oder ein Video ist nicht abspielbar? Schreiben Sie uns, wir kümmern uns darum. mehr

Weitere Informationen

Kalender © Fotolia.com Foto: Barmaliejus

Panorama-Geschichte

Als erstes politisches Fernsehmagazin ging Panorama am 4. Juni 1961 auf Sendung. Die Geschichte von Panorama ist auch eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. mehr

Anja Reschke © Thomas & Thomas Foto: Thomas Lueders

60 Jahre Panorama

60 Jahre investigativ - unbequem - unabhängig: Panorama ist das älteste Politik-Magazin im deutschen Fernsehen. mehr

Panorama 60 Jahre: Ein Mann steht hinter einer Kamera, dazu der Schriftzug "Panorama" © NDR/ARD Foto: Screenshot

Panorama History Channel

Beiträge nach Themen sortiert und von der Redaktion kuratiert: Der direkte Einstieg in 60 Jahre politische Geschichte. mehr