Eine Liebe in Afghanistan: Von Deutschland verraten
Deutschland hatte versprochen, Tausende gefährdete Afghanen in Sicherheit zu bringen. Aber die Behörden sind so langsam, dass es für manche bereits zu spät ist - wie für Khadija Panahi.
Als Mohsen Qiasi und Khadija Panahi im Oktober 2022 ihren Antrag für das deutsche Bundesaufnahmeprogramm abschicken, glauben sie noch an eine gemeinsame Zukunft in Deutschland. Das Ehepaar ist jung, liberal, mutig - als freies Kamerateam in Afghanistan haben sie auch für das ARD-Magazin Panorama und STRG_F gearbeitet.
Deutschland hatte nach der Machtübernahme der Taliban 2021 versprochen, solche besonders gefährdeten Afghaninnen und Afghanen nach Deutschland zu holen. Bis zu 1.000 Personen sollten monatlich über das Bundesaufnahmeprogramm (BAP) aufgenommen werden. Doch zwischen Versprechen und Wirklichkeit lagen schon damals Welten. Nach einem Jahr hatte Deutschland 13 Personen tatsächlich aufgenommen. 13 anstatt der angekündigten 12.000.
Auch Mohsen und Khadija hatten bereits ein Jahr auf eine Antwort von deutschen Behörden gewartet.
Die Bombe detoniert auf dem Heimweg
Dann, der 6. Januar 2024. Khadija ist gerade im Bus auf dem Weg zurück vom Englisch-Kurs. Das Ehepaar gehört der ethnischen und religiösen Minderheit der Hazara an, die vorwiegend im Stadtteil Barchi in Kabul leben. Das macht sie zusätzlich zum Feindbild von Islamisten. In diesem Stadtteil kommt es zu dieser Zeit immer wieder zu Anschlägen von IS-Terroristen. So auch an diesem Tag.
Die Bombe detoniert direkt am Bus, in dem Khadija gerade nach Hause fährt. Der Bus brennt vollständig aus. Khadija stirbt.
"Ich hätte niemals gedacht, dass sie auf diese Art geht. Das hatte sie nicht verdient. Wir hatten noch so viele Träume", schreibt Mohsen zwei Tage nach dem schlimmsten Tag seines Lebens. Wenige Monate später kommt die Aufnahmezusage aus Deutschland - für Khadija zu spät.
Tausende Afghanen warten in Pakistan auf ihre Ausreise
Um die deutsche Zusage einzulösen, wird Mohsen aufgefordert, nach Pakistan auszureisen, wo er auf einen Termin zur weiteren Sicherheitsüberprüfung in der deutschen Botschaft in Islamabad warten müsse. Er reist dorthin - seitdem wartet er, mittlerweile seit acht Monaten.
Wie Mohsen harren in Islamabad etwa 2.800 Afghaninnen und Afghanen mit gültiger Aufnahmezusage aus Deutschland aus. Auch sie warten - auf Papiere, auf eine Entscheidung, auf ihr Leben. Doch die Stimmung in Deutschland hat sich gedreht. Mit jeder Debatte über Abschiebungen, mit jedem Attentat. Auch durch Täter aus Afghanistan. Die Empathie von einst ist einem politischen Überbietungswettbewerb der Abschottung gewichen.
Neue Bundesregierung will Programm beenden
Jetzt will die kommende Bundesregierung das Bundesaufnahmeprogramm endgültig beenden. Was mit denen passiert, die längst eine deutsche Zusage haben, weiß niemand. Auf Anfrage von Panorama teilen Union und SPD mit, dass sie sich derzeit nicht zu dieser Frage äußern möchten.
Für Mohsen und die anderen geht es um ihr Leben. Und darum, ob ein Land sein Versprechen hält - oder es zu spät kommt. Wie bei Khadija.
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