Das Klima im Kohleland
Um die Erderhitzung zu bremsen, drängen Klimaforscher auf einen schnelleren Kohleausstieg. Doch wie sehen das die Menschen im Braunkohlerevier in Südbrandenburg?
Ein großes Baggerrad schaufelt staubige Kohle auf ein Förderband. Vom Tagebau Welzow in Südbrandenburg wird sie ins nahegelegene Kraftwerk gebracht, um dort Energie zu erzeugen. Den Bagger steuert Silke Butzlaff. Die 57-Jährige ist stolz auf ihre Arbeit. "Wenn das Licht angeht und in den kalten Monaten Wärme aus meiner Heizung kommt, dann weiß ich, dass ich dafür gearbeitet habe", sagt Butzlaff.
Kohle heizt das Klima auf
Doch die Kohle sorgt nicht nur für Energie. Sie heizt auch das Klima auf. Deshalb ist der Ausstieg längst gesetzlich beschlossen. Bis spätestens 2038 muss mit dem Abbau Schluss sein. Dabei fordern Klimaforscher sogar, den Kohleausstieg noch weiter zu beschleunigen.
"Wir müssen viel schneller werden", sagt Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Kohle sei der klimaschädlichste fossile Energieträger, sagt Latif im Interview mit dem ARD Magazin Panorama. Wenn man die Erderwärmung begrenzen wolle, müsse man schnellstmöglich raus aus der Kohle.
Klimaschutzministerium: Keine Gespräche zu vorgezogenem Kohle-Ende
Eigentlich hatte auch die Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgeschrieben, den Kohleausstieg "idealerweise" auf 2030 vorzuziehen. Doch davon ist heute nicht mehr viel zu hören. Auf Nachfrage bestätigt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, dass aktuell zu einem beschleunigten Ausstieg aus der Braunkohleverstromung im Osten keine Gespräche stattfänden.
Für den Kohlekonzern LEAG, der Lausitz Energie Kraftwerke AG, ist ein deutlich schnellerer Kohleausstieg sowieso keine Option. Man könne nicht einfach einen Hebel umlegen, sagt der Vorstandsvorsitzende Thorsten Kramer, schließlich gehe es um den Umbau einer ganzen Region und um Arbeitsplätze. Vor dem Ausstieg seien außerdem Investitionen in den Ausbau von Speicherkapazitäten und in die Entwicklung wasserstofffähiger Kraftwerke nötig.
Auch die Baggerfahrerin Silke Butzlaff hat große Zweifel, dass ein vorgezogener Kohleausstieg gelingen kann. "Das sind ja Dimensionen, ich glaube, dass braucht ein bisschen mehr Zeit", so Butzlaff.
Mehr als zwei Drittel der Menschen in der Lausitz sprechen sich gegen ein Vorziehen des Kohleausstiegs von 2038 auf 2030 aus. Das hat eine Umfrage für den sogenannten Lausitz-Monitor in diesem Jahr ergeben. Etwa die Hälfte der Befragten ist sogar gegen den vereinbarten Kohleausstieg bis 2038. Und dieser Anteil ist zuletzt gestiegen.
Erderwärmung: Hitzewellen und Überschwemmungen nehmen zu
Klimaforscher Mojib Latif warnt, dass sich die Auswirkungen der globalen Erwärmung schon heute zeigen. Hitzewellen, Starkregen und Überschwemmungen würden zunehmen, zu enormen Schäden und auch zu Todesopfern führen.
"Der Klimawandel ist in voller Fahrt", sagt Latif, der auch Präsident der Hamburger Akademie der Wissenschaften ist. Für den Klimaforscher ist klar, dass man die Energiewende beschleunigen muss. Deutschland sei nicht auf Kurs, das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten.
"Wir kämpfen einfach ein bisschen gegen die Zeit", räumt der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), ein. Im Interview mit Panorama sagt er, Deutschland sei zu lange zu langsam gewesen. Gleichzeitig erklärt der Minister, dass es heute nicht viel schneller ginge. Beim Ausbau der Erneuerbaren und bei den Stromnetzen habe man bereits die Beschleunigung eingelegt.
Steigender CO2-Preis könnte zu früherem Ausstieg führen
Doch das Kohle-Ende könnte aus ganz anderen Gründen früher kommen - durch die Rahmenbedingungen des Marktes. Denn Energieunternehmen müssen einen Preis für klimaschädliche Emissionen zahlen. Und dieser CO2-Preis wird voraussichtlich steigen. Dadurch könnte sich das Geschäft mit der Kohle schon bald nicht mehr lohnen.
Baggerfahrerin Silke Butzlaff hofft vor allem, dass die Energiewende am Ende gelingt, und nimmt es pragmatisch: "Meine Oma hat immer gesagt, das Alte muss das Neue begleiten, bis es auf eigenen Füßen stehen kann, genau das tun wir jetzt."