Pensionsfonds: Bundesregierung investiert in Öl, Kohle, Gas
Um die Pensionen von Bundesbeamten, Richtern und Soldaten zu finanzieren, investiert der Bund Milliarden in klimaschädlich Aktien.
Vielleicht, könnte man sagen, haben sie der Erde im kanadischen Fort McMurray schlicht die Haut abgezogen. Haben den dichten, spitzen Tannenwald quadratkilometerweit abrasiert, tonnenweise Mutterboden abgefräst und die Landschaft in ein Labyrinth aus Bergbaukratern verwandelt. Hier, wo die Fernstraße von Edmonton unvermittelt im Nirgendwo endet, graben dinosauriergroße Bagger nach einer dieselstinkenden Schlacke, die Experten "Ölsande" nennen. Umweltschützer nennen die Förderprojekte in der Provinz Alberta "CO2-Bomben", Klimakiller. Beteiligt dabei auch: der Ölriese ExxonMobil.
Pensions-Portfolios des Bundes erstaunlich dreckig und klimaschädlich
Auch deutsche Pensionärinnen und Pensionäre dürften sich für das Tausende Kilometer entfernte Ölprojekt in der kanadischen Weite interessieren: Denn Aktien des Ölmultis ExxonMobil liegen auch in den Pensionsfonds des Bundes für seine Beamten. Mit knapp 50 Milliarden Euro aus vier Sonderfonds will der Bund künftig die Pensionen von Bundesbeamtinnen und -beamten, also etwa Soldatinnen und Soldaten oder Bundesrichterinnen und -richtern, bezuschussen. Doch während das verantwortliche Bundesinnenministerium beteuert, dabei "einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz" zu leisten, legen Panorama-Recherchen ein anderes Bild nahe: In den Pensions-Portfolios des Bundes geht es erstaunlich dreckig und klimaschädlich zu.
Weil Steuergeld allein nicht mehr reicht, um die Pensionen der Bundesbeamten zu finanzieren, investiert der Bund seit einigen Jahren auch an der Börse. In Vehikeln mit sperrigen Namen wie "Versorgungsrücklage", "Versorgungsfonds" oder "Pflegevorsorgefonds" haben die staatlichen Geldverwalter inzwischen ein Vermögen von rund 50 Milliarden Euro angehäuft, davon liegen mehr als zehn Milliarden Euro in Aktien.
Klimaschutz und Nachhaltigkeit großgeschrieben?
Eigens für dieses Milliardenvermögen hatte der Bund im vergangenen Jahr zwei grüne Aktienindizes mit insgesamt rund 140 Aktien zusammenstellen lassen, denen er mit einem Teil des Pensionsgelds eins zu eins folgen will. Monatelang hatten sich Ministerialbeamte, Nachhaltigkeitsberater und Portfolioverwalter darüber den Kopf zerbrochen. "Künftig werden auch Klimaschutz und Nachhaltigkeit großgeschrieben, wenn es um die Anlage der Pensionsfonds geht", hieß es aus dem Bundesinnenministerium am Ende.
Öffentlich überprüfen lässt sich diese Behauptung nicht, denn auch auf Nachfrage zeigen sich die Ministerialbeamten erstaunlich zugeknöpft, rücken allenfalls 20 der 140 Aktiennamen freiwillig heraus. Panorama allerdings liegen mehrere Listen vor, die zeigen, dass in den Aktienindizes der Berliner Börsen-Beamten auch eine Handvoll fossiler Aktien wie ExxonMobil steckten. Auf mehrfache Nachfrage von Panorama muss der Bund eingestehen, dass er gar mehr als eine halbe Milliarde Euro in Titel mit Kohle-, Öl- und Gasgeschäft investiert hat.
Öltitel steigen an der Börse
Warum der Bund an seinen fossilen Investments festhält, lässt sich am Frankfurter Börsenparkett beobachten. In einem der weiß leuchtenden Rondelle im Handelssaal blickt der Analyst Robert Halver auf einen seiner vielen Finanzcomputer und malt mit seinem Finger den Kurs der Exxon-Aktie nach: "Was läuft sind die alten Energieträger des fossilen Zeitalters", sagt der Kapitalmarktstratege der Baader Bank, "weil man gutes Geld verdient und sie auch recht hübsche Dividenden zahlen." Halvers Erkenntnis? Während viele andere Aktien seit Jahresbeginn in die Knie gegangen sind, haben Öltitel wie Exxon meist profitiert. Hätte der Bund die Fossil-Titel also aus seinen Anlagen ausgeschlossen, hätte er mutmaßlich auf Rendite verzichtet.
Das ahnten wohl auch die Beamten im Bundesinnenministerium, als sie ihre vermeintlich grünen Börsenindizes konstruieren ließen. Besonders umstrittene Anlagen etwa in Hersteller von Streubomben, Kernkraftwerke oder Tabakfirmen sind in den Staatsportfolios seit rund einem Jahr tabu, ansonsten aber solle "der Ausschluss ganzer Branchen vermieden werden", heißt es vom Ministerium. Bei den fossilen Energien handele es sich bloß noch um "Brückentechnologien", gerade angesichts der angespannten Versorgungslage sei die Gesellschaft aktuell darauf angewiesen.
Nicht zwingend auf fossile Aktien angewiesen
Eine Sichtweise, die Klimaschützer erzürnt: "Der Bund und speziell das Bundesinnenministerium muss seine Aktien aller Fossil-Konzerne sofort verkaufen, wenn es nicht als Klimakiller dastehen will", sagt Mathias von Gemmingen, der sich bei der Klimaorganisation "Fossil Free Berlin" seit Jahren mit den staatlichen Pensionsinvestments beschäftigt.
Selbst Experten haben nämlich Zweifel, ob das Pensionsgeld des Bundes tatsächlich zwingend auf die fossilen Aktien angewiesen ist. Zumal manche privatwirtschaftliche Fondsanbieter Kohle, Öl und Gas schon längst hochkant aus ihren Fonds herausgeworfen haben. Für Finanzprofessor Andreas Hackethal von der Frankfurter Goethe-Universität könnte ein Ausschluss fossiler Aktien aus den staatlichen Pensionsfonds aber Signalwirkung haben: "Ansonsten ist der Bund angreifbar, sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen zu schreiben und hier nicht genau hinzuschauen", sagt Hackethal.
Klimaaktivisten verweisen auf das Vorbild des Berliner Senats: Auch das Land Berlin war mit seinen Pensionsfonds noch vor wenigen Jahren schlicht dem deutschen Leitindex DAX und dem europäischen Börsenbarometer Eurostoxx 50 gefolgt, damit also auch fossilen Aktien. 2016 jedoch ließ das Land einen nachhaltigen Aktienindex konstruieren, der fossile Aktien schlichtweg ausschließt. Ob der Bund unter der neuen Ampelkoalition bei seiner Nachhaltigkeitsstrategie noch einmal nachbessern wird, ist derzeit unklar.
Auf Panorama-Anfrage bestätigte ExxonMobil im Übrigen, Ölsande im kanadischen Alberta zu fördern. Exxon bemühe sich aber immer, seine Technologien zu verbessern und die Auswirkungen auf Land, Wasser und Luft zu reduzieren.