Umweltfreundliche Staatsbank? KfW-Bank finanziert Kreuzfahrtschiffe
Die Kreuzfahrtindustrie kennt seit 20 Jahren nur eine Richtung: steil nach oben. In dieser Zeitspanne hat sich die Zahl der deutschen Passagiere mehr als versiebenfacht. 2018 gingen 2,23 Millionen Deutsche auf Kreuzfahrt. In Europa waren es 7,5 Millionen, weltweit 30 Millionen. Aus dem Wachstum zieht die Branche einen wesentlichen Schluss: Das Wachstum wird weitergehen.
Die Kritik, die der Kreuzfahrtindustrie aus überlaufenen Zielorten wie Venedig und Amsterdam entgegenschlägt, die Bedenken wegen des ökologischen Fußabdrucks, die Fridays-for-Future-Proteste gegen die mutwillige Erhitzung des Klimas durch den Ausstoß von immer mehr Treibhausgasen: All dies scheint die Manager der Reedereien nicht zu beirren. Sie bestellen immer mehr Kreuzfahrtschiffe. 290 sind im Moment auf den Weltmeeren unterwegs. 140 weitere seien geordert, trägt Michael Thamm, der Vorsitzende der Europa-Sektion des Kreuzfahrtverbandes CLIA, dem Fachpublikum auf der Messe "Seatrade" in Hamburg mit Genugtuung vor. Diese neuen Schiffe würden im Laufe der kommenden acht Jahre ausgeliefert, sagte Thamm.
Staatskredite in Höhe von 8,4 Milliarden Euro
Die Manager von Aida, TUI Cruises und Hapag Lloyd Cruises schwärmen auf der Hamburger Messe vom "Wachstumspotenzial" und von der Vergrößerung ihrer Flotte.
Wie läuft die Finanzierung der neuen Schiffe konkret und wer trägt das wirtschaftliche Risiko? Man hängt es nicht an die große Glocke, aber es ist auch kein Geheimnis: Die deutsche Staatsbank KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) ist über ihre 100-prozentige Tochter KfW-Ipex zu einem international führenden Finanzierer von Kreuzfahrtschiffen aufgestiegen. 8,4 Milliarden Euro betrage das Volumen der laufenden Kredite, teilt ein KfW-Sprecher auf Anfrage von Panorama 3 mit. 73 Schiffe würden mit dem Geld finanziert. 28 davon würden erst noch gebaut.
Auf Anfrage von Panorama 3 teilte eine Sprecherin von TUI Cruises mit, das Unternehmen sei auf die Staatskredite nicht angewiesen, man habe genug andere Banken. Der Sprecher von AIDA hingegen begrüßte in einer Antwort an Panorama 3 die Kredite der KfW.
Wirtschaftliche Risiken liegen beim Steuerzahler
Da die Käufer der Schiffe meist im Ausland sitzen, gewährt die Bundesregierung zur Absicherung der Geschäfte sogenannte Hermes-Bürgschaften.
Den Umweltschaden tragen in erster Linie die Bewohner der angelaufenen Hafenstädte, die Klimafolgen trägt die Allgemeinheit. Die wirtschaftlichen Risiken schultert vor allem der deutsche Steuerzahler. Sollten die Kredite ausfallen, bleiben die Schulden an ihm hängen. Das Ausfallrisiko sei "äußerst gering", erklärt eine KfW-Sprecherin gegenüber Panorama 3. Die Kreuzfahrt boome ja.
Der haushaltspolitische Sprecher der CDU, Eckhardt Rehberg, begrüßt das alles. Von den KfW-Krediten profitierten die Meyer-Werft in Papenburg und die MV-Werften in Rostock und Wismar, wo viele KfW-finanzierte Kreuzfahrtschiffe gebaut werden. Das seien "Industrie-Unternehmen in strukturschwachen Regionen", so Rehberg.
Wie kann das alles sein? Wie passt das zum "Klimakonzept" der Bundesregierung, mit dem Treibhausgasemissionen gesenkt werden sollen?
Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, hält die Vergabe von Krediten für Kreuzfahrtschiffe durch die staatseigene KfW für eine "Fehlentwicklung". Da müssten Regierung und Parlament gegensteuern. Über den Verwaltungsrat habe die Politik Einfluss auf die Vergabe-Richtlinien der staatseigenen Bank. "Wenn die KfW-Ipex Schiffe mit fossilen Brennstoffen fördert, dann müssen wir das sehr kritisch sehen," meint Binding im Interview mit Panorama 3. Die Politik müsse mit dem Vorstand der KfW "eine Diskussion führen," so Binding. "Für die Zukunft muss sich an der Stelle etwas ändern."
"Green Cruising" - umweltfreundlichere Kreuzfahrt?
Alle von der KfW-Ipex finanzierten Kreuzfahrtschiffe werden mit fossilen Brennstoffen angetrieben, die viel klimaschädliches Kohlendioxid ausstoßen. Die KfW betont, dass sie mit der "Aidanova" das erste Kreuzfahrtschiff finanziere, das mit Flüssiggas (LNG) fährt, und dass auch weitere mit Krediten geförderte Schiffe mit diesem Treibstoff angetrieben würden. "Green Cruising", nennt die KfW dieses "Konzept", das die Kreuzfahrt umweltfreundlicher machen soll. LNG reduziert den Ausstoß von Stickoxiden, Ruß und Schwefel erheblich. Aber bei den Treibhausgasen ist die Bilanz kaum günstiger als bei herkömmlichen Brennstoffen. Flüssiggas ist eben auch ein fossiler Energieträger.
Im Falle zweier Schiffe, die von den MV-Werften in Rostock-Warnemünde und Wismar gebaut werden, behandelt die KfW die Treibstofffrage recht diskret. Es sollen die weltweit bislang größten Kreuzfahrtschiffe werden, mit bis zu 9.500 Passagieren pro Schiff. Bestellt hat sie der ostasiatische Freizeitkonzern Genting, der bei der Gelegenheit die MV-Werften übernommen hat. In der Pressemitteilung, in der die KfW verkündet, einen Kredit für die beiden Mega-Kreuzfahrtschiffe "Global 1" und "Global 2" über 2,6 Milliarden Euro zu "strukturieren", ist von Klima, Umwelt und "Green Cruising" erst gar nicht die Rede. Hier reichen die "Arbeitsplätze", 3.000 laut KfW und die Stärkung des Wirtschafts-Standortes als Argumente für die Kreditvergabe.
Auf Nachfrage räumt die KfW ein, dass die beiden Riesenschiffe mit "konventionellem Treibstoff" fahren werden. Im Klartext: mit Marinediesel und Schweröl, dem schmutzigsten Schiffsbrennstoff, den es gibt. Der KfW-Sprecher betont, dass die ab 2020 geltenden, etwa im Hinblick auf den Schwefelausstoß, verschärften Abgasregeln der "International Maritime Organization" (IMO) eingehalten würden. Auch ein Sprecher der MV-Werften verweist auf die in den Mega-Schiffen eingebauten Systeme zur "Abgasnachbehandlung".
Arbeitsplätze vor Klimaschutz
In einer Pressemitteilung zum Bau der Riesenschiffe machen die MV-Werften die technologische Fortschrittlichkeit der Riesenschiffe an anderen Merkmalen fest. Da heißt es, an Bord würden ein "Themenpark inklusive Achterbahn mit virtueller Realität und ein Multiplexkino" errichtet. Es werde umfangreiche "Shopping-Möglichkeiten" geben. Und außerdem würden die 9.500 Gäste von einer automatischen "Gesichtserkennung" profitieren.
CDU-Mann Eckhardt Rehberg, der seinen Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern hat, verteidigt die Kredite für den Freizeitkonzern Genting. Das Geld von der KfW-Ipex sei der entscheidende Anreiz für das Unternehmen, die beiden Schiffe in Mecklenburg-Vorpommern bauen zu lassen. "Mir sind diese Arbeitsplätze wichtig," sagt Rehberg im Interview mit Panorama 3 und bekräftigt, dass ohne den KfW-Kredit und die Hermes-Deckungen der Bundesregierung die Schiffe in China, Frankreich oder Italien gebaut würden. "Der CO2-Ausstoß wäre dann der gleiche," so Rehberg.
"Das falsche Signal"
Welche Anreize setzen hier der Staat und seine Bank? Sind die Projekte wirtschaftlich erfolgreich, schaden sie unweigerlich Klima und Umwelt. "Das ist das falsche Signal," meint Thomas Jorberg, Vorstand der GLS-Bank, die ihren Hauptsitz in Bochum hat. "Wir prüfen die ökologischen und sozialen Folgen unserer Kredite. Das führt dazu, dass wir niemals in den Bau von Kreuzfahrtschiffen investieren würden."
Jorberg hat am vergangenen Freitag die Bankzentrale geschlossen, um mit seinen Mitarbeitern an der "Fridays-for-Future"-Kundgebung in der Bochumer Innenstadt teilzunehmen. "Klimastreik" steht auf dem Banner, das die Bankmitarbeiter tragen. Jorberg ist überzeugt, dass der Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen steigen wird. Deshalb hätten Kredite für Kreuzfahrtschiffe "ein hohes Ausfallrisiko" Diese Investitionen drohten zu "stranded assets" zu werden, also zu gestrandetem Kapital. "Der Begriff passt bei Kreuzfahrtschiffen besonders gut," meint Jorberg.
Feuerwerk und Schiffsparade bei den Cruise Days
Aber kommt in Deutschland und der Welt wirklich eine Klimapolitik, die den Betrieb fossil befeuerter Kreuzfahrtschiffe unwirtschaftlich machen wird? Die Selbstgewissheit der staatseigenen "Kreditanstalt für Wiederaufbau" und der Reedereien spricht dagegen. Auch die Hamburger "Cruise Days" zeigen in eine andere Richtung. Zwölf Kreuzfahrtschiffe, "so viele wie nie zuvor", gaben sich in der von SPD und Grünen regierten Elbmetropole Mitte September ein Stelldichein. Der Senat ist bislang nicht dadurch aufgefallen, dass er der Kreuzfahrtindustrie strenge Umweltauflagen gemacht hätte.
Ein Feuerwerk feierte im Hamburger Hafen die Ozeanriesen, die alle mit Marinediesel oder gar mit Schweröl unterwegs sind. Der NDR sah hier ein besonderes Berichterstattungsinteresse und übertrug die Kreuzfahrt-Party live im Fernsehen, mehr als anderthalb Stunden lang. Eine Werbung für die Branche, die im Jahr 2030 sechs Millionen Deutsche auf Kreuzfahrt schicken will, fast drei Mal so viele wie heute.
Der Wille zur Kreuzfahrt scheint zu triumphieren, über alle Kritik. Lothar Binding, der SPD-Fachmann für Finanzen, findet das bedenklich. "Ich bin mir nicht sicher, ob wir Freizeitindustrie in dieser Dimension brauchen," sagt er. Der ökologische Fußabdruck sei zu hoch. "Wenn der Spaß die Zukunft verbraucht, dann ist es gefährlich und dann müssen wir neu überlegen."