HSH-Bankenrettung: Das große Scheitern
"Die Kleinen werden gegen die Wand gefahren, die Großen werden geschont"
Als würden die Reeder den gesamten Hamburger Hafen mit in den Abgrund ziehen. Vor allem im Senat scheinen das einige zu glauben. "Hamburg ist der Hafen und der Hafen ist Hamburg", sagte der Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) ganz beseelt auf der jüngsten Nationalen Maritimen Konferenz. Das bedeutet, dass man auf die Hafenwirtschaft eben Rücksicht nehmen muss. Keine Rücksicht scheint die HSH Nordbank hingegen für kleinere Reeder zu kennen, die ihre Schiffe vergleichsweise solide finanziert haben, nicht nur mit Bankdarlehen, sondern auch mit Eigenkapital. Reederin Birte Schmalfeld berichtet vom Besuch eines HSH-Vertreters in ihrem Büro in Hörsten unweit des Nord-Ostsee-Kanals.
Der Mann aus der Shipping-Abteilung habe ihr mitgeteilt, die Bank werde den Kreditvertrag für das Containerschiff Agila nicht verlängern. Durch den Verkauf habe sie den ausstehenden Kredit von 2,8 Millionen Euro komplett zurückzahlen können. Die 1,2 Millionen Euro Eigenkapital habe ihr Familienbetrieb hingegen verloren. "Die Kleinen werden gegen die Wand gefahren, die Großen werden geschont", meint Reederin Schmalfeld bitter. Mit dem Vorwurf konfrontiert, teilt die HSH mit, sie handele stets "zum Wohl der Bank". Die staatliche Bank habe mit ihrer völlig enthemmten Kreditvergabepolitik bis 2008 den Schiffsmarkt nachhaltig kaputt gemacht, meint Birte Schmalfeld. "Es ist einfach zu viel Tonnage auf dem Meer. Deshalb sind die Charterraten im Keller", sagt sie. Viele sehen es genauso. "Unser Geschäftsmodell hat keine Zukunft mehr", bekennt ein Kollege aus dem Alten Land.
Dürftige Aufarbeitung
Angesichts der dramatischen Folgen scheint die Aufarbeitung des Abenteuers Schiffsfinanzierung dürftig. Obwohl dieser Geschäftsbereich
für mehr als 80 Prozent der Gesamtverluste der HSH Nordbank verantwortlich ist, haben die Abschlussberichte der parlamentarischen
Untersuchungsausschüsse dem Thema nicht einmal ein eigenes Kapitel gewidmet.
Laut bankeninternen Unterlagen aus dem Krisenjahr 2009 rechneten Mitarbeiter der HSH damals schon mit möglichen Verluste in Höhe von mehr als drei Milliarden Euro wegen fauler Schiffskredite. Doch in der Bank bog man die Prognosen für den Schiffsmarkt gegen besseres Wissen ins Positive. Nach außen müsse man eine "Storry" (sic) erzählen, wonach bald alles wieder besser werde.
Schiffskredite "nach Gutsherrenart" vergeben
Der frühere HSH-Vorstand für Schiffsfinanzierungen Peter Rieck, der die Schiffskredite einem früheren Bank-Manager zufolge "nach Gutsherrenart" vergab, verdient heute gut an der überflüssigen Tonnage, die auf den Weltmeeren dümpelt. Als Geschäftsführer einer privaten Firma wickelt er unrentable Schiffe ab, indem er zum Beispiel Insolvenzen bei Gericht anmeldet. Peter Rieck will sich dazu nicht äußern.
"Größter Schiffsfinanzierer der Welt" war das Etikett, das die HSH Nordbank sich vor knapp 15 Jahren in stolzer Selbstgewissheit zulegte. Heute kommt der Claim Marktteilnehmern und Beobachtern nur noch mit sarkastischem Unterton über die Lippen. Das versenkte Geld wird den
Bürgern von Hamburg und Schleswig-Holstein für den Wohnungsbau, Kindertagesstätten und viele andere dringende Bedürfnisse fehlen.
Die Lantau Arrow fährt zurück von Hamburg nach Danzig. Der verschuldete Besitzer Jörg Köpping hofft, dass die öffentlich-rechtliche Badbank ihn dieses und sieben weitere Schiffe noch ein paar Jahre betreiben lässt.
Dieser Text erschien zuerst am 10. Mai 2017 in der taz.
- Teil 1: Schiffe als Staatsgeheimnis
- Teil 2: "Die Kleinen werden gegen die Wand gefahren, die Großen werden geschont"