Höckes AfD: Resonanzraum für die "Neue Rechte"?
Björn Höcke fühlt sich wohl. Der Fraktionschef der AfD in Thüringen wirkt geradezu gelöst, während er am Rednerpult im Rittergut Schnellroda steht. Dieser Ort, sagt Höcke, sei für ihn "eine Oase der geistigen Regeneration", "ein Labsal", wenn er hier sein dürfe.
Björn Höcke ist Hauptredner der Winterakademie des "Instituts für Staatspolitik" (IfS) in Schnellroda, Sachsen-Anhalt. Ein rechter Think Tank mit Verlag, der sich in der völkischen Szene zwischen "Junge Freiheit", Burschenschaften und der Identitären Bewegung einordnen lässt. Mitte November hat die Konferenz stattgefunden, Thema: "Ansturm auf Europa", etwa 150 Teilnehmer sind gekommen.
Höckes Ansprache wurde von den Veranstaltern gefilmt. Nachdem das Video vergangene Woche ins Netz gestellt wurde, haben seine darin enthaltenden, nach Expertenmeinung rassistischen Äußerungen für Empörung gesorgt. Das Video haben die Veranstalter mittlerweile gelöscht, über seine Sprecherin ließ Björn Höcke erklären, die Vorwürfe seien "an den Haaren herbeigezogen".
Ideologische Bezüge zur nationalsozialistischen Rassenpflege
Björn Höcke schien viel freier zu sprechen in Schnellroda als im Plenum des thüringischen Landtags, wohl auch, weil er sich im Rittergut unter seinesgleichen wähnte: Kaum mehr verhüllte er laut Experten ideologische Bezüge zur nationalsozialistischen Rassenpflege - genauso wenig wie seine offenbar innige Beziehung zum Gastgeber, dem Institut für Staatspolitik, Dreh- und Angelpunkt der "Neuen Rechten", gegründet und geleitet von Götz Kubitschek. Der ist ein ehemaliger Oberleutnant, der aufgrund seiner Arbeit für die rechte Zeitung "Junge Freiheit" entlassen wurde. Die Bundeswehr war der Auffassung, er habe sich damit an "rechtsextremistischen Bestrebungen beteiligt".
Zentrum rechter und konservativer Denker
Das Institut geriert sich als Zentrum rechter und konservativer Denker, keine Hitlerfans, aber Verfechter der sogenannten "Konservativen Revolution" in der Weimarer Republik, den intellektuellen Wegbereitern des Nationalsozialismus also. Kubitschek betreibt in Schnellroda den Verlag "Antaios", macht die rechte Zeitung "Sezession", der Björn Höcke gleich nach Amtsantritt ein Interview gab. Jahrelang hat der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz das IfS beobachtet, bis die "Junge Freiheit" gegen seine Nennung im Verfassungsschutzbericht klagte und damit auch das IfS nicht mehr als "rechtsextrem" bezeichnet werden durfte.
"Geistiges Manna, enger Kontakt"
Björn Höcke sagt, er ziehe "geistiges Manna" aus den Werken, die in Schnellroda entstehen, und er duzt Götz Kubitschek in seiner Rede, spricht von ihrem "engen Kontakt". Es ist eine alte Bekanntschaft, die Höcke da offenbart. Im Februar dieses Jahres hatte Björn Höcke im Gespräch mit der Autorin seine Beziehung zu Götz Kubitschek noch heruntergespielt, sagte, dieser sei ihm vor zehn Jahren "über den Weg gelaufen". Doch mittlerweile bemüht sich Björn Höcke nicht mehr, diese Verbindung zu verschleiern. Es scheint geradezu integraler Bestandteil Höckes Politik zu sein, die ideologische Richtung des Instituts für Staatspolitik in der AfD zu verankern.
Das zeigt sich, zum Beispiel, in Björn Höckes Vorschlag, eine Fraktionssitzung der AfD Thüringen beim IfS abzuhalten. Kurz nach der Landtagswahl im September 2014, die AfD erhielt 13 Prozent, lädt er die neuen Abgeordneten nach Schnellroda ein. Die Arbeit des Instituts wird von einem Mitarbeiter vorgestellt, laut Protokoll der Sitzung werden dabei "Möglichkeiten der Zusammenarbeit erörtert". Björn Höcke kauft auf Kosten der AfD Bücher aus Götz Kubitscheks Verlag und verteilt sie an die Abgeordneten.
"Maximum an Resonanzraum für unsere Ideen"
Kurz darauf soll es eine personelle Verschränkung von IfS und AfD in Thüringen geben. Andreas Lichert, Vorstandsmitglied des IfS, bewirbt sich auf eine Referentenstelle bei der AfD-Fraktion im thüringischen Landtag. Björn Höcke will ihn als Honorarkraft einstellen, Lichert soll den Arbeitskreis "Asyl und Einwanderung" leiten, doch drei liberale Abgeordnete protestieren. Lichert würde “sehr weit rechts stehen“, steht im Protokoll der Fraktionssitzung vom 14. Januar 2015. Zu einem Vertragsabschluss kommt es nach Angaben von Andreas Lichert und Björn Höcke letztlich nicht.
Es ist ebendieser Andreas Lichert, der bei einem Burschenschaftstreffen in Bonn im Herbst 2014 über die AfD als "Maximum an Realpolitik" für das rechte Milieu des Instituts spricht. Der Sendung "Monitor" wurde ein Mitschnitt seiner Rede zugespielt. Noch sei "die Alternative" nicht bereit einen "extrem kontroversen Kurs zu fahren", sagt Lichert da, man müsse daher "die Personalpolitik in den Blick" nehmen. Dennoch habe die AfD "eine ganz wichtige Funktion, die wir natürlich auch wahrnehmen müssen". Sein Fazit: "Sie ist überhaupt das Maximum an Resonanzraum für unsere Ideen, das wir uns vorstellen können."
"Bewußtseinskastraten" und "Duckmäuser"
Götz Kubitschek, der seit Anfang des Jahres immer wieder bei Legida- und Pegida-Demonstrationen als Redner auftritt, und seine Frau, die rechte Publizistin Ellen Kositza, wollten im Frühjahr 2015 in Sachsen-Anhalt in die AfD eintreten. Als das durch den Bundesvorstand, damals noch unter AfD-Gründer Bernd Lucke, verhindert wird, kommt es zur ersten öffentlichen Friktion zwischen Björn Höcke und der AfD im Bund: Öffentlich unterstützt Höcke die "Erfurter Resolution", mit der er sich für eine stärkere rechtskonservative Ausrichtung der AfD einsetzt. In internen Emails beschimpft Björn Höcke die AfD-Führung als "Bewußtseinskastraten" und "Duckmäuser". Äußern will er sich gegenüber Panorama dazu nicht.
Auch die Frage von Panorama, ob es schon vor Björn Höckes Engagement in der AfD Absprachen zwischen ihm und Mitgliedern des Instituts für Staatspolitik gegeben hat, beantworten weder Höcke noch Kubitschek - ebensowenig wie die Frage, ob seitdem Beratungen stattfinden. Doch Björn Höcke, vormals Gymnasiallehrer für Geschichte und Sport und angetreten mit dem Slogan "Für eine Politik ohne Denkverbote", kündigt in internen Emails an, "von Thüringen aus die Republik zu verändern". Zu Beginn seiner Rede in Schnellroda, nachdem er seinem Vorredner Andreas Lichert gedankt hat, sagt er, es gebe mittlerweile allen Grund, "Hoffnung zu haben".
Björn Höcke lehnte es gegenüber Panorama ab, Stellung zu dem Vorgang zu nehmen.
Konkretisierung: In einer vorherigen Version schrieben wir, dass Götz Kubitschek seit Anfang des Jahres immer wieder bei Legida-Demonstrationen als Redner auftritt. Er tritt außerdem auch immer wieder bei Pegida-Demonstrationen als Redner auf.
Berichtigung: In einer vorherigen Version haben wir Götz Kubitschek zum Oberstleutnant gemacht. Er war allerdings nur Oberleutnant.