Stand: 29.01.2015 19:16 Uhr

AfD-Wahlkampf: Hitler-Affäre stört

von Ben Bolz & Jan Liebold

Manchmal ist es schwer, die Geister, die man rief, wieder los zu werden. Seit Wochen macht Dirk Nockemann, ehemaliger Hamburger Innensenator und einer der führenden Köpfe der AfD in der Hansestadt, Wahlkampf mit einem seiner Lieblingsthemen: Pegida-Parolen. Immer drauf auf die etablierten Parteien mit Sätzen wie "Wenn der Bürger anfängt, selbstständig zu denken, so wie das in Dresden der Fall ist, dann brennen den Herrschaften in Berlin die Sicherungen durch."

VIDEO: AfD-Wahlkampf: Hitler-Affäre stört (8 Min)

Über Bachmann muss man nicht reden?

AfD-Wahlkämpfer Dirk Nockemann.
Platte Parolen? AfD-Wahlkämpfer Dirk Nockemann.

Doch jüngst musste er sich die kritische Frage eines Rentners aus Harburg gefallen lassen, ob das nicht allzu populistisch sei: "Ich verstehe nicht, warum die AfD mit Pegida Gespräche führt. Das kann ich nicht glauben. Und was der Bachmann für ein Vogel ist, das wissen wir seit Wochen.“ Über Bachmann müsse man nicht reden, erwiderte Nockemann. Das Hitler-Foto von Pegida-Anführer Lutz Bachmann und seine Beschimpfungen von Asylbewerbern als "Dreckspack, Viehzeug, Gelumpe" hat bei den Hamburger AfD-Wahlkämpfern zu einer geschmeidigen Kurskorrektur gegenüber Pegida geführt.

"Ein Phänomen, das wir beobachten"

Plötzlich hört man von Dirk Nockemann auch solche Sätze: "Ich hätte mich mit Bachmann niemals eingelassen. Ich war vorher Innensenator, und ich muss auch aus eigener Überzeugung  genau abwägen, mit wem ich rede. Und mit jemandem, der wirklich mehrfach verurteilt worden ist, setze ich mich zunächst einmal nicht an den Tisch", sagt er gegenüber Panorama.

Weitere Informationen
Der AfD-Abgeordnete Jörn Kruse

AfD versucht, "Lügenpresse" auszutricksen

Am Wahlstand will niemand mit dem AfD-Spitzenkandidaten Jörn Kruse sprechen. Peinlich, denn ein Kamerateam ist vor Ort. Kurzerhand geben Parteiaktivisten den interessierten Bürger. mehr

Und der Hamburger AfD-Spitzenkandidat Jörn Kruse meint zum zukünftigen Verhältnis zwischen AfD und Pegida: "Wir wollen uns auch in der Öffentlichkeit natürlich nicht desavouieren lassen von Leuten, von denen man nicht weiß, was sie morgen tun. Insofern sagen wir: Das ist ein Phänomen, was wir beobachten, und das ist es auch schon."

Nur besorgte Bürger?

Es ist eine deutliche Distanzierung von dem Annäherungskurs an Pegida, den bisher vor allem die führenden AfD-Politiker Frauke Petry und Alexander Gauland betrieben hatten, und der der Partei - nachdem sich das Pegida-Organisationskomittee jetzt quasi selbst abgeschafft hat - jetzt auf die Füße fällt. Als erster Politiker besuchte Gauland im Dezember die Demonstration in Dresden und kam zu dem Ergebnis: "Ich sehe keine Rechtsradikalen. Ich sehe Bürger, die auf die Straße gehen -  aus Sorge um die Entwicklungen in Deutschland." Kurz darauf bezeichnete er Pegida als strategischen Partner der AfD, und seine Parteikollegin Frauke Petry aus Sachsen traf sich mit Bachmann und Co.

Es war der allzu plumpe Versuch einer Anbiederung an die islamkritische Bewegung, um Wähler zu gewinnen. Auch im Nachhinein sieht Gauland in dieser Strategie keinen Fehler. Auf die Frage, ob Pegida noch immer der natürliche Verbündete der AfD sei, sagte er noch vor drei Tagen: "Pegida Dresden und die Demonstranten sind noch immer natürliche Verbündete. Ja, da würde ich bei bleiben. Ich sehe nicht, weshalb sich das geändert hat. Herr Bachmann war nie mein natürlicher Verbündeter.“

Alles anders als gestern

Am 29. Januar nun ist Gauland endültig davon abgerückt, dass Pegida der natürliche Verbündete der AfD sei. "So wie es sich heute darstellt natürlich nicht. Auch das bezog sich damals auf die neue Führungsfrau Oertel und nicht auf das, was jetzt geschehen ist. Wenn sie in dieser Bewegung keine Mehrheit hat, und die vernünftigen Leute keine Mehrheit haben, dann hat sich meine Äußerung natürlich auf diese Menschen bezogen und niemals auf das, was jetzt übrig geblieben ist.“

 

Weitere Informationen
Parteichef Bernd Lucke

Kandidat und Basis: Die AfD und ihre zwei Gesichter

Zuwanderung und ungerechte Lastenverteilung in Europa: Damit beschert Parteichef Lucke der AfD regen - und vor allem rechten - Zulauf. Doch davon will er nichts hören, sieht sich als Medienopfer. mehr

AfD-Wahlkampf: Hitler-Affäre stört

Der Panorama-Beitrag vom 29. Januar 2015 als PDF-Dokument zum Download. Download (89 KB)

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 29.01.2015 | 21:45 Uhr

Über Panorama

Kalender © Fotolia.com Foto: Barmaliejus

Panorama-Geschichte

Als erstes politisches Fernsehmagazin ging Panorama am 4. Juni 1961 auf Sendung. Die Geschichte von Panorama ist auch eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. mehr

Anja Reschke © Thomas & Thomas Foto: Thomas Lueders

60 Jahre Panorama

60 Jahre investigativ - unbequem - unabhängig: Panorama ist das älteste Politik-Magazin im deutschen Fernsehen. mehr

Panorama 60 Jahre: Ein Mann steht hinter einer Kamera, dazu der Schriftzug "Panorama" © NDR/ARD Foto: Screenshot

Panorama History Channel

Beiträge nach Themen sortiert und von der Redaktion kuratiert: Der direkte Einstieg in 60 Jahre politische Geschichte. mehr