Streitthema Fracking: Die Debatte geht weiter.
Nach unserer Fracking-Berichterstattung hat die Debatte um die umstrittene Technologie Fahrt aufgenommen. Unsere Argumente haben Eingang in die politische Debatte in Berlin gefunden, selbst im Bundestag beschäftigen sich Abgeordnete mit den Ergebnissen der Wissenschaftler in unseren Beiträgen.
Die Kritik von Seiten der Bürgerinititativen wird zunehmend schrill. Einer der am häufigsten in Mails und Blogeinträgen genannten Vorwürfe: Die Experten in unseren Filmen, so die These, seien längst von der Erdgasindustrie gekauft oder zumindest befangen. Wir wunderten uns nicht, dass unsere Kollegen von Monitor der Sache jetzt nachgegangen sind, noch dazu, wenn es um US-Multis geht, die angeblich unterwegs sind, um sauberes deutsches Trinkwasser zu vergiften. Nach der Ausstrahlung des Monitor-Stücks erreichen uns jetzt auch Zuschriften nach dem Motto: "Seht Ihr, es ist doch alles gefährlich und Eure Experten sind von der Industrie gekauft."
Panorama bleibt bei seiner Darstellung
Zurück zu den Tatsachen: Wir stehen nach wie vor zu unserer Berichterstattung und den darin genannten Fakten und Einschätzungen gleich mehrerer Geologen und Hydrogeologen. Wenn man sich den Monitor-Beitrag näher ansieht, enthält er auch keine Fakten, die unserer Darstellung widersprechen. Es gibt nur die kritische Einlassung des US-Wissenschaftlers Prof. Mitchell Small, der aber nur allgemein von anderen Wissenschaftlern berichtet, die beim Thema Fracking angeblich zu anderen Ergebnissen kommen. Doch niemand hat je bestritten, dass Fracking auch Risiken birgt. Aber andere Arten der fossilen Energiegewinnung bergen auch Risiken - sind aber dennoch nicht verboten. Die Frage ist also, ob die Risiken beim Fracking signifikant höher sind.
Keine Gutachten im Auftrag der Erdgasindustrie
Ansonsten unterstellt Monitor dem Hydrogeologen Uwe Dannwolf auf dünner Faktenbasis einen Interessenkonflikt. Dannwolf war früher bei Amec Earth & Environmental angestellt. Er hat gegenüber Monitor detailliert offengelegt, dass er in seinem beruflichen Leben bisher ausschließlich Umweltanalysen durchgeführt hat und keine einzige im Auftrag der Erdgasindustrie.
Dannwolf hat - falls das jemand vergessen haben sollte - im Auftrag des Umweltbundesamts (UBA) die zweite Risikostudie zu Fracking an verantwortlicher Stelle mit erarbeitet. Er war also keinesfalls Panoramas "Kronzeuge", sondern der vom Fracking-kritischen UBA berufene Experte.
Die Leiterin des UBA und ihre Chefin, Umweltministerin Hendricks, sind bekanntermaßen eher Fracking-Gegner. Dannwolf ist also der von den obersten Fracking-Gegnern berufene Experte - deshalb hat Panorama genauer bei ihm nachgefragt. Offenbar gab es kein Problem mit Dannwolf, so lange seine Studie vom UBA als Fracking-kritisch ausgelegt wurde. Doch als der Experte in Panorama offenlegt, dass er sich falsch verstanden fühlt, wird er auf einmal zur Zielscheibe der Kritik. Eine sachliche und faktenbasierte Auseinandersetzung gerät in den Hintergrund.
Mit Dannwolfs Einschätzung, dass die Frackingtechnologie beherrschbar sei, befindet er sich im Konsens mit allen namhaften Geologen und Hydrogeologen in Deutschland. Zu seinen Auftraggebern gehören unter anderem die Stadtreinigung Hamburg oder der Kanton Basel. Das verschweigt Monitor und verlegt sich wieder auf eine Unterstellung. Zitat Monitor: "Unabhängig? Fest steht: das Büro, für das Dannwolf tätig war, war eine Tochter des Amec-Konzerns, der Geschäfte mit der Öl- und Gasindustrie macht."
Damit endet der Versuch, Uwe Dannwolf als befangenen Wissenschaftler der Gasindustrie darzustellen: Man beschäftigt sich nicht mit seinen Argumenten, sondern mit einer konstruierten Abhängigkeit von vermeintlichen Auftraggebern, wegen der Geschäfte des Mutterkonzerns.
Ist Panorama Teil der Exxon-Verschwörung?
Abschließend noch ein Versuch der Beruhigung: Die ARD hat es immer ausgehalten, wenn Redaktionen bei wichtigen Themen unterschiedlicher Meinung sind. Das wird auch in diesem Fall so sein. An die Kollegen von Monitor aber noch eine Frage nach der Stimmigkeit Eures Beitrags: Müssten wir nach Eurer Logik denn nicht auch zwingend Teil der großen Exxon-Verschwörung sein? Schließlich habt Ihr ja in Eurem Stück mehrfach Teile aus unserer Berichterstattung gezeigt, so zum Beispiel das Trinken der neuentwickelten Frackingflüssigkeit durch die Exxon-Mitarbeiter. Oder das Interview mit Uwe Dannwolf, der Thomas Berbner in geheimer Mission der Erdgasindustrie als willfährigen Berichterstatter benutzte.
Um es offen zu sagen: Wir geben sogar direkte Kontakte zu Exxon zu, ohne dass Ihr uns danach fragt. Mehrfach haben wir mit Mitarbeitern von Exxon gesprochen, zum Teil hinter verschlossenen Türen, weil Exxon viel Erfahrung mit der Erdgasförderung in Deutschland hat. Was wir dort erfahren haben, haben wir von unabhängiger Seite mehrfach überprüfen lassen. Das nennt man dann Recherche.
Fracking ist für viele Menschen ein angstbesetzter Begriff. Panorama hat Experten gebeten, zu den wichtigsten Fragen Stellung zu nehmen und daraus einen Faktencheck zum Thema Fracking erstellt.
Fracking wird in Deutschland schon seit den 1960er-Jahren praktiziert. Bisher wurde allerdings immer in tiefen Sandsteinschichten gefrackt. In diesem relativ undurchlässigen Sandstein ist das Gas nur wenig mobil und wird durch das gezielte Aufbrechen einzelner Bereiche mobilisiert. Das Fracking im Sandstein soll auch nach den Eckpunkten der Bundesregierung unter Verschärfung der Regularien möglich sein. Die eigentliche Debatte geht aber über das Schiefergas-Fracking. Das Schiefergas hat in den USA seit Mitte der 2000er-Jahre einen "Goldrausch" ausgelöst.
In Deutschland gibt es bislang nur wenige Testbohrungen. Förderbares Schiefergas findet sich nach Auskunft der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Dieses Schiefergestein liegt im Regelfall in Tiefen von 1.500 bis 3.000 Meter. Auch wenn die Verfahren sich unterscheiden, geht es im Kern nun darum, ob auch in höheren Gesteinsschichten gefrackt werden soll?
Das Trinkwasser gewinnen wir in Deutschland im Regelfall aus Tiefen von bis zu 300 Meter. Darum plädieren viele Geologen und Hydrogelogen dafür, dass ausreichend Abstand zwischen einem Frack und dem Trinkwasserreservoirs gelassen wird. Etwa 1.000 Meter halten die meisten Wissenschaftler für ausreichend. Der Grund: Der bislang längste Frack, der jemals erzeugt wurde, war ungefähr 270 Meter lang. "Da war allerdings die doppelte Hiroshima-Bombe gezündet worden", so der Leiter der Studie für das Umweltbundesamt, Uwe Dannwolf. Außerdem sollen die Regionen, in denen gefrackt wird, vorher auf geologische Besonderheiten untersucht werden.
Erdbebenrisiken gibt es bei jedem Eingriff in den Untergrund - beim Kohlebergbau, beim Öl und auch bei der Erdgasförderung. Ein Großteil der vom Menschen erzeugten Erdbeben in Deutschland rührt vom Bergbau her - zu diesem Schluss kommen auch die Seismologen von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Die konventionelle Erdgasförderung führt ebenfalls in Norddeutschland zu Erdbeben. Beim Fracking sehen die Experten allerdings geringere Erdbebenrisiken.
Dem Sandstein wird Gas und Lagerstättenwasser entzogen, es bilden sich kleine Hohlräume, was eine Druckveränderung im Gestein zu Folge hat. Das kann in bestimmten geologischen Formationen unter bestimmten Umständen zu kleinen Erdbeben führen. Im Schiefergestein ist der Austrag von Gas und Wasser dagegen wesentlich geringer, sodass auch die Druckunterschiede geringer sind. Weniger erforscht sind die Erdbebenrisiken und die Grundwassergefährdung durch Verpressung des Lagerstättenwassers. Auch deswegen fordern viele Wissenschaftler besonders in diesem Bereich weitere Forschung. Es gelte durch wissenschaftliche Erprobungen neue Methoden zur sicheren Verpressung und zur Behandlung des Lagerstättenwassers und der Fracking-Flüssigkeit zu zu entwickeln, zum Beispiel sei auch eine Wiederaufbereitung denkbar.
Methan kommt in vielen Gegenden der Welt ganz natürlich im Trinkwasser vor - auch in durchaus hohen Konzentrationen. In Deutschland sind zum Beispiel im Münsterland hohe Methankonzentrationen gemessen worden. Tatsächlich ist es in den USA auch zu Verunreinigungen des Trinkwassers gekommen. In Deutschland ist es durch das Fracking dagegen bislang nicht zu Methan-Verunreinigungen gekommen. Diskutiert wird zurzeit über eine Studie der Duke Universität. Prof. Jackson hat dort Verunreinigungen festgestellt. Er bringt die Verunreinigungen mit Methan vor allem mit Leckagen in der Zementierung des Bohrlochs in Verbindung.
Prof. Emmermann, der für die Deutsche Akademie für Technikwissenschaften gerade an einer Studie zum Thema arbeitet, sieht in der unsachgemäßen Handhabung am Bohrloch das größte Risiko. Aus diesem Grund fordern die Wissenschaftler, dass hier neue Technologien geprüft werden sollen, die die Risiken beim Bohren so gut wie möglich verringern.
Die Entsorgung des Lagerstättenwassers kann ein Problem bei fast jeder Form der Erdgas- und insbesondere Erdölförderung sein. Zurzeit verpressen die Firmen diese Flüssigkeit wieder. Meist sammeln sie dafür das Lagerstättenwasser zentral. Bei dieser "Sammlung" wurden ungeeignete Rohre eingesetzt. Das mit Schwermetallen belastete Lagerstättenwasser sickerte in den Boden. Exxon musste den Boden reinigen und die Rohre austauschen. Dazu überprüfen die Behörden zurzeit Fälle von erhöhten Quecksilber-Werten an einigen Bohrplätzen.
Jede Form der konventionellen und unkonventionellen Erdgasgewinnung bringt Risiken mit sich. Dies gilt generell auch für die Energiegewinnung aus regenerativen und fossilen Energiequellen. Der Leiter der Studie des Umweltbundesamtes plädiert deshalb dafür, alle Formen der Energiegewinnung nach einheitlichen Maßstäben zu bewerten. Ein Null-Risiko gibt es seiner Aufassung nach bei keiner Technologie.
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Das Erste |
Panorama |
25.09.2014 | 21:45 Uhr