Stand: 04.09.2014 12:00 Uhr
Brennende Wasserhähne: Wie gefährlich ist Fracking?
von Thomas Berbner, Johannes Jolmes & Jasmin Klofta
Schon der Begriff "Fracking" verursacht bei vielen Menschen ein ungutes Gefühl. Fracking, das verbindet man schnell mit Erdbebengefahr, mit einer möglichen Gefährdung des Trinkwassers und der Verunreinigung der Umwelt durch giftige Chemikalien. Dementsprechend groß ist die Ablehnung von Fracking in der Bevölkerung.
Das Hydraulic Fracturing (Fracking) ist eine umstrittene Methode zur Erdgasförderung. Dabei wird zunächst senkrecht in den Boden gebohrt bis zu der Gesteinsschicht, aus der das Erdgas gefördert werden soll. Von dort aus geht es mit der Bohrung waagerecht in das erdgashaltige Gestein hinein. Dort werden die Rohre dann mit Geschossen durchlöchert. Nun beginnt der eigentliche Frack-Vorgang. Der mechanische Druck des Wassers reicht aus, damit Risse - die sogenannten Fracks - im Gestein entstehen. Um die Risse offen zu halten, werden dem Wasser Sand und weitere chemische Zusätze beigemischt.
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Politik will Fracking regeln
300 Mal wurde bislang in Deutschland gefrackt, allerdings nur bei der sogenannten konventionellen Erdgasförderung. Bei dieser Förderart wird Erdgas in Sandstein aus Tiefen von 3.000 bis 5.000 Meter gefördert. Doch jetzt gibt es Planungen, Gas auch aus höheren Schichten, aus Schieferstein, zu fördern. Und hierum geht der eigentliche Streit. Mit dieser "unkonventionellen Erdgasförderung" soll Erdgas gefördert werden, das bislang nicht zugänglich war.
Laut Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamtes, ist Fracking eine Risikotechnologie.
Die Politik will das Fracking nun regeln: Mehrere Bundesländer, darunter Hessen, Thüringen oder Schleswig-Holstein, haben bereits angekündigt: Solches Fracking wird es dort nicht geben. Zuletzt hat eine 634 Seiten lange Studie des Bundesumweltamtes die Risiken von Fracking untersucht. Bei der Vorstellung der neuen Studie erklärt die Präsidentin des Umweltbundesamtes Maria Krautzberger: "Fracking ist und bleibt eine Risikotechnologie."
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Stellungnahme der Panorama Redaktion zu einer Meldung des Umweltbundesamtes mit dem Titel "Hat Panorama Recht?“
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Aus juristischen Gründen sei ein Verbot von Fracking zwar nicht möglich, aber Krautzberger sprach sich für weitreichende Umweltanforderungen aus, die "einem Verbot von Fracking gleichkommt." Im Interview mit Panorama erklärte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, sie halte Fracking "für hochgefährlich, denn für uns stehen Mensch und Gesundheit und gesundes Trinkwasser im Vordergrund".
Die Lage scheint klar zu sein. Fracking ist eine gefährliche Technologie, deren Risiken wissenschaftlich belegt sind. Wir fragen beim Leiter der Studie, dem Hydrogeologen Uwe Dannwolf, nach, warum genau Fracking eine "Risikotechnologie" ist. "In unserem Gutachten stehen solche Worte nicht drin", sagt Dannwolf. "Was Frau Krautzberger macht, kann ich ihr nicht vorschreiben, wir können nur auf das Gutachten verweisen und sagen, ich würde es so nicht auslegen." Zu den Äußerungen des Leiters der wissenschaftlichen Studie möchte sich Umweltministerin Hendricks nicht äußern. Sie verweist darauf, sie kenne die Äußerungen nicht. Generell stimme sie weiterhin mit der Position des Umweltbundesamts in Sachen Fracking überein.
Fracking ist für viele Menschen ein angstbesetzter Begriff. Panorama hat Experten gebeten, zu den wichtigsten Fragen Stellung zu nehmen und daraus einen Faktencheck zum Thema Fracking erstellt.
Fracking wird in Deutschland schon seit den 1960er-Jahren praktiziert. Bisher wurde allerdings immer in tiefen Sandsteinschichten gefrackt. In diesem relativ undurchlässigen Sandstein ist das Gas nur wenig mobil und wird durch das gezielte Aufbrechen einzelner Bereiche mobilisiert. Das Fracking im Sandstein soll auch nach den Eckpunkten der Bundesregierung unter Verschärfung der Regularien möglich sein. Die eigentliche Debatte geht aber über das Schiefergas-Fracking. Das Schiefergas hat in den USA seit Mitte der 2000er-Jahre einen "Goldrausch" ausgelöst.
In Deutschland gibt es bislang nur wenige Testbohrungen. Förderbares Schiefergas findet sich nach Auskunft der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Dieses Schiefergestein liegt im Regelfall in Tiefen von 1.500 bis 3.000 Meter. Auch wenn die Verfahren sich unterscheiden, geht es im Kern nun darum, ob auch in höheren Gesteinsschichten gefrackt werden soll?
Das Trinkwasser gewinnen wir in Deutschland im Regelfall aus Tiefen von bis zu 300 Meter. Darum plädieren viele Geologen und Hydrogelogen dafür, dass ausreichend Abstand zwischen einem Frack und dem Trinkwasserreservoirs gelassen wird. Etwa 1.000 Meter halten die meisten Wissenschaftler für ausreichend. Der Grund: Der bislang längste Frack, der jemals erzeugt wurde, war ungefähr 270 Meter lang. "Da war allerdings die doppelte Hiroshima-Bombe gezündet worden", so der Leiter der Studie für des Umweltbundesamt, Uwe Dannwolf. Außerdem sollen die Regionen, in denen gefrackt wird, vorher auf geologische Besonderheiten untersucht werden.
Erdbebenrisiken gibt es bei jedem Eingriff in den Untergrund - beim Kohlebergbau, beim Öl und auch bei der Erdgasförderung. Ein Großteil der vom Menschen erzeugten Erdbeben in Deutschland rührt vom Bergbau her - zu diesem Schluss kommen auch die Seismologen von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Die konventionelle Erdgasförderung führt ebenfalls in Norddeutschland zu Erdbeben. Beim Fracking sehen die Experten allerdings geringere Erdbebenrisiken.
Dem Sandstein wird Gas und Lagerstättenwasser entzogen, es bilden sich kleine Hohlräume, was eine Druckveränderung im Gestein zu Folge hat. Das kann in bestimmten geologischen Formationen unter bestimmten Umständen zu kleinen Erdbeben führen. Im Schiefergestein ist der Austrag von Gas und Wasser dagegen wesentlich geringer, sodass auch die Druckunterschiede geringer sind. Weniger erforscht sind die Erdbebenrisiken und die Grundwassergefährdung durch Verpressung des Lagerstättenwassers. Auch deswegen fordern viele Wissenschaftler besonders in diesem Bereich weitere Forschung. Es gelte durch wissenschaftliche Erprobungen neue Methoden zur sicheren Verpressung und zur Behandlung des Lagerstättenwassers und der Fracking-Flüssigkeitzu zu entwickeln, zum Beispiel sei auch eine Wiederaufbereitung denkbar.
Methan kommt in vielen Gegenden der Welt ganz natürlich im Trinkwasser vor - auch in durchaus hohen Konzentrationen. In Deutschland sind zum Beispiel im Münsterland hohe Methankonzentrationen gemessen worden. Tatsächlich ist es in den USA auch zu Verunreinigungen des Trinkwassers gekommen. In Deutschland ist es durch das Fracking dagegen bislang nicht zu Methan-Verunreinigungen gekommen. Diskutiert wird zurzeit über eine Studie der Duke Universität. Prof. Jackson hat dort Verunreinigungen festgestellt. Er bringt die Verunreinigungen mit Methan vor allem mit Leckagen in der Zementierung des Bohrlochs in Verbindung.
Prof. Emmermann, der für die Deutsche Akademie für Technikwissenschaften gerade an einer Studie zum Thema arbeitet, sieht in der unsachgemäßen Handhabung am Bohrloch das größte Risiko. Aus diesem Grund fordern die Wissenschaftler, dass hier neue Technologien geprüft werden sollen, die die Risiken beim Bohren so gut wie möglich verringern.
Die Entsorgung des Lagerstättenwassers kann ein Problem bei fast jeder Form der Erdgas- und insbesondere Erdölförderung sein. Zurzeit verpressen die Firmen diese Flüssigkeit wieder. Meist sammeln sie dafür das Lagerstättenwasser zentral. Bei dieser "Sammlung" wurden ungeeignete Rohre eingesetzt. Das mit Schwermetallen belastete Lagerstättenwasser sickerte in den Boden. Exxon musste den Boden reinigen und die Rohre austauschen. Dazu überprüfen die Behörden zurzeit Fälle von erhöhten Quecksilber-Werten an einigen Bohrplätzen.
Jede Form der konventionellen und unkonventionellen Erdgasgewinnung bringt Risiken mit sich. Dies gilt generell auch für die Energiegewinnung aus regenerativen und fossilen Energiequellen. Der Leiter der Studie des Umweltbundesamtes plädiert deshalb dafür, alle Formen der Energiegewinnung nach einheitlichen Maßstäben zu bewerten. Ein Null-Risiko gibt es seiner Aufassung nach bei keiner Technologie.
Brennende Wasserhähne
Immer wieder taucht in der Debatte der inzwischen berühmte "brennende Wasserhahn" auf. Er stammt aus der Dokumentation "Gasland" von 2010. Der Film beschreibt, wie die USA angeblich trotz vieler Warnzeichen flächendeckend auf Fracking setzen. Eine Schlüsselszene ging um die Welt: Ein Mann aus Colorado dreht seinen Wasserhahn in der Küche auf, hält ein Feuerzeug daneben und schon sticht eine Riesenflamme der Kamera entgegen. Viele Medien zeigten dieses Bild - auch Panorama
Doch es gibt ein Problem: "Die brennenden Wasserhähne haben überhaupt gar nichts mit Fracking zu tun", sagt Uwe Dannwolf. Die Erklärung ist eine andere: In bestimmten Regionen der Erde kommt Methangas nicht nur tief unten in der Erde vor ("thermogenes Gas"), sondern es entsteht zusätzlich weiter oben an der Oberfläche ("biogenes Gas"). In "Gasland" brennt biogenes Gas. Auch in Europa gibt es dieses Naturphänomen, in Holland zum Beispiel: Nördlich von Amsterdam steigt Methangas aus Oberflächenwasser auf. Die Anwohner leiten es seit rund 100 Jahren in umgebaute Brunnen und von dort ins Haus, wo sie Lampen und Kochplatten damit betreiben. In der Region gibt es über 200 dieser Brunnen - Erdgasbohrungen oder Fracking dagegen nicht.
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Panorama |
04.09.2014 | 21:55 Uhr