Es ist eine Technologie, die die Meinungen spaltet: Fracking. In den USA ist sie zur Gewinnung von Schiefergas weit verbreitet, in Deutschland ist die Technologie dagegen sehr umstritten und stößt in der Bevölkerung auf große Ablehnung. Aber sie spaltet nicht nur Kontinente, sondern auch Politik und Wissenschaft. Panorama hatte in der vergangenen Sendung darüber berichtet, dass die führenden Geowissenschaftler in Deutschland die Technologie für beherrschbar halten - und die Bundesregierung das Fracking im Schiefergas dennoch mindestens bis 2021 verbieten will.
VIDEO: Fracking: die Angst der Politik vor dem Bürger (9 Min)
Antworten für alles und jeden?
Und an dieser Haltung der Bundesregierung hat sich auch nach der Panorama Berichterstattung offenbar nichts geändert: Angesprochen auf den Widerspruch vieler namhafter Wissenschaftler, entgegnet der zuständige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel: "Sie finden ja zu jeder Frage hinreichend viele Wissenschaftler, die diese Frage mit unterschiedlichen Antworten versehen."
Prof. Hans-Joachim Kümpel wünscht sich mehr Sachverstand im gesamten Gesetzgebungsverfahren.
Wissenschaftler, die dem Fracking im Schiefergas zumindest eine Chance geben wollen, hat Gabriel sogar in seinem eigenen Geschäftsbereich. Die werden offenbar nur unzureichend in den Gesetzesprozess mit einbezogen. So beklagt der Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hans-Joachim Kümpel, gegenüber Panorama, dass das Fachwissen seiner Behörde beim derzeitigen Gesetzesprozess nicht genügend gehört werde. Die Bundesanstalt ist die zentrale geowissenschaftliche Beratungseinrichtung der Bundesregierung. "Wir wünschen uns, dass mehr von unserem Wissen im gesamten Gesetzgebungsverfahren aufgenommen wird“, betont Prof. Hans-Joachim Kümpel im Interview.
Umstrittener Begriff: "Risikotechnologie"
Spricht von einer "Risikotechnlogie": Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamts.
Wie die Politik mit wissenschaftlichem Sachverstand beim Thema Fracking umgeht, hat Panorama bereits gezeigt: Die Leiterin des Umweltbundesamtes (UBA), Maria Krautzberger, sprach bei der Vorstellung des UBA-II-Gutachtens zum Fracking Ende Juli 2014 von einer "Risikotechnologie", deren "Risiken nicht sicher beherrschbar" seien. Der wissenschaftliche Leiter der Studie, Uwe Dannwolf, sagte gegenüber Panorama, dies stehe so nicht in der Studie. Er halte Fracking durchaus für beherrschbar.
Das Umweltbundesamt und das Bundesumweltministerium verteidigten sich. Man habe diese Risikobewertung auf Basis eines anderen Fracking-Gutachtens aus dem Jahr 2012 getroffen. Panorama hat nun auch mit beteiligten Professoren dieses Gutachtens gesprochen, unter anderem mit Professor Ingo Sass, Geologe an der TU Darmstadt. Auch er sagt: "Ich bin zutiefst davon entfernt, Fracking als unbeherrschbare Risikotechnologie" zu bezeichnen. Das könne man auch nicht aus dem Gutachten herauslesen.
Fracking ist für viele Menschen ein angstbesetzter Begriff. Panorama hat Experten gebeten, zu den wichtigsten Fragen Stellung zu nehmen und daraus einen Faktencheck zum Thema Fracking erstellt.
Fracking wird in Deutschland schon seit den 1960er-Jahren praktiziert. Bisher wurde allerdings immer in tiefen Sandsteinschichten gefrackt. In diesem relativ undurchlässigen Sandstein ist das Gas nur wenig mobil und wird durch das gezielte Aufbrechen einzelner Bereiche mobilisiert. Das Fracking im Sandstein soll auch nach den Eckpunkten der Bundesregierung unter Verschärfung der Regularien möglich sein. Die eigentliche Debatte geht aber über das Schiefergas-Fracking. Das Schiefergas hat in den USA seit Mitte der 2000er-Jahre einen "Goldrausch" ausgelöst.
In Deutschland gibt es bislang nur wenige Testbohrungen. Förderbares Schiefergas findet sich nach Auskunft der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Dieses Schiefergestein liegt im Regelfall in Tiefen von 1.500 bis 3.000 Meter. Auch wenn die Verfahren sich unterscheiden, geht es im Kern nun darum, ob auch in höheren Gesteinsschichten gefrackt werden soll?
Das Trinkwasser gewinnen wir in Deutschland im Regelfall aus Tiefen von bis zu 300 Meter. Darum plädieren viele Geologen und Hydrogelogen dafür, dass ausreichend Abstand zwischen einem Frack und dem Trinkwasserreservoirs gelassen wird. Etwa 1.000 Meter halten die meisten Wissenschaftler für ausreichend. Der Grund: Der bislang längste Frack, der jemals erzeugt wurde, war ungefähr 270 Meter lang. "Da war allerdings die doppelte Hiroshima-Bombe gezündet worden", so der Leiter der Studie für das Umweltbundesamt, Uwe Dannwolf. Außerdem sollen die Regionen, in denen gefrackt wird, vorher auf geologische Besonderheiten untersucht werden.
Erdbebenrisiken gibt es bei jedem Eingriff in den Untergrund - beim Kohlebergbau, beim Öl und auch bei der Erdgasförderung. Ein Großteil der vom Menschen erzeugten Erdbeben in Deutschland rührt vom Bergbau her - zu diesem Schluss kommen auch die Seismologen von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Die konventionelle Erdgasförderung führt ebenfalls in Norddeutschland zu Erdbeben. Beim Fracking sehen die Experten allerdings geringere Erdbebenrisiken.
Dem Sandstein wird Gas und Lagerstättenwasser entzogen, es bilden sich kleine Hohlräume, was eine Druckveränderung im Gestein zu Folge hat. Das kann in bestimmten geologischen Formationen unter bestimmten Umständen zu kleinen Erdbeben führen. Im Schiefergestein ist der Austrag von Gas und Wasser dagegen wesentlich geringer, sodass auch die Druckunterschiede geringer sind. Weniger erforscht sind die Erdbebenrisiken und die Grundwassergefährdung durch Verpressung des Lagerstättenwassers. Auch deswegen fordern viele Wissenschaftler besonders in diesem Bereich weitere Forschung. Es gelte durch wissenschaftliche Erprobungen neue Methoden zur sicheren Verpressung und zur Behandlung des Lagerstättenwassers und der Fracking-Flüssigkeit zu zu entwickeln, zum Beispiel sei auch eine Wiederaufbereitung denkbar.
Methan kommt in vielen Gegenden der Welt ganz natürlich im Trinkwasser vor - auch in durchaus hohen Konzentrationen. In Deutschland sind zum Beispiel im Münsterland hohe Methankonzentrationen gemessen worden. Tatsächlich ist es in den USA auch zu Verunreinigungen des Trinkwassers gekommen. In Deutschland ist es durch das Fracking dagegen bislang nicht zu Methan-Verunreinigungen gekommen. Diskutiert wird zurzeit über eine Studie der Duke Universität. Prof. Jackson hat dort Verunreinigungen festgestellt. Er bringt die Verunreinigungen mit Methan vor allem mit Leckagen in der Zementierung des Bohrlochs in Verbindung.
Prof. Emmermann, der für die Deutsche Akademie für Technikwissenschaften gerade an einer Studie zum Thema arbeitet, sieht in der unsachgemäßen Handhabung am Bohrloch das größte Risiko. Aus diesem Grund fordern die Wissenschaftler, dass hier neue Technologien geprüft werden sollen, die die Risiken beim Bohren so gut wie möglich verringern.
Die Entsorgung des Lagerstättenwassers kann ein Problem bei fast jeder Form der Erdgas- und insbesondere Erdölförderung sein. Zurzeit verpressen die Firmen diese Flüssigkeit wieder. Meist sammeln sie dafür das Lagerstättenwasser zentral. Bei dieser "Sammlung" wurden ungeeignete Rohre eingesetzt. Das mit Schwermetallen belastete Lagerstättenwasser sickerte in den Boden. Exxon musste den Boden reinigen und die Rohre austauschen. Dazu überprüfen die Behörden zurzeit Fälle von erhöhten Quecksilber-Werten an einigen Bohrplätzen.
Jede Form der konventionellen und unkonventionellen Erdgasgewinnung bringt Risiken mit sich. Dies gilt generell auch für die Energiegewinnung aus regenerativen und fossilen Energiequellen. Der Leiter der Studie des Umweltbundesamtes plädiert deshalb dafür, alle Formen der Energiegewinnung nach einheitlichen Maßstäben zu bewerten. Ein Null-Risiko gibt es seiner Aufassung nach bei keiner Technologie.
Umweltbundesamt bleibt bei seiner Haltung
Panorama hat das Umweltbundesamt und auch das Bundesumweltministerium mit dieser Einschätzung konfrontiert. Das Bundesumweltministerium bleibt dabei, Fracking sei eine Risikotechnologie. Die Höhe der Risiken würde von Wissenschaftlern unterschiedlich eingeschätzt. Das Umweltbundesamt bleibt trotz des erneuten Widerspruchs eines Wissenschaftlers aus einer eigenen Studie der Behörde bei seiner Position.
Welche Risiken beherrschbar und damit tolerabel seien, sei immer eine Abwägungsentscheidung. Außerdem gebe es künftig die Möglichkeit zu wissenschaftlich begleiteten Probebohrungen. Die Einschätzung des Umweltbundesamts könne sich ändern, "wenn neue belastbare Erkenntnisse vorliegen, dass die Technik sicherer geworden ist."
Geologen: Wir werden nicht gehört
Die führenden geologischen Dienste Europas haben sich nun mit einem gemeinsamen Aufruf an die Regierungen gewandt. Sie fordern, dass sie in der Debatte um Fracking endlich gehört werden. Ansonsten könne das "letztendlich zu nachteiligen Entscheidungen für die Gesellschaft führen." Die geologischen Dienste aus Großbritannien, den Niederlanden sowie Dänemark und Norwegen finden, dass ihr Sachverstand von Politik und Medien nicht ausreichend genutzt wird.
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In der "Kopenhagener Erklärung" warnen Wissenschaftler davor, dass Sachverstand in der Debatte über Fracking von Politik und Medien mehr oder weniger ignoriert wird.
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Die Panorama Redaktion hat viele Anmerkungen, Zuschriften und Posts zu unserer Fracking-Berichterstattung erhalten. Hier gehen wir noch einmal auf die wichtigsten ein.
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Der Panorama-Beitrag vom 25. September 2014 als PDF-Dokument zum Download.
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Dieses Thema im Programm:
Das Erste |
Panorama |
25.09.2014 | 21:45 Uhr