Ex-Verfassungsschützer Roewer: "Dann gibt es einen Umsturz"
Helmut Roewer, langjähriger Präsident (1994-2000) des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, hat in einem ausführlichen Interview mit dem YouTube-Kanal "QuerdenkenTV" einen "Umsturz" in der Bundesrepublik Deutschland ins Gespräch gebracht.
Wörtlich sagt Roewer in dem Interview, in dem es u.a. um Themen wie Pegida und die Flüchtlingsfrage geht, ab Minute 01:08:00: "Ja gut, es wird eine Bruchlinie geben, und zwar in dem Moment, wo - wer auch immer uns dann regiert - den Einsatzkräften, unseren Sicherheitsbehörden den Befehl erteilt, gegen das eigene Volk vorzugehen." Die Sicherheitskräfte, die ihm bekannt seien, würden solchen Anordnungen keine Folge leisten. "Dann wird nicht mehr von Wahlen die Rede sein. Dann gibt es einen Umsturz", so Roewer weiter in dem Interview mit "QuerdenkenTV". Er wolle diesen zwar nicht "herbeireden", er wolle ihn auch nicht, fürchte sich sogar davor. Aber die "Bruchlinie" sei "das Vorgehen gegen das eigene Volk", an dem schon die DDR gescheitert sei.
Roewer: Behörden schleppen Kriminelle zu Demonstrationen
Im Hinblick auf die Pegida-Demonstrationen in Dresden behauptet Roewer, die Gegenaktivitäten seien von der "öffentlichen Hand" gefördert: Die Behörden schleppten "dort stadt- oder landesbekannte Gewalttäter hin" (27:05), um gegen Pegida zu demonstrieren. Es handle sich um "staatlich bezahlte, anreisende Kriminelle" (48:50). Ein "Konglomerat" aus "Taugenichtsen und Schwätzern" beherrsche die Parteien und den "öffentlichen Raum" (29:00). Wenn das Volk nicht mehr zur Wahl gehe, sei "dieses System am Ende" (33:30).
Ist Roewer gegen unliebsame Journalisten vorgegangen?
Auch die Medien bekommen ihr Fett weg: "Es ist alles eine Soße. Es wird gefälscht, dass sich die Balken biegen" (48:00). "Wenn Sie heute gucken, wer sich da in diesen Medien alles rumtreibt, die ich aus anderen Zusammenhängen kenne, dann schluckt man natürlich als alter preußischer Beamter und fragt sich, wie isses nur möglich. Andererseits macht man sich natürlich Vorwürfe, dass man die Möglichkeiten, die einem das Leben geboten hat, nicht genutzt hat, um diese Leute zu bekämpfen" (52:40).
Später deutet Roewer sogar an, dass er während seiner Amtszeit Möglichkeiten genutzt habe, um Journalisten zu schaden, die kritisch über ihn berichtet haben. Man überlege sich, so Roewer, "gibt es eine Möglichkeit, denjenigen zu schaden, die dir das antun? Und manchmal gibt es so eine Möglichkeit, die sollte man dann auch wahrnehmen" (01:01:30).
"Hasskampagnen gegen die Sicherheitsapparate"?
Die Anspielung auf kritische Berichterstattung, die Roewer "Hasskampagnen gegen die Sicherheitsapparate" nennt, hat einen bemerkenswerten Hintergrund: Denn Roewer musste sein Amt unter anderem deswegen aufgeben, weil bekannt geworden war, dass er einen mehrfach verurteilten Neonazi als V-Mann angeheuert hatte. Roewer wurde im Juni 2000 zunächst suspendiert und im August vom damaligen Innenminister Christian Köckert (CDU) entlassen.
Die Thüringer Dienste führten zu Roewers Amtszeit etwa 40 V-Leute in der Neonazi-Organisation "Thüringer Heimatschutz", in dem auch das NSU-Terrortrio organisiert war, bevor es mit seiner Mordserie begann. Tino Brandt, der Anführer des "Thüringer Heimatschutzes", soll alleine bis zu 200.000 D-Mark erhalten haben, insgesamt sollen bis zu 1,5 Millionen D-Mark geflossen sein. Die insgesamt zehn Morde an Menschen mit Migrationshintergrund und einer Polizistin verhinderten diese Gelder nicht. Roewer selbst bestritt in seinen Aussagen vor den NSU-Untersuchungsausschüssen und in einem eigens verfassten Buch jede Mitverantwortung des Verfassungsschutzes für das Entstehen und Untertauchen der Terrorgruppe.
Rechte Thesen, Esoterik und Verschwörungen
"QuerdenkenTV" ist nach eigenen Angaben ein "nonkonformer, querköpfiger Internet-TV-Sender" und versteht sich als Teil einer sogenannten "Wahrheitsbewegung". Betreiber Michael Friedrich Vogt behauptet dort unter anderem, dass die Pariser Anschläge vom Januar 2015 in Wirklichkeit von "Killer-Darstellern" mit "Platzpatronen" inszeniert worden seien, es handle sich um eine sogenannte "False-Flag"-Operation. Darunter versteht man in Verschwörerkreisen Tarnoperationen (zumeist westlicher) Geheimdienste, die dann angeblich anderen Tätern untergeschoben werden. In den "Burschenschaftliche Blättern" forderte Vogt 2012 laut Medienberichten unter anderem die "Abschaffung des Parteienstaats" und die "Herstellung wirklicher Volksherrschaft".
Angeblich "strafbare Handlungen" durch Behörden
Vogt kommentiert Roewers Ausführungen zum "Umsturz" entsprechend eher süffisant und merkt an, es sei doch "eine gute Nachricht", dass die Sicherheitsbehörden nicht gegen das eigene Volk vorgehen würden. Während des gut einstündigen Gesprächs stellen Vogt und Roewer übereinstimmend fest, dass angesichts der Flüchtlingskrise jeder Grenzübertritt eigentlich eine "strafbare Handlung" und das Nichteingreifen der Behörden demzufolge "Strafvereitelung im Amt" sei (Minute 5:42).
Moderator Michael Friedrich Vogt war von 1998-2007 Honorarprofessor für Public Relations und Kommunikationsmanagement an der Universität Leipzig. Er musste die Universität jedoch verlassen, nachdem die Behauptung aufgetaucht war, er habe einem Treffen von Rechtsextremisten in Straßburg beigewohnt. Vogt bestritt die Teilnahme zunächst, mehrere andere Teilnehmer bestätigten diese laut Medienberichten jedoch. Bereits gegen Ende der 1970er Jahre war Vogt Vorsitzender und Sprecher der Münchner Burschenschaft "Danubia", die regelmäßig vom Bayerischen Verfassungsschutz beobachtet wird.