Cum-Ex-Geschäfte der Warburg Bank: Die Fakten
Die Affäre um Cum-Ex-Geschäfte der Warburg Bank ist im Hamburger Wahlkampf angekommen: Die Opposition und der Koalitionspartner fordern von Bürgermeister Tschentscher Aufklärung.
Mitten im Hamburger Wahlkampf fordern die Opposition und auch der Grüne Koalitionspartner vom Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) Aufklärung in Sachen Cum-Ex: Sie wollen wissen, wie genau die Hamburger Finanzverwaltung mit der Warburg Bank im Steuerverfahren umgegangen ist. Und ob es hierbei möglicherweise zu Absprachen zwischen dem Finanzamt und dem Senat gekommen ist. Die Diskussion ins Rollen gebracht hatte ein Bericht von Panorama und der "Zeit" aus der vergangenen Woche.
Was hat der NDR in der vergangenen Woche berichtet?
Im Kern geht es bei den Berichten um zwei Sachverhalte. Zum einen: Die Hamburger Finanzverwaltung hatte 2016 darauf verzichtet, 47 Millionen Euro von der Warburg Bank zurückzufordern. Diese 47 Millionen Euro hat die Bank nach Auffassung zahlreicher Experten zu Unrecht vom Fiskus erhalten. Und zwar durch sogenannte Cum-Ex-Geschäfte. Weshalb die Hamburger auf dieses Geld verzichtet haben, ist bislang unklar.
Ein Sprecher der Finanzverwaltung teilte hierzu mit, dass man aufgrund des Steuergeheimnisses keine Auskunft zu konkreten Steuerverfahren geben könne. Gleichwohl gehe die Steuerbehörde in Hamburg sehr gewissenhaft mit Fällen möglicher Steuervermeidung oder -hinterziehung um. Zudem müsse man immer auch das Risiko eines Rechtsstreits abwägen.
Bürgermeister Tschentscher hatte in den vergangenen Tagen wiederholt versichert, dass die Politik auf die Hamburger Steuerverwaltung in keiner Form politisch Einfluss nehme. Tschentscher war bis zum Jahr 2018 Finanzsenator von Hamburg.
Treffen mit SPD-Politikern
Zum anderen legt die Recherche offen, dass sich der damalige Chef der Warburg Bank, Christian Olearius, im Jahr 2017 mit SPD-Spitzenpolitikern in Hamburg getroffen hatte. Zu diesem Zeitpunkt wurde strafrechtlich gegen Olearius ermittelt wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung. Aus Tagebuchaufzeichnungen, die in Auszügen Teil der Ermittlungsakte sind, geht hervor, dass sich Olearius im November 2017 mit dem damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) traf.
Olearius notiert zu dem Treffen unter anderem, dass er Scholz vom Steuerverfahren und vom Strafverfahren berichtet habe. Laut Aufzeichnungen traf sich der Banker zudem im Dezember 2017 mit dem haushaltspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Johannes Kahrs. Olearius notiert dazu, Kahrs habe in dem Gespräch zugesagt, sich "in Berlin einen Durchblick" zu verschaffen. Er wolle sich der Frage annehmen: "Was treibt das Ministerium?"
Viele offene Fragen
Viele Fragen sind weiter unbeantwortet. So ist bislang ungeklärt, weshalb die Hamburger Finanzverwaltung darauf verzichtet hat, die Steuermillionen einzuziehen. Die Opposition fordert in dieser Frage Aufklärung. Das Finanzamt selbst war im Oktober 2016 zu dem Schluss gekommen, das Geld zurückfordern zu müssen und hatte das damals Warburg auch mitgeteilt. Erst danach kam es in der Finanzbehörde unter Tschentscher zu einem Sinneswandel. Plötzlich war die Rechtslage dann wieder unsicher?
Der Hamburger Senat hatte außerdem Ende 2019 auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Fraktion erklärt, Treffen zwischen Regierungsmitgliedern und Warburg-Bankern habe es - zumindest im Zusammenhang mit dem Steuerverfahren - nicht gegeben. Die Tagebuchaufzeichnungen von Christian Olearius zum Treffen mit Scholz stehen hierzu im Widerspruch. Zudem ist bislang nicht geklärt, worüber im Detail bei den Treffen gesprochen wurde.
Entlastende Indizien für Scholz?
Das "Hamburger Abendblatt" berichtet, dass sich im Tagebuch des Warburg-Bankers Olearius ein Eintrag fände, der Olaf Scholz "entlastet". Danach gäbe es keinen Beleg, dass Scholz Einfluss genommen hätte. Dies widerlegt allerdings eine Behauptung, die Panorama nie aufgestellt hat: Wir haben nicht berichtet, "Scholz nahm Einfluss". Stattdessen bestätigt der "Abendblatt"-Artikel zunächst erstmalig Vieles: Das - vom Senat zunächst bestrittene - Treffen stand also nicht nur im Tagebuch, nun ist es eine Zeugenaussage von Olearius - per Anwalt bestätigt. Und: Diese widerspricht dem Senat, wonach es im Gespräch nicht um Cum-Ex ging. Olearius widerspricht also dem Senat, der das Treffen schließlich doch noch zugab, aber weiterhin versicherte, man habe nicht über Cum-Ex etc. gesprochen.
Sinngemäß heißt es in dem Tagebuch-Auszug zum Treffen zwischen Scholz und Olearius, der Banker habe Scholz von dem Strafverfahren und dem Steuerverfahren berichtet. Er schreibt weiter, dass er Scholz zurückhaltendes Verhalten so interpretiere, dass sich die Bank und er "keine Sorgen zu machen brauchen". Woher dieses Gefühl rührt, lässt sich journalistisch nicht beurteilen.
Fest steht: Im Tagebuch ist nicht vermerkt, wie sich Scholz konkret zu den Ermittlungen und zum Steuerverfahren geäußert hat. Auf dieser Basis hat Panorama berichtet. Der heutige Bundesfinanzminister hatte zuvor mehrere schriftliche und telefonische Anfragen von NDR und "Die Zeit" zu dem Treffen unbeantwortet gelassen. Auch ein Interviewangebot nahm er nicht wahr. Johannes Kahrs hatte zunächst dementiert, an einem entsprechenden Treffen teilgenommen zu haben. Inzwischen hat er Treffen mit Olearius eingeräumt.
Wie geht es weiter?
Derzeit prüft der Hamburger Senat offenbar, sich von Warburg in Teilen vom Steuergeheimnis befreien zu lassen. Somit könnte in der Angelegenheit mehr Transparenz schaffen. Vertreter der Opposition haben diesen Schritt begrüßt. Dennoch haben Vertreter von CDU und der Linken angeregt, dass der Fall möglicherweise in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden solle. Im Bundestag haben Vertreter der Linken und der Grünen Bundesfinanzminister Scholz in den Finanzausschuss eingeladen. Hierbei soll Scholz Treffen mit dem Warburg-Banker Thema werden. Die Sitzung ist für den 4. März angesetzt.
* In einer früheren Version wurde behauptet, Olaf Scholz hätte das Treffen gegenüber Panorama bestritten. Diesen Fehler haben wir korrigiert.