Bewährungsstrafe für "Nordkreuz"-Chef
Milde Strafe für den Gründer der rechten "Prepper"-Gruppe "Nordkreuz": Der Polizist Marko G. ist wegen illegalem Waffen- und Kriegswaffenbesitz zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden. Der 49-Jährige, mit dem Panorama 2017 ein ausführliches Interview zu seiner Gruppe geführt hatte, wurde jetzt aus dem Gefängnis entlassen. Von "Nordkreuz"-Mitgliedern und Angehörigen gab es nach dem Urteilsspruch Beifall für das Gericht. Marko G. hatte seit Juni in Untersuchungshaft gesessen, nachdem Ermittler bei ihm unter anderem eine Maschinenpistole und zehntausende Patronen fanden.
Arbeit der Waffenbehörde sorgte für Stirnrunzeln
Ein Grund dafür, dass das Urteil gegen Marko G. nicht höher ausfiel: Ein großer Teil der Munition, die in der Anklage der Staatsanwaltschaft aufgeführt war, hat G. nach Ansicht des Gerichts gar nicht illegal besessen. Hintergrund ist ein Fauxpas der Waffenbehörde. Die hatte G. zwar die Waffenbesitzkarten entzogen und auch den Munitionserwerbsschein weggenommen, diesen jedoch nicht offiziell entzogen. Dies fiel dem Mitarbeiter der Waffenbehörde erst auf Nachfrage vor Gericht auf. So blieb der Besitz von rund 30.000 Schuss, die zunächst als illegal angeklagt waren, straffrei. Gegenüber Panorama sagt ein Sprecher des zuständigen Landkreises Ludwigslust-Parchim jetzt: "Das Verwaltungsverfahren zum Entzug der zunächst nur eingezogenen Munitionserwerbsberechtigung ist eingeleitet."
Die Arbeit der Waffenbehörde sorgte in der Gerichtsverhandlung mehrmals für Stirnrunzeln. So hatte der Mitarbeiter der Behörde 2017 die Waffen- und Munitionsfunde vor Ort nicht protokolliert. Dies sei nur mit Unterstützung der Polizeikräfte vor Ort möglich gewesen, sagt ein Sprecher des Landkreises auf Panorama-Anfrage. "Da die Unterstützung nicht vorlag, wurden die sichergestellten Waffen und die Munition zur Waffenbehörde verbracht", so der Sprecher weiter. Der Mitarbeiter der Waffenbehörde und der Angeklagte sind Bekannte, sie duzen sich.
Ermittlungen gegen "Nordkreuz"-Mitglieder
"Wir haben einige Sportschützen und Jäger in der Gruppe. Aber alles auf vollkommen legale Art und Weise." Das hatte Marko G. im September 2017 in einem Interview mit Panorama über die Gruppe "Nordkreuz" gesagt. Dabei besaß er zu diesem Zeitpunkt bereits eine Maschinenpistole, also eine illegale Kriegswaffe. Unter dem Dach von "Nordkreuz" sammeln sich rund 30 Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern. "Prepper", die sich auf verschiedene Krisenszenarien am sogenannten "Tag X" vorbereiten - von längeren Stromausfällen bis hin zum Zusammenbruch der staatlichen Ordnung. Die Bundesanwaltschaft hatte 2017 Ermittlungen gegen zwei "Nordkreuz"-Mitglieder wegen Terrorverdachts eingeleitet. Sie sollen für den "Tag X" die Ermordung von politischen Gegnern geplant haben. Bei den beiden Beschuldigten sowie bei vier anderen "Nordkreuz"-Mitgliedern hatten die Behörden im August 2017 Wohnungen durchsucht. Auch bei dem Polizeibeamten Marko G., dem Gründer von "Nordkreuz", war die Anti-Terror-Einheit GSG9 angerückt. Hier wollten die Ermittler des Bundeskriminalamts vor allem Datenträger sichern. Marko G. ist bis heute Zeuge in dem Terrorverfahren, das seit rund zweieinhalb Jahren beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe läuft.
Als die Ermittler Marko G.s Haus durchsuchten, stießen sie auf zahlreiche Waffen und eine große Mengen Munition. Das meiste davon durfte der Sportschütze ganz legal besitzen, einiges war nicht korrekt gelagert. Und knapp 20 Patronen waren gänzlich illegal, sie fallen unter das Kriegswaffenkontrollgesetz. Nach der Durchsuchung 2017 entzog die Behörde dem Waffennarr seine Waffenbesitzkarten.
Bei einer neuen Durchsuchung bei Marko G. im Juni 2019 fanden Polizisten dann allerdings mehr: Eine Maschinenpistole des Typs Uzi mit Schalldämpfer, über 25.000 Schuss Munition und Übungshandgranaten der Bundeswehr. Marko G. kam in Untersuchungshaft und erst nach dem Urteilsspruch frei.
Politisches Motiv?
Steckt hinter dem Horten von illegalen Waffen und Munition ein politisches Motiv? Auch mit dieser Frage beschäftigte sich das Landgericht Schwerin in dem Verfahren. Panorama hatte 2017 berichtet, dass Marko G. Mitglied der AfD ist. Auch kursierten in diesen Kreisen Verschwörungstheorien, und die sogenannte Flüchtlingskrise war einer der Auslöser für die Gründung der Gruppe, die sich nicht nur in Chats austauschte, sondern auch im realen Leben traf. Im Prozess wurden nun private Nachrichten von Marko G. verlesen, die eine rechtsextreme Gesinnung belegen. Der Angeklagte bezeichnete die Nachrichten als "schwarzen Humor". In den Gruppen-Chats wurden jedoch keine rechtsextremen Nachrichten verschickt, sagte ein Ermittler aus.
Bei "Nordkreuz" fungierte Marko G. als so etwas wie der Schatzmeister. Von der insgesamt fünfstelligen Summe, die die Mitglieder an G. zahlten, kaufte er nicht nur Lebensmittel und Hygieneartikel, sondern für rund 7.500 Euro auch Waffen und Munition, wie der Vorsitzende Richter in seinem Urteil feststellte.
Staatsanwaltschaft prüft Revision
Für eine politische Motivation des Hortens von Waffen sah das Gericht allerdings keine Beweise. Die Staatsanwaltschaft Schwerin, die für G. eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung gefordert hatte, sieht den Kontext der Taten, die "Prepper"-Gruppe um den Angeklagten, als entscheidend an. Sie prüft, ob sie Revision gegen das Urteil einlegt. Die Strafverfolger in Schwerin hatten dem Generalbundesanwalt mehrmals die Übernahme des Verfahrens angeboten. Dieser lehnte jedoch ab, da er bis heute keinen Anfangsverdacht für eine politisch motivierte, terroristische Tat von Marko G. sieht.
Der Polizeibeamte Marko G. ist derzeit suspendiert. Sobald das Urteil rechtskräftig ist, will das Land Mecklenburg-Vorpommern G. aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Was er mit der Maschinenpistole vorhatte? Die Panorama-Nachfrage dazu wollte der 49-Jährige nicht beantworten.