Ein Studio im Herzen Flensburgs
Es dauerte ein Jahr, bis dem Beschluss Taten folgten. Ausgestattet mit einem fabrikneuen VW-Käfer startete am 1. März 1949 Thomas Viktor Adolph von Hamburg in das Abenteuer. Schon in Holstein verfuhr er sich. Spät kam er in Flensburg an. Aus Hamburg hatte er einen vagen Auftrag mitgebracht: Im "Deutschen Haus" sollte das neue Studio integriert werden. Ein geschichtsträchtiger Ort. Gestiftet von der Weimarer Republik als Dank, dass Flensburg bei der Grenzabstimmung 1920 mit großer Mehrheit für den Verbleib in Deutschland gestimmt hatte.
Allein fehlte in dem Haus Platz für die Büros. So zog Adolph mit Sekretärin Gräfin Baudissin und Fahrer Bernie "Bleifuß" Diercksen erst einmal in ein Gebäude der Stadt in der Angelburger Straße. Zusammen mit NWDR-Architekt Walter Benthin fand Adolph schließlich fast zufällig das geeignete Objekt für den Studioneubau. Es war der Musikpavillon im Garten des "Deutschen Hauses". Eigentlich eine Fehlplanung, denn Musik ließ sich an der damals und heute verkehrsreichsten Ecke Flensburg nicht genießen. Aber das kreisrunde Fundament, die Möglichkeit, daran wie einen Kometenschweif das Studio anzubauen inspirierten Benthin. Für ihn wurde es sein schönster Bau.
Start mit Mozart und Nolde
Am 12. November 1950 war es soweit: Das "Deutsche Haus" war bis auf den letzten Platz gefüllt. Chefdirigent Hans Schmidt-Isserstedt erhob den Taktstock, das Sinfonieorchester des NWDR begann mit der Jupiter-Sinfonie von Wolfgang Amadeus Mozart. der Maler Emil Nolde wurde als Ehrengast willkommen geheißen, Ministerpräsident Walter Bartram (CDU) gratulierte und schließlich ging NWDR-Generaldirektor Adolf Grimme ans Rednerpult. Zwei Aufträge gab er dem neuen Studio mit. Einmal sollte es über die Flüchtlingsfrage berichten. In den Augen von Grimme, nicht nur eine deutsche und europäische Frage, sondern eine "Weltnot". Zum anderen sollte der NWDR nicht als Kämpfer, sondern als Brückenbauer an der Grenze zu Dänemark Flagge zeigen.
Die Flüchtlingsnot wurde überwunden, der Auftrag, Brücken im Grenzland zu bauen, ist bis heute geblieben. Bemerkenswert ist vor allem, dass er in den ersten Jahren Bestand hatte. Ministerpräsident Bartram eröffnete noch das Studio, scheiterte jedoch nach weniger als einem Jahr im Amt. Sein Nachfolger war Friedrich-Wilhelm Lübke. Der CDU-Politiker ging auf strikt antidänischen Kurs. So versuchte er die immer erfolgreichere Partei der dänischen Minderheit - den Südschleswigschen Wählerverband SSW - im Land durch eine 7,5-Prozent-Klausel vom Landtag fernzuhalten. Das Bundesverfassungsgericht brachte das zu Fall.
Die junge Bundesrepublik wollte nun in die NATO. Dafür brauchte sie die Hilfe Dänemarks. So handelte der neue CDU-Ministerpräsident Kai-Uwe von Hassel im Auftrag von Bundeskanzler Konrad Adenauer die Lösung der Minderheitenfragen im Grenzland aus. Mit den Bonn-Kopenhagener Erklärungen gelang es im März 1955, die Basis für das heute als europäisches Modell eingestufte Zusammenleben in der Grenzregion zu legen.
UKW-Frequenzen ermöglichen Regionalisierung
Das neue Studio war eingerichtet, um Beiträge für das Mittelwellenprogramm des NWDR nach Hamburg zu überspielen. Doch als Folge des verlorenen Krieges gab es zu wenige Frequenzen. Deshalb setzte der NWDR auf eine neue Technik: die Ultrakurzwelle - UKW. Sie verbesserte den Empfang, hatte aber das Manko, dass sie quasi nur auf Sichtweite senden konnte. Dieser vermeintliche Nachteil erweis sich als Vorteil: Der NWDR nutzte die neue Technik, um zu regionalisieren. Auf den anfangs als "Wellen der Freude" verspotteten UKW-Frequenzen konnte aus dem Norden für den Norden berichtet werden.
Von Binnenland und Waterkant
Am 16. Mai 1951 startete das Studio Flensburg für Schleswig-Holstein mit der Sendung "Von Binnenland und Waterkant". Die Sendung mit dem eigenartig aus Platt- und Hochdeutsch gemixten Titel hatte Thomas Viktor Adolph erfunden. Ähnliche Formate setzen sich damals überall im NWDR durch. Mit einer eigenen Sendung auf der Ultrakurzwelle, zuständig für das ganze Land, war das Studio schon bald zu klein. 1952 wurde ein Bürotrakt angebaut.
- Teil 1: Warum Flensburg?
- Teil 2: Ein Studio sucht ein Zuhause
- Teil 3: Vom Studio für ganz Schleswig-Holstein zur Außenstelle
- Teil 4: Die 70er- und 80er-Jahre: Bewegte Zeiten
- Teil 5: Moderne Zeiten: das Studio wird "bimedial"