Ocean Race: Will Harris - viel mehr als nur ein Back-up
Will Harris wird auf der vierten Etappe des Ocean Race Skipper an Bord der Malizia - Seaexplorer sein. Boris Herrmann pausiert planmäßig. Der Brite lebt gerade seinen Lebenstraum. Noch vor fünf Jahren saß er im Kontrollzentrum der Weltumsegelung. Nun ist er mittendrin im Renngeschehen.
Und das auf beeindruckende Art, wie allein die verwegene Mast-Reparatur inmitten rauer See Anfang März zeigte. Harris verbrachte mehrere Stunden in 28 Meter Höhe, wo er den aufgeschlitzten Mast der Malizia abschliff und anschließend Carbon-Matten auftrug. Eine zermürbende Arbeit - dennoch sah er sich nicht als der "Hero of the day", zu dem ihn Skipper Herrmann kürte, sondern gab die Komplimente postwendend zurück: Herrmann und Rosalie Kuiper gebühre der Respekt, beide hätten schließlich die Matten entsprechend vorbereitet.
Wohl ein klassischer Fall von britischem Understatement. Und auch britischem Humor, schließlich ließ sich der 29-Jährige an Bord dabei filmen, wie er auf dem Toiletteneimer sitzt und dabei ganz entspannt Geschwindigkeits- und Wetterdaten verkündet. Auch diese Ruhe und Gelassenheit zeichnen Harris aus. "Stoisch", nannte das Boris Herrmann auf der dritten, schwierigen Etappe. Und dabei verlässlich. Ein Teamplayer. Wichtige Eigenschaften auf hoher See.
Seit 2019 ist Will Arthur Edward Harris treuer Wegbegleiter des viermaligen Weltumseglers. Der Hamburger suchte seinerzeit einen Co-Skipper für das Zweihandrennen Transat Jacques Vabre vom französischen Le Havre nach Salvador de Bahia (Brasilien). Ein Journalist habe ihm Harris empfohlen, der sei wie eine "junge Version von mir", erzählte der 41-Jährige.
Studierter Ozeanograf mit technischem Know-how
Dabei war Harris zu diesem Zeitpunkt noch nie über den Atlantik gesegelt: "Es gab hundert Segler mit mehr Erfahrung, die er mir hätte vorziehen können. Aber er wählte mich aus." Herrmann hat die Entscheidung nicht bereut: "Will und ich haben von Anfang an gut zueinander gepasst. Er ist ein talentierter Segler und sehr entschlossen."
"Man muss hart arbeiten und zu jeder Gelegenheit, die sich einem bietet, 'Ja' sagen. Man weiß nie, welche Türen sich öffnen werden." Will Harris
Harris, der an der Universität von Southampton Ozeanografie studierte, hat sich inzwischen als einer der jüngsten Navigatoren und Meteorologen im internationalen Profisegelsport einen guten Ruf erworben. Bei Hermanns Vendée-Globe-Premiere 2020/2021 unterstützte er den Einhand-Segler von Land aus. Den anschließenden Bau der neuen Malizia - Seaexplorer begleitete der Mann aus Weybridge im Südosten Englands mit seinem großen technischen Know-how intensiv.
Traum von Kap-Hoorn-Umrundung erfüllt
Noch vor vier Jahren hatte Harris die Landmannschaft des Rennmanagements der Ocean-Race-Veranstalter verstärkt. Vor der diesjährigen Auflage der wichtigsten Mannschaftsregatta des internationalen Segelsports war er maximal 21 Tage am Stück auf See gewesen. Allein die dritte, historisch längste Ocean-Race-Etappe von Kapstadt nach Itajai dauerte nun 35 Tage - und endete mit dem Triumph des Team Malizia.
Sieben Kilo Körpergewicht kosteten den 29-Jährigen die Strapazen und Entbehrungen auf der "Monsteretappe". Trotzdem ist Harris vom Abenteuer Weltumsegelung begeistert. Vor zehn Jahren habe er erstmals einen Fuß auf eine Yacht gesetzt und nun blicke er bereits auf seine erste Kap-Hoorn-Umrundung zurück: "Der Traum eines jeden Hochsee-Seglers ist für mich wahr geworden. Das war ein unglaubliches Gefühl, diese legendäre Landspitze zu sehen."
Start in die vierte Etappe am Sonntag
Wenn am Sonntag um 18.15 Uhr die Ocean-Race-Flotte in Richtung Newport (USA) aufbricht, hat Harris zum zweiten Mal das Kommando auf der Malizia. Bereits auf dem zweiten Teilstück von den Kapverden nach Kapstadt hatte er Herrmann vertreten, der wegen einer Fußverletzung pausieren musste. Der Etappensieg in Kapstadt verpasste das Team Malizia nur knapp: "Es ist ein fantastisches Gefühl, zu sehen, wie das Team auch ohne mich an Bord funktioniert", sagte Herrmann. Er weiß: Auf Harris ist Verlass.