Der Wahl, der aus dem Wasser kam
Wahl muss trotz des mehrfach vorgetragenen Wechselwunsches bei Empor bleiben. Der Handballer ist frustriert und denkt über eine Flucht nach, um sich seinen großen Traum zu erfüllen. "Ich habe lange Zeit mit mir gekämpft und mich schließlich für das Bleiben entschieden. Die Angst war zu groß, was meinen Eltern nach meiner möglichen Flucht passiert wäre", verrät Wahl 2007 den "Kieler Nachrichten". Obgleich er die besten Jahre seiner Karriere in der vergleichsweise mittelmäßigen DDR-Oberliga verbringen muss, erlangt er internationale Bekanntheit. Weil er die Nationalmannschaft des Staates, der ihm die Ausreise verwehrt, zu großen Erfolgen führt. Neben dem Olympiasieg in Moskau feiert "Potti" mit dem Auswahlteam zwei dritte Plätze bei Weltmeisterschaften (1978 und 1986). Es ist hypothetisch, doch ohne den Mann, "der mit seinem Sportgerät auch aus 30 Metern einen Stier hätte erlegen können" ("derwesten.de"), wären diese Erfolge wohl nicht möglich gewesen. Wahl trifft in 313 Einsätzen für die DDR-Auswahl 1.338 Mal ins Schwarze.
Spätes Debüt im DHB-Team
Trotz seiner großen Verdienste hat der Ausnahme-Sportler kein Vermögen anhäufen können. Umso überraschender schlägt Wahl nach der Wende lukraktive Offerten der Bundesligisten THW Kiel, TuSEM Essen und VfL Gummersbach aus und entscheidet sich für einen Wechsel zum Zweitligisten Hameln. "Weil deren Manager Dieter Teraske sämtliche Tricks und Überredungskünste anwendete, um mich zu ködern", erzählt er später. Der inzwischen 35 Jahre alte Rückraumspieler führt die Niedersachsen mit 192 Toren in die Bundesliga. Nebenbei absolviert er beim Hauptsponsor des Clubs, einem Finanzdienstleister, eine Ausbildung zum Bankkaufmann. "Mit 35 Jahren noch als Azubi tätig zu sein, ist nicht weiter tragisch; schließlich kann ich das Erlernte später noch brauchen", erklärt der zweifache Familienvater. Es ist bewundernswert, wie Wahl die Doppelbelastung meistert. Zumal er 1991 auch noch sein Debüt für die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) feiert. Allerdings kann der Routinier in der Mannschaft von Trainer Horst Bredemeier auch aus Verletzungsgründen keine tragende Rolle mehr spielen. Nach nur 31 Einsätzen (74 Tore) tritt Wahl von der internationalen Bühne ab. 1993 beendet er auch seine Profikarriere. Der DHB würdigt seine großartige Laubahn mit der Ernennung zum ersten Ehrenspielführer des Nationalteams.
Kein Glück als Vereinstrainer
So ganz vom Handball lassen kann Wahl jedoch nicht. Für den Amateurclub TSG Emmerthal steht er noch einige Jahre auf dem Parkett, bevor der frühere Rostocker 1998 den Part des Sportlichen Leisters bei Hameln übernimmt. Ein Jahr später löst Wahl beim Zweitligisten Alfred Gislason als Trainer ab. Obgleich er die Mannschaft auf Rang eins führt, wird der Übungsleiter im März 2000 entlassen. Es folgen weitere Engagements bei kleineren Vereinen, die jedoch nicht von nennenswerten Erfolgen gekrönt sind. Inzwischen hat sich der zweifache Familienvater aus der Handball-Szene weitgehend zurückgezogen. Nur bei Prominentenspielen ist Wahl hin und wieder auf dem Parkett zu sehen. Ansonsten geht er inzwischen in seiner Freizeit lieber einer anderen Beschäftigung nach. "Ich habe mit dem Golfspielen begonnen, mittlerweile meine Platzreife erlangt und arbeite regelmäßig an der Verbesserung meines Handicaps. Vielleicht ist dies mein Sport für die alten Tage", erklärt der Mann, der als "Potti" Geschichte schrieb.
- Teil 1: Aus dem Becken aufs Parkett
- Teil 2: Fluchtgedanken ad acta gelegt