Rekordtrainer Otto Rehhagel: Modern ist, wer gewinnt
Otto Rehhagel zählt zu den erfolgreichsten deutschen Trainern. Werder Bremen formte er zu einem Bundesliga-Spitzenclub, mit Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern wurde er Meister, als Nationaltrainer Griechenlands Europameister. Mit 837 Spielen ist er der Rekordcoach der Bundesliga.
Da mutet es fast schon tragisch an, dass sein letzter Job mit einem Misserfolg endete und mit einem Spielabbruch auch noch einen faden Beigeschmack bekam: Rehhagels letzte Mission, die Berliner Hertha vor dem Abstieg zu retten, scheiterte im Sommer 2012 im Relegationsduell mit Düsseldorf.
Das Rückspiel bei der Fortuna wurde nach einem Platzsturm abgebrochen, es folgte ein langes Hin- und Her um die Wertung des Spiels - mit negativem Ausgang für die Hertha. So schloss sich für Rehhagel der Kreis. Als rustikaler Abwehrrecke war er 1963 am ersten Spieltag der neu gegründeten Bundesliga im Hertha-Trikot aufgelaufen. Seitdem hatte das "Kind der Bundesliga", wie sich der am 9. August 1938 geborene Rehhagel gern selbst nennt, viel erlebt.
Beinharter Verteidiger der ersten Stunde
Rehhagel beginnt seine fußballerische Karriere in seiner Heimatstadt bei TuS Helene Essen und beim Traditionsclub Rot-Weiss Essen. Als 1963 die Bundesliga ins Leben gerufen wird, wechselt er zu Hertha BSC nach Berlin. Rund zwei Wochen nach seinem 25. Geburtstag steht Rehhagel am ersten Spieltag der neuen Eliteklasse auf dem Feld.
Seine ersten beiden Bundesligatreffer gelingen ihm am 14. November 1963 gegen den 1. FC Kaiserslautern - jenem Verein, zu dem er 1966 wechselt und mit dem er Jahrzehnte später Geschichte schreiben wird. Der kompromisslose Verteidiger absolviert insgesamt 201 Bundesligaspiele, erzielt dabei 22 Tore.
Eine Knorpelabsprengung am Knie beendet seine Laufbahn als Spieler 1971, aber Rehhagel hat vorgesorgt: Im letzten von Hennes Weisweiler geleiteten Lehrgang an der Sporthochschule Köln macht der 31-Jährige im März 1970 seinen Trainerschein. Nach einem Engagement beim Regionalligisten 1. FC Saarbrücken heuert er 1973 beim Bundesligisten Kickers Offenbach an, wo er ein Jahr später Nachfolger von Gyula Lorant wird.
Erste Erfolge mit Offenbach
Rehhagel hat schnell Erfolg: Nach Platz zehn 1973/1974 verpassen die Kickers erst zum Saisonende 1974/1975 die Europacup-Ränge und werden Achter. Rehhagels "Hurra-Stil" sorgt für Furore, einer seine ersten Siege ist ein 6:0 gegen den FC Bayern, der im August 1974 mit sechs frischgebackenen Weltmeistern am Bieberer Berg untergeht.
Der Trainer stellt sich jedoch selbst ins Abseits, als er am Rande einer Bundesligapartie Schiedsrichter Walter Eschweiler Bestechung vorwirft: Rehhagel wird zu einer zweimonatigen Sperre und 5.000 DM Geldstrafe verurteilt. Offenbach entlässt ihn daraufhin.
Erster Titel mit Düsseldorf
In der Folgezeit erwirbt sich Rehhagel den Ruf als "Notnagel" und "Feuerwehrmann", trainiert zwischen 1976 und 1980 vier Vereine: Werder Bremen, Borussia Dortmund, Arminia Bielefeld und Fortuna Düsseldorf. Mit den Rheinländern gewinnt der Fußballlehrer seinen ersten Titel. Die Fortuna holt den DFB-Pokal durch einen 2:1-Finalerfolg gegen den 1.FC Köln. Doch nur ein knappes halbes Jahr später ist in Düsseldorf schon wieder Schluss, das Team steht nur auf Rang 16 in der Tabelle. Die hohen Erwartungen an den Trainer haben sich nicht erfüllt.
Erfolge in Bremen und Kaiserslautern
Rehhagel hat Glück: Er folgt dem Notruf seines Ex-Vereins Werder Bremen. Die Hanseaten sind in der Zweiten Liga auf Erfolgskurs, aber Trainer Kuno Klötzer steht aus gesundheitlichen Gründen nach einem Autounfall nicht mehr zur Verfügung. Rehhagel springt ein, führt das Team 1982 zurück in die Bundesliga und dort auf Anhieb in die Spitzengruppe.
"Otto ist einer der ganz, ganz großen Welttrainer gewesen." Werder Bremens früherer Manager Willi Lemke
Was das Fachblatt "kicker" in der Vorschau noch skeptisch beurteilt ("die Vergangenheit von Verein und Trainer lässt nicht unbedingt darauf schließen, dass die jetzige 'Ehe' gut geht"), ist der Anfang einer beispiellosen Erfolgs-Ära in Bremen. Werder, das in den Jahren zuvor nur in den unteren Tabellenregionen dümpelte, spielt nun dauerhaft oben mit. Nach zwei fünften und drei zweiten Plätzen geht 1988 der ersehnte Meistertitel endlich nach Bremen.
Erfolgsmischung: Junge Talente und Altstars
Rehhagels Konzept der "kontrollierten Offensive" hat Erfolg: Zudem gelingt es ihm, neben jungen Talenten wie Rudi Völler, Frank Neubarth, Johnny Otten, Norbert Meier, Karl-Heinz Riedle oder Frank Ordenewitz auch immer wieder, unbekannte ausländische Profis wie Rune Bratseth (Norwegen) oder Wynton Rufer (Neuseeland) und vermeintliche "Altstars" wie Klaus Allofs, Klaus Fichtel, Erwin Kostedde oder Manfred Burgsmüller perfekt in die Mannschaft zu integrieren.
Neben einer weiteren Meisterschaft (1993) sowie zwei Pokalsiegen (1991 und 1994) gewinnt Werder unter Rehhagel 1992 auch den Europapokal der Pokalsieger - der größte Erfolg der Vereinsgeschichte. Für Furore sorgt der Club zudem mit vielen fulminanten Auftritten im Europacup, die als "Wunder von der Weser" in die Geschichte eingehen.
"Ich war ein demokratischer Diktator." Otto Rehhagel über seine Menschenführung
Nicht das außergewöhnliche Training, sondern die Menschenführung sei Rehhagels große Stärke gewesen, erklärt der frühere Werder-Manager Willi Lemke. 14 Jahre bei Werder seien die Einheiten fast immer gleich gewesen, so der 76-Jährige. "Er war kein Trainer, der wissenschaftlich rangegangen ist. Aber es ist ihm gelungen, die Spieler komplett für sich einzunehmen, sie für sich zu gewinnen. Er war manchmal wie ein Vater."
Fehlentscheidung München
Werder ohne Otto Rehhagel ist unvorstellbar geworden und so gerät die Pressekonferenz am 13. Februar 1995 zum Paukenschlag, als der Bremer Dauercoach seinen Abschied ausgerechnet zum großen Rivalen und Gegenentwurf Bayern München verkündet. Die vermeintliche Traumehe erweist sich jedoch als große Fehlentscheidung, Rehhagel kommt mit den Allüren der Münchner Stars nicht zurecht - die wiederum nicht mit dem Rotationsprinzip des Trainers.
Dazu gesellen sich alsbald vereinsinterne persönliche Differenzen - Rehhagel wird nach einem 0:1 gegen Hansa Rostock entlassen, wenige Tage vor dem ersten Finalspiel im UEFA-Cup. Diesen Titel gewinnen die Bayern anschließend mit Interimscoach Franz Beckenbauer.
Als Aufsteiger zur Meisterschaft
Wieder wählt Rehhagel den Umweg über die Zweite Liga - und wieder erweist es sich als die richtige Entscheidung. Der 1. FC Kaiserslautern, gerade erstmals in der Vereinsgeschichte abgestiegen, buhlt um die Dienste des 58-Jährigen. "Hier darfst du wieder Otto sein", lockt ihn Präsident Jürgen Friedrich, der einst mit Rehhagel gemeinsam für den FCK die Fußballstiefel schnürte.
Anders als in München funktioniert die Ehe auf Anhieb. Kaiserslautern schafft die sofortige Rückkehr in die Beletage und wird ein Jahr später mit einem 4:0 am vorletzten Spieltag gegen den VfL Wolfsburg als erster Aufsteiger der Bundesliga-Geschichte deutscher Meister. "Das ist eine einmalige Sensation im Fußball", frohlockt Rehhagel.
Ausgangspunkt ist ein 1:0-Erfolg in der ersten Runde der Spielzeit 1997/98 ausgerechnet bei Bayern München. Otto Rehhagels Genugtuung über diesen Sieg spiegelt sich in einem minutenlangen Jubellauf durchs Olympiastadion wider.
Doch mit dem Meistertitel wachsen in der Pfalz auch die Erwartungen und Ansprüche. Rehhagel verliert zudem sein glückliches Händchen in der Mannschaftsführung. Jungnationalspieler Michael Ballack hat er ebenso wenig im Griff wie den französischen Weltmeister Youri Djorkaeff, der in der Pfälzer Provinz fehl am Platze wirkt. Am 20. September 2000 endet Rehhagels Amtszeit in Kaiserslautern - er nimmt seinen Hut.
- Teil 1: Beinharter Verteidiger der ersten Stunde
- Teil 2: "Rehakles"