VIDEO: Patrick Wiencek: Gänsehautmomente im Sportclub und im Karriere-Endspurt (21 Min)

Patrick Wiencek und der Traum von einem letzten "Bam-Bam" auf der Platte

Stand: 08.04.2025 09:19 Uhr


Patrick Wiencek ist auf der Zielgeraden seiner bewegten und erfolgreichen Handball-Karriere. Im Sommer beendet der Kreisläufer des THW Kiel seine Laufbahn und wechselt auf die Geschäftsstelle des Rekordmeisters. Der Bundesliga geht damit eine ihrer prägendsten Figuren der vergangenen knapp zwei Dekaden verloren - und Wienceks Ehefrau Fabiane vielleicht eine zuverlässige Putzhilfe.

von Tom Gerntke und Hanno Bode

Vor Heimspielen des THW Kiel heißt es im Hause Wiencek stets: "Bam-Bam macht brum brum". Denn dann schnappt sich dieser 2,01 Meter große und 110 Kilogramm schwere Koloss von Mann vor lauter Nervosität den Staubsauger und saugt in den eigenen vier Wänden jeden Krümel auf. Aus dem Blondschopf wird dann im wahrsten Sinne des Wortes der "weiße Riese". Von dieser Macke wussten bis dato weder die Mitspieler des 35-Jährigen noch offenbar der Hersteller eines gleichnamigen Waschmittels. Sonst hätte der Handballer vielleicht einen schönen Zusatzverdienst als Werbefigur für den Fleckenbeseitiger generieren können.

Doch erst jetzt wurde das Geheimnis um die spezielle Spielvorbereitung des THW-Kapitäns gelüftet. Nicht von Ehefrau Fabiane, sondern von Mutter Edith. "Vor dem Spiel putzt er immer zu Hause, das ist sein Ritual. Er nimmt immer einen Staubsauger, er muss sich bewegen", erzählte sie dem NDR Sportclub. Erstmals überhaupt sprachen die Eltern des "Handballers des Jahres 2018" im Fernsehen über die Karriere ihres Sohnes - und vor allem auch über das nahende Laufbahn-Ende.

Die eine oder andere Träne floss dabei beim Dreh in Duisburg-Walsum. Dort ist Patrick Wiencek aufgewachsen. Dort wohnen seine Eltern noch heute. Und der Gedanke, dass ihr Filius nun bald nicht mehr dem Sport nachgehen wird, der ihm und auch ihnen so viel bedeutet, macht Edith und Andreas Wiencek zu schaffen. "Das wird uns fehlen - sehr fehlen", sagte der Papa des Kieler Kapitäns.

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Patrick Wiencek © IMAGO / Jan Huebner

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THW Kiel plant nicht mehr mit Wiencek

Lange hatte der gelernte Anlagenmechaniker mit sich gerungen, ob er seine Karriere beenden oder anderswo fortsetzen soll. Der THW hatte dem Publikumsliebling mitgeteilt, nach dieser Saison nicht mehr mit ihm zu planen. Am Kreis setzt der Rekordchampion zur neuen Saison auf das Trio Hendrik Pekeler, Petter Överby und Veron Nacinovic.

Wiencek, der 2012 vom VfL Gummersbach zu den "Zebras" gewechselt war, wäre trotz seiner nun schon 36 Jahre bei anderen Topclubs untergekommen. Der Kreisläufer mit der Türsteher-Figur ist schließlich noch immer ein Leistungsträger bei den Schleswig-Holsteinern. Aber noch einmal umziehen? Weg aus Kiel, der Stadt, die für ihn, seine Frau und die zwei Kinder zur Heimat geworden ist? Das wollte der gebürtige Duisburger letztlich nicht.

"Es ist noch schwer zu realisieren"

"Es war eine der schwierigsten Entscheidungen, die ich treffen musste", gab er bei seinem Besuch im Sportclub am Sonntagabend offen zu. Das ganze Gespräch über lächelte Wiencek sanft. Seine Augen glänzten. Und doch konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der 36-Jährige innerlich noch mit dieser Entscheidung kämpft, die sein Leben von Grund auf verändern wird.

"Es ist noch schwer zu realisieren. Ich habe noch zwei Monate und kann noch einiges erreichen. Und das ist auch mein Ziel. Und wenn das vorüber ist, werde ich mir Gedanken machen, wie meine Karriere war und wie es weitergeht", erklärte der Abwehrspezialist.

Titelsammler und "große Kiel-Legende"

Patrick Wiencek (l.) vom THW Kiel © IMAGO / Eibner
Patrick Wiencek (l.) gewann mit dem THW unter anderem sechs Meistertitel.

Der THW Kiel ohne Patrick Wiencek? Die Handball-Bundesliga ohne Patrick Wiencek? An diesen Gedanken müssen sich die Fans der "Zebras" und vermutlich sehr viele Handball-Anhänger überhaupt erst einmal gewöhnen. Der Riese mit dem sanftmütigen Lächeln sammelte in seinen nun 13 Jahren in Kiel schließlich Titel wie attraktive Teenager Telefonnummern von Verehrerinnen.

Sechsmal wurde der Kreisläufer Meister, viermal Pokalsieger und je einmal Champions-League- und EHF-Pokal-Gewinner. Hinzu kommt Olympia-Bronze 2016 in Rio mit der Nationalmannschaft, für die er 159 Mal auflief. "Bam-Bam", wie Wiencek in Anlehnung an den Sohn von Barney Geröllheimer aus der TV-Serie "Familie Feuerstein" gerufen wird, hat sich längst ein Denkmal an der Förde gebaut - wenn bis dato auch nur ein imaginäres.

Für Manager Viktor Szilagyi und Coach Filip Jicha ist Wiencek "eine der größten Kiel-Legenden aller Zeiten". Und das bedeutet etwas bei einem Verein wie dem THW, der sehr viele sehr gute Handballer in seiner erfolgreichen Geschichte herausgebracht hat.

Wiencek vom Aussortierten zum Nationalspieler

Dass Wiencek einmal in einem Atemzug mit Clublegenden wie Magnus Wislander, Marcus Ahlm oder Michael Krieter genannt werden würde, es ist mit Blick auf die Anfänge seiner Laufbahn verwunderlich. Denn im Alter von 14 Jahren flog er aus der Niederrhein-Auswahl. Der damalige Coach sprach ihm die nötige Athletik für den schnellen und körperbetonten Sport ab. Ganz austrainiert, so erinnert sich Vater Andreas, war sein Sohn damals tatsächlich nicht: "Er war immer pummelig, weil er gerne gegessen hat."

Aufgeben war für seinen Filius aber keine Option. Er wollte Profi werden. Und er wurde schließlich auch Profi. "Wir wurden so erzogen, dass man mit harter Arbeit viel erreichen kann. Die Werte lebe ich bis heute. Wenn meine Eltern mich nicht so erzogen hätten, wäre ich nicht dort hingekommen, wo ich heute bin", sagte der 36-Jährige.

Prokop: "Er lässt sein Herz auf dem Parkett"

Trainer Christian Prokop von der TSV Hannover-Burgdorf © IMAGO/Eibner Pressefoto Foto: Marcel von Fehrn
Christian Prokop, aktuell Coach der TSV Hannover-Burgdorf, verhalf Patrick Wiencek als Bundestrainer zum Nationalmannschaftsdebüt.

Mit harter Maloche schaffte es das Kind des Ruhrgebiets nach oben. Mit dem Herz eines Löwen hielt er sich dort über ein Jahrzehnt lang auf allerhöchstem Niveau. Dabei schätzen seine früheren und aktuellen Wegbegleiter nicht nur seine sportlichen Qualitäten.

"Er ist einer der ehrlichsten Menschen, die ich in unserem Business kennengelernt habe. Er sagt immer das, was er denkt. Er lässt sein Herz auf dem Parkett", sagte Christian Prokop vom Ligarivalen TSV Hannover-Burgdorf über den Kreisläufer, dem er einst zu seinen Zeiten als Bundestrainer zum Nationalmannschaftsdebüt verhalf.

Traum vom Sieg beim Final Four um den DFB-Pokal

Dem DHB-Team hat "Bam-Bam" schon 2022 bye, bye gesagt. In ein paar Wochen ist dann ganz Schluss für ihn mit dem Handball. Am 25. Juli wird er in der Ostseehalle, in die er auch nach all den Jahren beim THW noch immer mit "Gänsehautmomenten" aufläuft, sein Abschiedsspiel bestreiten. Danach geht's für ihn dann von der Platte in die Geschäftsstelle. "Das Schöne für mich ist, dass ich weiter nah an der Mannschaft bleibe. Daher freue ich mich riesig auf die Aufgabe", sagte der 36-Jährige.

Bevor dieser neue Lebensabschnitt beginnt, will Wiencek aber noch mindestens einen Titel mit den "Zebras" holen. Während die Chancen auf den Gewinn der Meisterschaft nicht mehr ganz so gut für den Rekordchampion stehen, könnten der Kapitän und seine Kieler am Wochenende in Köln beim Final Four den DHB-Pokal an die Förde holen. Gegner im Semifinale sind die Rhein-Neckar Löwen.

"Ich bin glücklich, dass ich das noch einmal erleben darf. Für uns ist es enorm wichtig, ein gutes Turnier zu spielen. Wir fahren dahin und wollen gewinnen", sagte Wiencek. Bleibt eigentlich nur noch die Frage, ob der Routinier auch fernab der Kieler Heimat vor den Partien den Staubsauger schwingen wird. Könnte schwierig werden, zählt das Reinigungsgerät ja nicht zur Standardausstattung der meisten Hotelzimmer. Andererseits: Wo ein Wille ist, ist bekanntlich auch ein Weg. Eine Weisheit, die ganz nebenbei auch der Titel für eine Autobiografie von Patrick Wiencek sein könnte...

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Sportclub | 06.04.2025 | 00:59 Uhr

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