Tobias Schweinsteiger vor einem Wandgemälde in Osnabrück © Osnapix Foto: Titgemeyer

Schweinsteiger-Gemälde in Osnabrück: Wie Maradona in Neapel

Stand: 28.07.2023 12:06 Uhr

Aus einem Spaß beim Stammitaliener wurde ein echtes Kunstwerk. Der VfL-Trainer sagt im NDR Interview, wie er über den Heldenstatus denkt und mit welchen klaren Regeln er die Mannschaft in der 2. Liga halten will.

Herr Schweinsteiger, mit etwas Abstand: Wie blicken Sie auf den Aufstieg zurück?

Tobias Schweinsteiger: Es ist ein schöner Moment gewesen, den wir uns erarbeitet und auch genossen haben, der bleibt in Erinnerung. Nichtsdestotrotz ist das abgeschlossen nach der Sommerpause. Wir sind jetzt eine neue Mannschaft und die wird versuchen solche Momente wieder zu kreieren.

Nach der Euphorie mussten sie zügig die Planungen für die 2. Liga vorantreiben. Kamen Sie überhaupt zur Ruhe?

Schweinsteiger: Grundsätzlich hatten wir vor allem für die 3. Liga geplant. Natürlich hatten wir eine Art Schattenkader für die 2. Liga, aber eine wirkliche Detailplanung haben wir erst nach dem Aufstieg gestartet. Deswegen waren für mich die drei Wochen in der Sommerpause auch sehr viel Arbeit, mit viel Videosichtung und einigen Calls mit Sportdirektor Amir Shapourzadeh.

"Hier werden nicht nur große Sprüche gemacht, sondern es folgen auch Taten." Tobias Schweinsteiger über das Wandgemälde

Sie wurden zum Helden für die Osnabrücker, was macht das mit Ihnen? Spüren Sie eine Art Druck?

Schweinsteiger: Nein, Druck gar nicht. Mir ist es immer noch unangenehm, wenn Fans mich auf die Tribüne rufen. Das sind Momente, die eigentlich den Jungs gehören. Wir als Trainer und Staff sind eine Art Dienstleister: Wir wollen den Jungs eine Plattform geben, auf der sie sich entwickeln können, um ihr bestmögliches Leistungsniveau zu erreichen. Aber natürlich ist es ein schönes Gefühl, wenn man merkt, die Leute in der Region oder in der Stadt mögen einen.

An der Hauswand Ihres Stammitalieners hat man Ihnen ein riesiges Gemälde gewidmet.

Schweinsteiger: Das ist schon krass, damit hätte ich nicht gerechnet. Es war immer ein Spaß, den sie gemacht haben: 'Wenn du mit der Mannschaft aufsteigst, dann müssten eigentlich andere aus der Stadt dir so ein Wandbild machen, wie Maradona in Neapel!' Im Endeffekt haben sie es selbst durchgezogen und das zeigt auch, dass hier nicht nur große Sprüche gemacht werden, sondern auch Taten folgen. Diese Mentalität ist hier in der Region verankert und diese deckt sich mit dem, wie ich es handhabe.

Das Wandgemälde mit Tobias Schweinsteiger © Osnapix Foto: Titgemeyer
Das Wandgemälde zu Ehren Tobias Schweinsteigers in Osnabrück.

Wieviel Euphorie des Aufstiegs ist in der Mannschaft noch zu spüren?

Schweinsteiger: Die Euphorie ist definitiv da! Wir haben aber auch einen kleinen Umbruch, mit Abgängen und Neuzugängen. Ich glaube, dass wir, was die Mannschaftsstruktur angeht, deutlich weiter sind als ich die Mannschaft letzten Herbst vorgefunden habe. Es ist ein sehr gutes Miteinander. Dieses wird natürlich auf die Probe gestellt am ersten Spieltag, wenn Spieler am Samstag nicht spielen oder nicht zum Kader gehören.

"Es gehört zu unserer Philosophie und dem Modell VfL Osnabrück, Talente gehen zu lassen." Schweinsteiger über die namhaften Abgänge

Drei wichtige Säulen der Aufstiegsmannschaft haben den Verein verlassen: Ba-Muaka Simakala (zu Holstein Kiel), Sven Köhler (Odense BK) und Omar Traoré (Heidenheim) – war das ein Stimmungsdämpfer?

Schweinsteiger: Bei ‚Chance‘ Simakala wussten wir schon im Winter, dass sich die Wege trennen werden. Bei uns stand die Aussicht auf den Aufstieg gar nicht im Raum, sodass er sich für den soliden Zweitligisten entschied. Ich glaube, Kiel passt auch für ihn, es ist der nächste Step. Wie für Köhli, er hatte Anfragen aus der Bundesliga und von Top-Zweitligisten. Er und Omar waren große Talente, die über die Regionalliga den Weg zu uns gefunden haben. Für Verhandlungen mit Neuzugängen ist es immer gut, wenn du Beispiele aufzählen kannst, wie sich Spieler bei uns entwickeln können. Darum gehört es zu unserer Philosophie und dem Modell VfL Osnabrück, diese Talente auch gehen lassen zu müssen.

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Sie legen viel Wert auf Ordnung auch neben dem Platz - fangen Sie mit Ihren Regeln wieder bei Null an, weil zehn Neue da sind?

Schweinsteiger: Nein, denn das ist schon Teil der Gespräche. Es ist nicht so, dass ich eine halbe Stunde mit den Spielern telefoniere und sage, wie wir Fußball spielen. Es geht immer auch darum, wie wir als Mannschaft miteinander umgehen und welche Werte wir vertreten. Die Neuen wussten genau, worauf sie sich einlassen und durften in der ersten Woche auch gleich den Material-Dienst übernehmen. John Verhoek zum Beispiel ist ein mannschaftsdienlicher Spieler, der sein Ego hinten anstellt und trotzdem performen kann. In der Hinsicht ist ein Timo Beermann trotz seiner Verletzung extrem wichtig, Robert Tesche ist genauso ein Vorbild. Das sind Jungs, die sich für nichts zu schade sind, die nach dem Training auch zehn Minuten den Ball in der Hecke suchen, wenn einer fehlt.

Wie kann die Mannschaft in dieser 2. Liga bestehen?

Schweinsteiger: Vergangenes Jahr waren wir von der Etat-Tabelle auf Platz elf in der 3. Liga. Aber wir konnten sagen: Wenn wir an unsere 100 Prozent kommen, dann verlieren wir kein Fußballspiel. Dann bist du gewissermaßen auf Augenhöhe. Das ist ein Gefühl, das entstehen muss. Wir können weniger Ballbesitz haben, mehr Zweikämpfe verlieren oder mehr Schüsse aufs Tor bekommen. Aber die Spieler sollen sich in unserer Struktur auf dem Feld trotzdem wohlfühlen - das ist ein hoher Anspruch. Dann gehst du ins Spiel und machst es jedem Gegner schwer.

"Wenn ich mich festlegen müsste, würde ich auf Schalke und Düsseldorf setzen." Schweinsteiger über die Aufstiegsfavoriten

Auf welches Spiel freuen Sie sich am meisten?

Schweinsteiger: Auf die Heimspiele. Und wenn ich mir ein Auswärtsspiel raussuchen müsste, wäre es das im Volkspark. Ich habe drei Jahre mit Tim Walter zusammengearbeitet, eines davon beim HSV. Dazu bin ich mit Jonas Boldt befreundet. Ich mag das Stadion, es ist immer eine gute Atmosphäre und es ist das erste Mal, dass ich es mit Zuschauern auswärts erlebe. Das wird etwas Besonderes. Ansonsten ändert sich an unseren Abläufen oder meinen Emotionen wenig, wenn es mal ein großer Gegner ist. Da bin ich vielleicht ein bisschen zu norddeutsch für einen Süddeutschen.

Wer sind Ihre Aufstiegsfavoriten, was ist Ihr Ziel?

Schweinsteiger: Schalke hat eine gute Mannschaft, der HSV auch. Düsseldorf hat einen richtig starken Kader, der ein bisschen unterschätzt wird. St. Pauli und Hertha BSC dazu, diese fünf Mannschaften werden sich oben festbeißen. Wenn ich mich festlegen müsste, würde ich auf Schalke setzen und sogar auf Düsseldorf. Unser eigenes Ziel ist es einfach, drei Mannschaften hinter uns zu lassen, mehr nicht.

Das Interview führte Sina Braun

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Dieses Thema im Programm:

Sport aktuell | 28.07.2023 | 14:17 Uhr

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