"Raute unterm Hakenkreuz" - HSV in der NS-Zeit
Auch das verschweigt der Verein nicht, obwohl die Recherche möglicherweise noch glaubwürdiger wäre, wenn sie von unabhängigen Historikern begleitet würde. Die allerdings sollen erst hinzugezogen werden, wenn ein lange geplantes Buch zum Thema realisiert wird. Aber das dauert wohl noch, das Forschen nach der Wahrheit ist komplex. Ein Beispiel: Gab es im Handball-Team noch in den 40er-Jahren jüdische Mitglieder? Stövhase hält das für möglich, weil im Mitgliedsbuch eines Juden der 27. Oktober 1941 als Eintrittsdatum steht.
Führerprinzip schon vor 1933
Auf der anderen Seite hat sich der am 2. Juni 1919 aus dem Zusammenschluss des SC Germania von 1887 und des Hamburger FC von 1888 gegründete Hamburger Sport-Verein unter seinem Vorsitzenden Emil Martens schon früh gerühmt, das Führerprinzip eingeführt zu haben. Einfach ausgedrückt könnte man sagen, dass die Mitglieder seit Martens' Wahl 1928 bei bestimmten Fragen nichts mehr zu sagen hatten. Allein der Vorsitzende, der bei den Nazis Vereinsführer hieß, bestimmte. Auszug aus den Vereinsnachrichten vom August 1933: "Damit ist ein leichtes Einordnen in den neuen Staat gewährleistet, erklärte Martens."
Vorauseilender Gehorsam
Ob dies vorauseilender Gehorsam war oder eine Scharade, ist nicht geklärt. "Wir wissen nicht, ob Martens dies genutzt hat, um bei den Nazis gut dazustehen, oder ob es tatsächlich die Überzeugung war", erklärt Stövhase. Belegt ist, dass Martens 1933 in die NSDAP eingetreten ist. Weil er ein strammer Nazi war - vielleicht aber auch, weil er als Homosexueller so Repressalien zu verhindern glaubte. Tatsächlich schützte es ihn weder vor Verfolgung und Haft noch vor der Kastration.
Als Martens 1934 wegen Verstoßes gegen das Amateurstatut von der Sportbehörde als Präsident abgesetzt wurde, ernannte ihn der HSV zum Ehrenmitglied und Ehrenvorsitzenden. Auch das könne man so und so sehen, sagt Stövhase. Sicher ist Martens ein Beispiel dafür, wie eng Opfer- und Täterschaft beieinander liegen können.
HSV-Begräbnis für einen Nazi
Was den Verein veranlasst hat, Otto Fritz - genannt "Tull" - Harder nach seinem Tod 1956 ein Begräbnis mit HSV-Flagge auf dem Sarg zu verschaffen, bleibt ebenso unverständlich wie die erneute Wahl von NSDAP-Mitglied Paul Hauenschild 1949/50 zum Präsidenten. Harder war zwar Nationalspieler und mehrfacher Meister mit dem HSV, er war aber auch bekennender Nazi, Wachmann im KZ Neuengamme und Lagerführer in Hannover-Ahlem. Die "taz" hat nachgedruckt, was die HSV-Vereinsnachrichten damals geschrieben haben: "Nun ist er nicht mehr; aber unsere Gedanken werden noch oft bei ihm verweilen und den schönen Stunden gedenken, die er uns bereitet hat." Und im "Hamburger Abendblatt" (10./11. März 1956) war zu lesen: "Spieler der ersten Jugendmannschaft des HSV hielten im Klubdress Wache am Sarg." Peinlich wurde es nochmals im Jahr 1974, als Harder in einer Broschüre zur Fußball-WM als Legende des Hamburger Fußballs auftauchte. Der Fauxpas wurde spät entdeckt, die Seite eiligst herausgerissen.
- Teil 1: Recherche und Lernen im Volksparkstadion
- Teil 2: Nichts soll verschwiegen werden
- Teil 3: "Man muss wachsam sein"