Werder Bremens Rettung und die Folgen: Viel Arbeit, wenig Geld
Nach der Rettung in der Fußball-Bundesliga steht Werder Bremen erneut vor einem Berg Arbeit. Das Team von Trainer Ole Werner braucht Verstärkung. Aber die Kassen sind leer. Können sich die Grün-Weißen das Sturmduo Füllkrug/Ducksch noch leisten?
Wenn der Trainer seine lädierte Hüfte vergisst und wie ein Derwisch durch die Gegend hüpft, wenn sich nach Wochen der sportlichen Flaute Spieler Tränen aus den Augen wischen und sich gerade noch bitterböse pfeifende Fans freudetrunken in den Armen liegen - dann wird wohl wieder etwas Besonderes im Weserstadion passiert sein. Tatsächlich hat es Werder Bremen geschafft, der grün-weißen "Wonderwall" im letzten Heimspiel die Sorgen vor dem prompten Wiederabstieg endgültig zu nehmen.
Füllkrugs Zukunft: Nichts Neues, keine Tendenz
"Für uns war der Klassenerhalt eigentlich die ganze Zeit klar", sagt Nationalspieler Niclas Füllkrug. "Wir haben auf unsere Stärke vertraut, dass wir die nötigen Punkte schon holen." Nach fünf Wochen Verletzungspause war der 30-Jährige wieder mit von der Partie, auf Tore und besondere Szenen musste er aber verzichten. Nichts Neues auch zu seinen Zukunftsplänen - weder Tendenzen noch Ideen gebe es.
Wie vor einem Jahr, als die Rückkehr in die Fußball-Bundesliga nach einem begeisternden Schlussspurt mit einer Riesenparty und einem Autokorso gefeiert wurde, war es nach dem hart erkämpften 1:1 gegen den 1. FC Köln allerdings nicht. Natürlich nicht, auch wenn das lange erwartete Ereignis in der Stadt und vor allem rund ums Stadion am Osterdeich stundenlang und lautstark gefeiert wurde, mit Hymnen aus den ruhmreichen Tagen des Traditionsvereins.
"Ich finde, dass der Klassenerhalt noch mal höher zu bewerten ist, als der Aufstieg." Werder-Trainer Ole Werner
"Das wird vermutlich in keiner Vereinschronologie auftauchen, doch ich finde, dass der Klassenerhalt noch mal höher zu bewerten ist, als der Aufstieg", sagt Trainer Ole Werner - und vermutlich hat er recht. Mit vergleichsweise kleinem Geldbeutel haben es die Verantwortlichen um Sport-Geschäftsführer Frank Baumann und Fußball-Chef Clemens Fritz geschafft, eine bundesligataugliche Mannschaft zu formieren. Die sich dank des mehr und mehr treffsicheren Sturmduos Füllkrug/Ducksch vorübergehend sogar mit dem Blick nach oben beschäftigen durfte.
Friedl: Hätte "ekelhaft" werden können
Der dritte Spieltag bei Borussia Dortmund hatte sicherlich einen beträchtlichen Anteil daran. Nachdem es 89 Minuten nach einer klaren Niederlage ausgesehen hatte. Doch dann verwandelten Lee Buchanan, Niklas Schmidt und Oliver Burke ein 0:2 in einen 3:2-Sieg. Ein unglaubliches Ereignis, das in seiner positiven Bedeutung lange nachwirkte und den Blick für die Realität nach einer großartigen Hinserie vielleicht hier und da ein wenig trübte.
Beinahe hätte Werder daher zum Saisonende noch Besuch vom Abstiegsgespenst bekommen. "Wenn wir heute wieder ohne Punkte dagestanden hätten, wäre es natürlich unfassbar ekelhaft geworden", sagte Kapitän Marco Friedl nach der Erlösung gegen Köln.
Schwache Rückserie trübt die Freude
"Et hätt noch immer jot jejange", heißt es passend zum Gegner im "Kölschen Grundgesetz" - und genauso mochten auch die Werder-Getreuen nach der Zitterpartie gedacht haben. Dennoch mischte sich in den Freudentrunk mehr als ein Wermutstropfen angesichts der schwachen Rückrunde mit nur einem Sieg in den letzten zehn Spielen und vier Heimpleiten am Stück. Ein Trend, den selbst unerschütterliche Optimisten nicht schönreden konnten. Und womöglich war es ein Vorgeschmack auf die zweite Saison nach dem Aufstieg, die als die schwerste gilt, wenn man einem (ungeschriebenen) Gesetz des Fußballs Glauben schenkt.
Werner beklagt kleinen Kader
"Der Klassenerhalt ist von der Arbeit her für den Verein, die Mitarbeiter, Spieler und Fans fast noch einmal die größere Aufgabe nach dem Aufstieg gewesen", so Werner, der während der Saison nicht nur einmal den zu kleinen Kader moniert hat, der Werders Möglichkeiten allzu stark limitierte. Die Schwächen, insbesondere im Abwehrverbund, blieben vor allem in der Rückrunde ein steter Begleiter, der manch ordentliche Leistung zunichte machte. Ein gutsitzender "Anzug" ist in der Bundesliga eben zu wenig, zumal wenn Verletzungen hinzukommen - wie beispielsweise die des hochgelobten Felix Agu, der quasi die komplette Saison verpasst hat.
Heiße Phase im Poker um Füllkrug/Ducksch beginnt
Werder muss sich in allen Bereichen gravierend verstärken. Das ist ebenso klar wie angesichts leerer Kassen schwierig. Ohne eine große Portion Kreativität und sicher auch Glück in den Verhandlungen dürfte es nicht gehen. Zumal die Situation um das Duo Füllkrug/Ducksch angeblich noch ungeklärt ist. Baumann: "Sportlich gibt es keine zwei Meinungen, dass wir beide behalten wollen. Aber es gibt eben auch eine finanzielle Komponente." Und die spricht für Transfererlöse, die den Hanseaten bei der Akquise neuer Spieler helfen würden. Bis zur Rettung wollten beide Seiten stillhalten - nun beginnt die heiße Phase.
Erster Neuzugang da: Kownacki kommt aus Düsseldorf
"Es ist vollkommen klar, dass es nicht leichter wird für uns", sagt Werner, dessen Vertrag sich automatisch um ein Jahr verlängert hat. "Es wird immer eine große Herausforderung bleiben in den kommenden Jahren, in der Bundesliga mit überschaubaren finanziellen Mitteln konkurrenzfähig zu sein. Mit ein paar an Altlasten, die noch da sind." Der verliehene Stürmer Burke hat, wie es heißt, keine Lust zurückzukommen. Fraglich ist zudem, ob der aus Wolfsburg ausgeliehene Maximilian Philipp bleibt und Eren Dinkci imstande ist, die möglicherweise klaffende Lücke im Sturm zu füllen. Die wurde am Montagnachmittag zumindest etwas verkleinert: Werder gab die Verpflichtung des polnischen Nationalstürmers Dawid Kownacki bekannt.
Dennoch: Es gibt Fragezeichen über Fragezeichen - aber das war nach dem späten Aufstieg vor einem Jahr nicht anders. Dass Trainer-Team und Mannschaft eine "besondere Gruppe, eine Einheit sind" (Werner), könnte dabei ein nicht zu unterschätzender Faktor sein. Das Selbstvertrauen und der Glaube an den Klassenverbleib haben jedenfalls auch unter den schlechten Ergebnissen der vergangenen Wochen nicht gelitten. "Vom Klassenerhalt war ich die ganze Zeit überzeugt", so Torschütze Romano Schmid, der im 48. Spiel seinen ersten Bundesligatreffer feiern konnte.
Füllkrug: "Haben ein bisschen lange gewartet"
"Aber wir haben ein bisschen lange gewartet, es fix zu machen", sagt der diesmal torlose Füllkrug, der am letzten Spieltag am kommenden Sonnabend bei Union Berlin (15.30, im NDR Livecenter) noch Torschützenkönig werden kann: "Wir haben auf unsere Stärke vertraut und es verdient über die ganze Saison hinweg." Dass dafür immer eine Leistung nahe der 100 Prozent notwendig ist, betont Werner trotz aller Freudensprünge: "Noch mal mehr, wenn das Portemonnaie nicht allzu viele Fehler verzeiht." Die Ausrutscher müssen sich für Werder weiterhin in Grenzen halten, damit es auch in einem Jahr heißt: Es ist wieder gutgegangen.