Vor 18 Jahren: St. Paulis wundersame "B-Serie" im DFB-Pokal
Als Drittligist erreichte der FC St. Pauli vor 18 Jahren das Halbfinale im DFB-Pokal. Die wundersame "B-Serie" bewahrte den Club vor dem finanziellen Ruin.
Als am 12. April 2006 am Hamburger Millerntor um kurz nach 23 Uhr das Flutlicht ausgeht, sitzen die Spieler des FC St. Pauli erschöpft und enttäuscht in der Kabine. Der Regionalligist ist im Halbfinale des DFB-Pokals ausgeschieden: 0:3 heißt es am Ende gegen den großen FC Bayern. Mit der Niederlage ist auch die wundersame Pokalreise vorbei, in deren Verlauf St. Pauli vier höherklassige Teams aus Städten mit B aus dem Wettbewerb schoss und damit dem Verein das finanzielle Überleben sicherte.
"Die 2,7 Millionen Euro, die wir erhielten, haben den Verein auf wirtschaftlich gesunde Beine gestellt", erinnert sich der damalige Präsident des hochverschuldeten Drittligisten, Corny Littmann, 15 Jahre nach der "Bokalrettung".
Die Bayern am Rande einer Niederlage
Dabei stand St. Pauli auch gegen den Rekordmeister und späteren Sieger vor der Sensation. Die Bayern führten vor 19.400 Zuschauern zwar früh, mussten aber in der Folge lange und oft zittern, ehe durch zwei späte Tore von Claudio Pizarroin der Schlussphase der Sieg beim Außenseiter feststand. Uli Hoeneß sprach danach von einem "ungeheuer schwierigen Spiel" für den Rekordmeister. St. Pauli sei über sich hinausgewachsen, stellte der Bayern-Manager treffend fest und atmete erleichtert durch.
Start der "B-Serie" gegen Burghausen
Begonnen hatte die legendäre "B-Serie" acht Monate vorher - im Sommer 2005. In der ersten Runde schlugen die Hamburger den Zweitligisten Burghausen überraschend mit 3:2 nach Verlängerung. Ein Hoffnungsschimmer in einer schwierigen Zeit.
"Der Verein war mehrfach pleite. Der Gerichtsvollzieher war immer wieder auf der Geschäftsstelle, aber es gab nichts mehr zu holen," berichtet der frühere Geschäftsführer Frank Fechner rückblickend.
Danach ging es aber erst richtig los. Es folgte ein spektakuläres 4:0 gegen den Bundesliga-Absteiger aus Bochum. Der VfL war chancenlos und das Publikum am Millerntor aus dem Häuschen. Das zweite B war geschafft und die leere Vereinskasse begann sich zu füllen.
Dramatischer Sieg gegen Hertha BSC
Bei B Nummer drei wurde es dramatisch: Die Berliner Hertha war der Gegner im Achtelfinale kurz vor Weihnachten. Die Gäste reisten mit Stars wie Niko Kovac, Arne Friedrich und Marcelinho an und führten bereits mit 2:0, ehe die Hamburger zurückschlugen und sich durch ein Tor von Felix Luz kurz vor Schluss in die Verlängerung retteten.
Dort glich St. Pauli nach erneutem Rückstand wieder aus und erzielte dann sogar noch den Siegtreffer zum 4:3: Robert Palikuća traf im strömenden Regen per Kopf. Der heutige Cheftrainer Timo Schultz spürte mit seinen Teamkollegen den legendären "Millerntor Roar", die lautstarke Leidenschaft des Publikums, die die Mannschaft ins Viertelfinale trug.
Bei Schnee und Eis gegen Werder Bremen
Gegner dort war Werder Bremen. Miroslav Klose, Johan Micoud, Torsten Frings und Co. kamen am 25. Januar 2006 als Bundesliga-Spitzenmannschaft ins vereiste und schneebedeckte Millerntor-Stadion. Manager Klaus Allofs drängte wegen "irregulärer Platzverhältnisse" vergeblich auf eine Verlegung. Die Werder-Funktionäre wetterten, die Mannschaft schlitterte aus dem Pokal und St. Pauli jubelte am Ende über ein 3:1 und den Einzug ins Halbfinale.
Dort erwiesen sich dann die Bayern zwar als eine Nummer zu groß, aber die Regionalliga-Mannschaft des FC St. Pauli verhinderte, dass "der Verein von der Fußball-Landkarte verschwindet", ordnet Fabian Boll die legendäre Pokal-Saison heute ein. Mit einem "Haufen aus Gescheiterten und Halb-Talentierten", wie es Schultz ausdrückt, warfen die St.-Paulianer vier höherklassige Mannschaften aus dem Wettbewerb. Und in dem hatte für den damaligen Trainer Andreas Bergmann, "jedes Spiel seine eigene, unglaubliche Geschichte".