VfL Wolfsburg: Vom Provinzclub in Europas Spitze
Der Fußball in Wolfsburg fristete viele Jahre ein Schattendasein neben den niedersächsischen Traditionsclubs Hannover 96 und Eintracht Braunschweig - und vor allem neben den anderen Sportabteilungen des Vereins. Erst mit Beginn dieses Jahrtausends richtete sich der Fokus beim VfL zusehends auf das runde Leder: Dank kräftiger finanzieller Unterstützung von Volkswagen ist der VfL Wolfsburg mehr als 75 Jahre nach seiner Gründung vor allem fußballerisch eine Marke - bei den Männern die Nummer eins im Norden, bei den Frauen sogar deutschlandweit maßgebend.
Als am 12. September 1945 in einer Baracke nahe des zerbombten Volkswagenwerks der VSK Wolfsburg aus der Taufe gehoben wurde, ahnte wohl keiner der zwölf Beteiligten (elf Männer und eine Frau), welche professionelle und vor allem erfolgreiche Entwicklung der Verein unter dem späteren Namen "Verein für Leibesübungen Wolfsburg" nehmen würde. Denn am Anfang bestimmten Zufälle und Rückschläge das Geschehen an den Allerwiesen. Grün-Weiß wurde nur Vereinsfarbe, weil ein damaliger Kreisjugendpfleger zehn grüne Trikots übrig hatte und Frauen aus privat gespendeten weißen Bettlaken Hosen nähten. Die Fußballsparte musste schon kurz nach der Gründung den Austritt fast der gesamten ersten Mannschaft hinnehmen, die den Konkurrenzclub 1. FC Wolfsburg gründete.
Meisterschaften und Olympia-Medaillen für VfL-Athleten
Für sportliche Schlagzeilen sorgten zunächst andere VfL-Sportler: Kunstspringerin Gretel Gebauer war 1954 die erste deutsche Meisterin des Vereins. Die VfL-Feldhandballer wurden 1963 deutscher Meister, Peter Baronsky und Paul Schwope waren vier Jahre zuvor bereits Weltmeister mit dem deutschen Nationalteam geworden. Im Gewichtheben war Wolfsburg zwei Jahrzehnte lang eine Hochburg, holte insgesamt acht Mannschafts-Meistertitel.
Sogar elf Mal Meister wurden die Judoka, herausragende Athleten waren dabei Doppel-Europameister Alexander von der Groeben, Klaus Glahn (Olympia-Bronze 1964 und -Silber 1972) und Frank Wieneke (Olympiasieg 1984). 1972, bei den Olympischen Spielen in München, gab es Gold für 800-Meter-Läuferin Hildegard Falck. Und sogar im Rennrodeln schlägt eine VfL-Medaille bei Olympia zu Buche: Angelika Dünhaupt gewann 1968 Bronze.
Deutscher Weitsprung-Meister wurde 1980 in Jens Knipphals ein Wolfsburger, dem der Olympia-Boykott mögliche weitere Erfolge verwehrte. Sein Sohn Sven wurde über 200 Meter 2013 deutscher Vizemeister und holte mit der Staffel 2014 EM-Silber. Jüngster Wolfsburger Spitzen-Athlet ist Deniz Almas, der 2020 in Braunschweig zum deutschen Meistertitel über die 100 Meter sprintete.
Gründungsmitglied der zweiten Fußball-Bundesliga
Die sportliche Entwicklung im Fußball war in den Anfangsjahren hingegen zäh. Zwar etablierte sich der VfL schnell in der höchsten deutschen Amateurklasse (1954) und war 1974 sogar Gründungmitglied der Zweiten Liga - doch Konstanz herrschte am Elsterweg nicht: 1975 stieg der VfL direkt wieder ab, 1976 wieder auf, 1977 wieder ab und scheiterte schließlich 1978 in der Aufstiegsrunde. 13 lange Jahre verbrachten die Niedersachsen in der trostlosen Drittklassigkeit, ehe 1992 unter Trainer Uwe Erkenbrecher die Rückkehr ins Bundesliga-Unterhaus gelang.
Bundesliga-Aufstieg 1997
Die weitere Entwicklung ging dann deutlich rasanter. Nur drei Jahre nach der Zweitliga-Rückkehr klopften die "Wölfe" erstmals ans Tor der Bundesliga, in der Saison-Endabrechnung fehlten gegenüber dem punktgleichen Konkurrenten Fortuna Düsseldorf lediglich fünf Tore. Doch der Aufstieg war nur aufgeschoben, er gelang dank eines spektakulären 5:4-Sieges gegen den 1. FSV Mainz 05 im Saisonfinale der Spielzeit 1996/1997. Nur zwei Jahre später folgte bereits der erstmalige Einzug in den UEFA-Cup. 2001 wurden die Strukturen mit der "VfL Wolfsburg Fußball GmbH" noch professioneller. Sponsor Volkswagen ist seit 2007 zu 100 Prozent Gesellschafter, vor allem das finanzielle Budget wuchs damit erheblich.
Meisterschaft, Pokal - aber auch zweimal Relegation
Nach acht Jahren in der Beletage war der VfL ganz oben angekommen: Trainer Felix Magath trieb sein Team 2009 völlig unerwartet zur Meisterschaft. Das Sturmduo Grafite (Torschützenkönig) und Edin Dzeko erzielte zusammen 54 Treffer - bis heute Bundesligarekord. 2015 wurde der VfL mit Trainer Dieter Hecking DFB-Pokalsieger, 2016 gab es den legendären 2:0-Heimsieg im Viertelfinale der Champions League gegen Cristiano Ronaldos Real Madrid. Der Clubs leistete sich teure Stars wie Kevin de Bruyne, Julian Draxler, André Schürrle, Max Kruse oder Niklas Bendtner - sportlich ging es trotz der vielen klingenden Namen bergab:
Zweimal hintereinander konnte der erstmalige Abstieg aus der Bundesliga nur in der Relegation vermieden werden. Die aktuelle sportliche Führung scheint aus den Erfahrungen gelernt zu haben. Manager Jörg Schmadtke und Rekord-Feldspieler Marcel Schäfer agieren mit deutlich geringerem Budget, aber mit mehr Augenmaß. Der VfL hat sich wieder stabilisiert und startete zwischen 2019 und 2021 dreimal in Folge im internationalen Geschäft.
- Teil 1: Männer: Vom Provinzclub zum Dauer-Bundesligisten
- Teil 2: Frauen: Titelgewinne en masse