VfL-Fußballerinnen im Trainingslager: Weichenstellung in Ostwestfalen
Die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg bereiten sich in Harsewinkel bei Gütersloh auf die neue Saison vor. Während der Kader für die kommende Spielzeit steht, gibt es darüber hinaus weiter einige Fragezeichen und große Herausforderungen für Ralf Kellermann, den Direktor Frauenfußball.
Im Juni während der Europameisterschaft der Männer gastierte die portugiesische Nationalmannschaft samt Superstar Cristiano Ronaldo im noblen Hotelressort in Ostwestfalen. Seit Montag bereiten sich die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg zum insgesamt fünften Mal hier auf eine neue Saison vor, schätzen die Ruhe und die bestens gepflegten Rasenplätze direkt neben dem Hotel. Der Direktor Frauenfußball schaut sich das Training von oben an - auf dem für Videoanalysten und ihre Kameras hier errichteten Podest. Ralf Kellermann wirkt zufrieden.
Mit Optimismus in die neue Saison
Nach einigen schmerzhaften Abgängen hat der VfL sieben neue Spielerinnen verpflichtet, darunter die olympischen Bronzemedaillengewinnerinnen Sarai Linder und Janina Minge sowie Angreiferin Lineth Beerensteyn (über 100 Länderspiele für die Niederlande). "Wir sind für die neue Saison richtig gut aufgestellt. Es ist zwar nicht möglich, Lena Oberdorf, Ewa Pajor oder Dominique Janssen eins zu eins zu ersetzen. Aber wir haben es hinbekommen, die Lücken so zu schließen, dass wir - wenn wir als Gruppe zusammenwachsen - wieder einen starken Kader haben", so Kellermann.
Trotz Dijkstra-Ausfall: Keine Nachverpflichtung geplant
Caitlin Dijkstra allerdings, die in der Innenverteidigung die zu Manchester United gewechselte Janssen ersetzen sollte, fällt wegen einer Sprunggelenksverletzung mehrere Monate aus. Ein weiterer Transfer ist deshalb nicht geplant. "Ich bin überzeugt, dass eine mögliche Neuverpflichtung uns nicht wirklich besser machen würde", sagt Kellermann.
"Natürlich haben wir Hendrich und Hegering, Wedemeyer und Papp haben auf dieser Position eine gute Vorbereitung gespielt, Lattwein und Minge könnten ebenso in der Innenverteidigung eingesetzt werden. Der Kader ist in der Breite so aufgestellt, dass wir das auffangen."
Rückkehr der deutschen Nationalspielerinnen
Die acht Wolfsburger Olympionikinnen machen in Harsewinkel noch nicht das volle Pensum mit, aber: "Sie kamen mit einem Erfolgserlebnis zurück, das ist sehr positiv. Wobei der Spielplan bei Olympia aus meiner Sicht gesundheitsgefährdend ist. Alle drei Tage eine Partie, teils samt Verlängerung. Die Reisestrapazen kommen dazu und auch noch die hohen Temperaturen. Sechs Spiele in 15 Tagen, das ist wirklich fahrlässig. Ich bin froh, dass sich keine Spielerinnen schwerer verletzt haben", erklärt Kellermann.
Bayern München Favorit auf den Meistertitel
Trotz des breit aufgestellten Wolfsburger Kaders werden den Münchener Meisterinnen von den meisten Experten große Chancen eingeräumt, ihren Titel zu verteidigen. Auch für Kellermann sind die Rollen klar verteilt: "Als amtierender Meister gehen die Bayern als Favorit in die Saison. Wir sehen uns als Herausforderer und wollen da sein, wenn die Münchnerinnen patzen." Das erste direkte Duell der beiden Topclubs steigt bereits am Sonntag (18.15 Uhr) im Supercup in Dresden.
Champions-League-Qualifikation von hoher Bedeutung
Enorme Bedeutung hat für den VfL die Qualifikation für die Champions League, Mitte September geht es in Hin- und Rückspiel gegen noch unbekannte Gegnerinnen um die Teilnahme am Wettbewerb, die der Verein im vergangenen Jahr erstmals seit 2012 verpasst hatte.
Das Ausscheiden gegen Paris FC war der Tiefpunkt der Saison, eine Erfahrung, die sich nicht wiederholen darf: "Zwei, drei Jahre ohne diese europäischen Bühne?! Dann würde es für uns nicht leichter, Spielerinnen für den VfL zu begeistern. Das ist ohnehin schon eine Herausforderung aufgrund der gewachsenen Konkurrenz. Von daher müssen wir in die Gruppenphase der Champions League und wenn wir das geschafft haben, ist der Viertelfinaleinzug der Anspruch", stellt Kellermann klar.
14 auslaufende Verträge zum Ende der Saison
Längst ist der Direktor auch mit der ferneren Zukunft beschäftigt. Im Sommer 2025 laufen 14(!) Verträge aus, darunter die von Kapitänin Alexandra Popp, Torhüterin Merle Frohms und Shootingstar Jule Brand. Bei der 33-jährigen Popp geht es auch um die generelle Fortsetzung ihrer Fußballkarriere, dass aber Frohms und Brand ihre Verträge bislang nicht vorzeitig verlängert haben, könnte darauf hindeuten, dass sie den VfL verlassen wollen.
Angreiferin Brand entschied sich in diesem Jahr immerhin bewusst dafür, eine Ausstiegsklausel nicht zu ziehen und mit dem VfL in die neue Saison zu gehen. "Ich habe das Gefühl, ich bin in Wolfsburg noch nicht fertig. Ich will noch was zeigen, ich kann noch nicht gehen. Ich habe hier meine Leute, ich habe Spaß“, erklärt sie bei einer Medienrunde im Trainingslager. Weiter in die Zukunft blicken will Brand nicht: "Ich konzentriere mich auf diese Saison."
Geschäftsführer Christiansen im Trainingslager dabei
Der Club hat es auch schwer, Spielerinnen zu verpflichten und zu binden, weil Wolfsburg in puncto Strahlkraft, Attraktivität der Stadt und bei der Infrastruktur nicht mit Bayern München und schon gar nicht mit den Topclubs in England und Spanien mithalten kann. Im Trainingslager dabei ist auch der neue VfL-Geschäftsführer Peter Christiansen - ein wichtiges Zeichen in der Woche vor dem Bundesligastart des Männerteams.
Der Nachfolger von Marcel Schäfer arbeitet eng mit Kellermann zusammen: "Er lässt keine Gelegenheit aus, den Frauenfußball zu pushen, zu platzieren. Auch vom neuen Aufsichtsratschef Sebastian Rudolph spüren wir die volle Unterstützung. Sie sind bereit, in die Dinge, die für uns extrem wichtig sind, zu investieren und die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern."
Stroot-Nachfolge noch ungeklärt
Während des Training steigt eine Kameradrohne auf, gesteuert wird sie von Analyst Gerhard Waldhart. Ralf Kellermann hat das Podest am Platz verlassen, er telefoniert. Vielleicht geht es ja um die Nachfolge von Trainer Tommy Stroot, dessen Abschied zum Ende der Saison fest steht. Kellermann hat bereits mit vielen Kandidaten und Kandidatinnen Gespräche geführt. So schnell wie möglich und definitiv noch in diesem Jahr soll feststehen, wer das Amt übernimmt.