Timo Hildebrand: Zwischen sportlichen Sternstunden und mentaler Last
Timo Hildebrand war Nationalkeeper, eine feste Größe in der Fußball-Bundesliga und deutscher Meister mit dem VfB Stuttgart 2007. Auf den ersten Blick eine Bilderbuchkarriere. Doch Hildebrand kämpfte schon als aktiver Profi mit psychischen Problemen, wie er im Podcast "Raus aus der Depression" berichtet.
884 ist noch immer eine magische Zahl für einen Torhüter in der Fußball-Bundesliga: 884 Minuten blieb Timo Hildebrand saisonübergreifend in den Spielzeiten 2002/03 und 2003/04 als Keeper des VfB Stuttgart ohne Gegentreffer - ein Rekord, der noch heute Bestand hat.
Hildebrand ist damals Leistungs- und Sympathieträger bei den Schwaben - auffällig mit seinen langen blonden Haaren und den geschmeidigen Bewegungen. Und ein Garant für den Meistertitel 2007.
Unvergessene Parade auf dem Weg zur Meisterschaft
Seine sagenhafte Parade am vorletzten Spieltag beim VfL Bochum, die den Stuttgartern den Sieg sichert, ist ein Highlight der Bundesliga-Geschichte.
Der Keeper ist neben Mario Gomez, Sami Khedira, Cacau und Thomas Hitzlsperger einer der strahlenden VfB-Helden, hat aber zu diesem Zeitpunkt schon längere Zeit psychische Probleme, wie er im NDR Info Podcast "Raus aus der Depression" im Gespräch mit Harald Schmidt (Entertainer und Schirmherr der Stiftung Deutsche Depressionshilfe) und Professor Ulrich Hegerl betont.
Das Gefühl von Niedergeschlagenheit und Ausweglosigkeit
Mitte der 2000er-Jahre habe er begonnen, mit einer Psychologin zu arbeiten. Er spürte "Niedergeschlagenheit, Ausweglosigkeit". Zudem ist der Druck im Profifußball extrem hoch. "Ich kann mich an ein Spiel in Wolfsburg erinnern, von dem ich gar nicht wusste, wie ich im Tor stand. Wir haben zwar gewonnen, aber ich war froh, dass kein Ball aufs Tor kam", beschreibt Hildebrand eine Erfahrung aus dieser Zeit. "Es gab schon ein paar Phasen, in denen ich gewusst habe: Ich bin wirklich energielos".
Dass er sich jemandem anvertrauen, seine Probleme besprechen konnte, half ihm sehr, wie der 46-Jährige betont. Vertrauen zu jemandem aufzubauen, sei allerdings lange Zeit nicht einfach gewesen, sagt Hildebrand, der als Kind und Jugendlicher unter seinen schwierigen Familienverhältnissen litt.
Vater trinkt und stirbt früh
"Mein Vater war alkoholkrank, starker Raucher und ist mit 63 an Krebs gestorben. Und war niemals eine wirkliche Vaterfigur", erklärt Hildebrand: "Er war zwar immer für mich da, aber ich hatte keine starke Schulter oder Ansprechperson. Und meine Mutter musste sehr viel bewältigen."
Halt habe ihm immer der Fußball gegeben. "Ich war jeden Tag auf dem Sportplatz. Da wusste ich, was ich zu tun habe."
Hildebrand bekommt in jungen Jahren "ein Programm mit", wie er es nennt: "Man wird durch Ereignisse oder Momente getriggert und alte Muster kommen wieder zum Tragen. Es ist krass zu sehen, was man am Anfang seines Lebens mitbekommt. Wie sehr einen das beeinflusst für den Rest seines Lebens. Das sehe ich bei mir selbst, aber auch bei anderen Menschen."
Klinikaufenthalt nach Trennung
2015 beendet Hildbrand nach mehr als 300 Profispielen und sieben Einsätzen für die deutsche Nationalmannschaft seine Karriere. Knapp drei Jahre zuvor ist er Vater geworden. Doch die Beziehung zu seiner Freundin hält nicht.
"Als ich mich von der Mutter meines Sohnes endgültig getrennt hatte, hat es mir den Boden unter den Füßen weggezogen", schildert Hildebrand: "Danach war ich ein, zwei Monate in einer Klinik. Das hat mir sehr, sehr gutgetan."
Ihm hilft der geregelte Tagesablauf mit verschiedenen Aufgaben und Gesprächstherapien. An Wochenenden ist er zu Hause in Stuttgart und trifft sich häufig mit Freunden. Sein Zustand bessert sich - langsam, aber stetig, erinnert er sich im Podcast.
Hildebrand: "Ich fühle mich sehr stabil"
Und wie fühlt Hildebrand sich heute? "Gut", betont er. "Ich habe mich in den letzten zwei Jahren noch einmal intensiver mit Persönlichkeitsentwicklung, alten Emotionen und Gefühlen beschäftigt. Ich fühle mich sehr stabil."
Der 46-Jährige ist unter anderem Markenbotschafter für den VfB Stuttgart, Restaurantbesitzer und engagiert sich in einer Hilfsorganisation. "Ich versuche, mein Leben mit schönen Ereignissen zu füllen", sagt Hildebrand. Dazu gehören auch Yoga und Atemtechniken.
Zudem habe er gelernt, schwierige Phasen zu akzeptieren und nicht zu versuchen, diese zu verdrängen. "Es ist wichtig, die dunkle Seite zu integrieren. Zu wissen: Die gibt es. Aber - sie beherrscht mich nicht mehr."
