St. Paulis Trainer Fabian Hürzeler (l.) freut sich mit seinem Spieler Carlo Boukhalfa. © Imago Images / xLobeca

St. Pauli unter Fabian Hürzeler: Tabellenführung als vorläufige Krönung

Stand: 02.10.2023 09:39 Uhr

Der FC St. Pauli hat durch den Auswärtssieg bei Bundesliga-Absteiger Hertha BSC am Sonnabend die Tabellenspitze in der 2. Liga übernommen. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer überragenden Entwicklung unter Fabian Hürzeler. Der Trainer und sein Team aber wollen mehr.

von Tobias Knaack

Mit einem weiteren äußerst souveränen Auftritt hatte sich sein Team gerade mit einem 2:1 im Berliner Olympiastadion die Zweitliga-Tabellenführung geholt. Im Moment des vorläufigen Höhepunkts seiner noch immer jungen Cheftrainer-Karriere aber war der 30-Jährige zunächst noch kurz im Analysemodus: "Perfekt wäre gewesen, wenn wir zu null gespielt hätten, denn das ist immer oberste Prämisse bei uns", sagte Hürzeler - um schnell nachzulegen, dass er "von der Leistung her und mit dem Ergebnis sehr zufrieden" sei.

Vom Abstiegskandidaten zum Aufstiegsaspiranten

Der Erfolg beim Bundesliga-Absteiger, der angesichts von 25:10 Torschüssen für die Hamburger höher hätte ausfallen können (oder müssen), war Hürzelers 25. Ligaspiel an der Seitenlinie der Braun-Weißen. Mit dem saisonübergreifend 17. Sieg haben er und sein Team mit der Tabellenführung die überragende Entwicklung in diesem Kalenderjahr vorerst gekrönt.

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Keine neun Monate ist es her, da hatte der in Houston im US-Bundesstaat Texas geborene Hürzeler Ende Januar beim 1. FC Nürnberg sein Debüt an der Seitenlinie St. Paulis gefeiert. Nach dem Rauswurf von Timo Schultz hatte er die Mannschaft im Dezember vergangenen Jahres nach einer äußerst durchwachsenen Hinrunde - das Team lag nur einen Zähler vor Platz 18 auf Rang 15 - übernommen und startete mit einem 1:0.

St. Pauli ist unter Hürzeler defensiv enorm stabil

Da stand sie also, die Null. Hürzeler hat dem Team, das in der Hinrunde der vergangenen Spielzeit 25 Gegentore gefangen hatte, eine defensive Stabilität und Grundordnung gegeben, aus der heraus es nun in jeder Partie in der Lage ist, um den Sieg zu spielen. Nur in zwei Begegnungen seit seiner Übernahme hat St. Pauli drei oder mehr Gegentore gefangen - im Stadtderby gegen den HSV (3:4) und gegen Kiel (4:3). Das Ergebnis: lediglich 14 Gegentreffer in 17 Rückrunden-Begegnungen bei neun Zu-Null-Spielen.

In dieser Spielzeit setzt sich dieser Trend nahtlos fort. In keiner Partie haben die Hamburger mehr als einen Treffer kassiert - das aktuelle Torverhältnis steht bei 13:5. Denn es wäre, auch wenn der Eindruck nach der Remis-Serie zu Beginn der Saison entstanden war, falsch, die Mannschaft nur auf eine starke Defensive zu reduzieren. Sie ist, siehe die Vielzahl an Chancen gegen Hertha BSC, immer in der Lage zu treffen - seit gegen Kiel beim 5:1 der Knoten geplatzt ist, immerhin zehn Mal in den vergangenen drei Begegnungen.

Mut und eine positive Fehlerkultur

Und so ist - jenseits von Fragen der Taktik und Grundordnung, von Defensive und Offensive - vor allem die Haltung entscheidend für den Erfolg. Als Beispiel taugt der Ballverlust des wiedergenesenen Kapitäns Jackson Irvine am Sonnabend, der den Berliner Anschlusstreffer kurz vor Schluss ermöglichte. Für Hürzeler kein Problem, ganz im Gegenteil: "In dem einen Spielaufbau machen wir einen Fehler, den wir vermeiden können. Trotzdem ist das genau das, was ich immer fordere, mutig hinten rauszuspielen. Dann passiert das auch mal. Das nehmen wir in Kauf."

Trainer Fabian Hürzeler vom FC St. Pauli lächelt breit © Witters Foto: Tim Groothuis
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Mut und eine positive Fehlerkultur haben der Mannschaft in den vergangenen Monaten Selbstvertrauen gegeben, das sie auch durch schwierige Phasen trägt - etwa nach dem überraschenden zwischenzeitlichen Ausgleich durch Sebastian Polter im Heimspiel gegen Schalke 04 oder dem Anschlusstreffer am Samstagabend. Der Blick geht - im wahrsten Sinne - nach vorne, weil die Mannschaft sehr aktiv offensiv verteidigt, dem Gegner kein Momentum gibt und selber die Spielkontrolle behält.

Eggestein als Sinnbild der Entwicklung

Symbolhaft für die Entwicklung des Kaders ist Johannes Eggestein, der St. Pauli im Olympiastadion mit seinem 1:0 auf die Siegerstraße brachte. Es war sein erstes Tor seit elf Monaten. "Er ist ein Sinnbild für die Mannschaft, wie hart sie arbeitet. Harte Arbeit wird dann auch belohnt. Er hat eine maximale Professionalität, er arbeitet immer an sich", sagt Hürzeler über seinen Stürmer, der in den ersten Monaten unter ihm kaum zu Einsätzen gekommen war.

Hürzeler und den anderen Club-Verantwortlichen aber scheint es gelungen zu sein, eine Einheit zu formen, in der jeder Spieler wichtig ist - ganz gleich, ob er auf dem Rasen steht oder auf der Bank sitzt. Eggestein war es, der unter der Woche zwar sagte, dass er sportlich eine schwierige Phase hinter sich habe, der aber explizit den Austausch mit dem Trainer und der Vereinsführung lobte.

"Die Saison wird ein Marathonlauf und kein Sprint. Darauf bereiten wir uns vor." St.-Pauli-Trainer Fabian Hürzeler

Der aktuelle Lauf der Mannschaft erinnert an die Hinrunde der Saison 2021/2022, als man unter Hürzelers Vorgänger Schultz nach der Hinrunde auf Rang eins gestanden hatte, in der Rückrunde aber abreißen lassen musste und Fünfter wurde.

Nach einem schwachen Kalenderjahr 2022 sind die Braun-Weißen am Samstagabend erneut an der Tabellenspitze angekommen. Muss man also am FC St. Pauli von Hürzeler in dieser Zweitliga-Saison vorbei, um aufsteigen zu können? Der 30-Jährige muss kurz lachen, überlegt und antwortet dann so, wie er es auch von seinen Spielern einfordert: demütig. "Nein, dafür ist es noch zu früh. Wir wissen, dass die Saison ein Marathonlauf wird und kein Sprint. Und darauf bereiten wir uns vor."

Kurzfristig heißt das: die Vorbereitung auf das nächste Topspiel. Am Sonnabend kommt der 1. FC Nürnberg ans Millerntor (20.30 Uhr, im NDR Livecenter). Also der Club, gegen den die bisher so erfolgreiche gemeinsame Entwicklung von Hürzeler und St. Pauli Ende Januar ihren Anfang nahm.

Dieses Thema im Programm:

NDR 2 Sport | 30.09.2023 | 23:03 Uhr

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